TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/28 91/19/0373

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Veröffentlicht am 28.10.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §12 Abs2;
AAV §14 Abs1;
AAV;
ASchG 1972 §31 Abs2;
GewO 1973 §370 Abs2;
GewO 1973 §39 Abs1;
VStG §19 Abs1;
VStG §19 Abs2;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 23. Oktober 1991, Zl. MA 63-D 50/90/Str., betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Strafausspruch und im Ausspruch über den Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (der belangten Behörde) vom 23. Oktober 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft einer näher bezeichneten Kommanditgesellschaft zu verantworten, daß am 7. April 1989 in einem näher bezeichneten Betrieb dieser Gesellschaft bei bestimmten ständigen Arbeitsplätzen die erforderliche Raumtemperatur von 18 Grad C in näher beschriebenem Ausmaß unterschritten worden sei. Er habe dadurch § 14 Abs. 1 in Verbindung mit § 12 Abs. 2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 30.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zehn Tage) verhängt.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der vom Arbeitsinspektorat angezeigte Sachverhalt sei als erwiesen anzunehmen. Im Verfahren erster Instanz habe der Beschwerdeführer lediglich vorgebracht, am 19. Jänner 1989 sei ein Defekt an der Heizanlage aufgetreten. Die erst in der Berufung aufgestellte Behauptung, auch am 7. April 1989 habe ein solcher Defekt bestanden, sei völlig unglaubwürdig, weil es jeder Lebenserfahrung widerspreche, daß die Heizung jeweils vor dem Einschreiten des Arbeitsinspektorates schadhaft werde. Durch entsprechende Maßnahmen hätte der Beschwerdeführer dafür Sorge tragen müssen, daß die Mindesttemperatur auch dann eingehalten werde, wenn die Lagerhallentore nur in betriebsnotwendigem Ausmaß geöffnet würden. Aus der Behauptung des Beschwerdeführers, er habe alles Denkmögliche und wirtschaftlich Vertretbare unternommen, um die Mindesttemperatur aufrechtzuhalten, sei für ihn schon wegen der mangelnden Bestimmtheit dieser Behauptung nichts zu gewinnen.

Die verhängte Geldstrafe von S 30.000,-- mache 60 Prozent der im § 31 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes vorgesehenen Strafobergrenze von S 50.000,-- aus. Durch den beträchtlichen Umfang der Übertretung sei das durch die Strafdrohung geschützte Interesse, Erkrankungen der Arbeitnehmer infolge Unterkühlung zu vermeiden, in hohem Maß gefährdet worden. Es sei auch nicht erkennbar, daß der Übertretung nur ein geringes Verschulden zugrunde liege. Auch unter Berücksichtigung der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und unter der Annahme ungünstiger Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers sei die Geldstrafe von S 30.000,-- angemessen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1.1. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, für die Einhaltung des Arbeitnehmerschutzgesetzes und der AAV sei nicht er als handelsrechtlicher Geschäftsführer sondern der gewerberechtliche Geschäftsführer verantwortlich.

1.2. Damit verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage. Der gewerberechtliche Geschäftsführer kann nur für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften zur Verantwortung gezogen werden. Dazu gehören nicht die dem Schutz der Arbeitnehmer bei ihrer beruflichen Tätigkeit dienenden Normen (siehe das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/18/0054). Die belangte Behörde hat daher mit Recht die Auffassung vertreten, daß der Beschwerdeführer als der zur Vertretung nach außen Berufene gemäß § 9 Abs. 1 VStG für die Einhaltung der Bestimmungen der AAV verantwortlich sei.

2.1. Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers enthält die Begründung des angefochtenen Bescheides keine Widersprüche. Die belangte Behörde hat nämlich nicht zum Ausdruck gebracht, daß dem Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren eine am 19. Jänner 1989 begangene Übertretung angelastet worden sei, sondern hat darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren das aufgrund einer am 19. Jänner 1989 erfolgten Messung festgestellte Unterschreiten der Mindesttemperatur mit einem Heizungsdefekt begründet habe, nicht aber das ihm im vorliegenden Verfahren angelastete Unterschreiten der Mindesttemperatur am 7. April 1989, und daraus auf die Unglaubwürdigkeit der erst in der Berufung aufgestellten Behauptung, es sei ein Heizungsdefekt vorgelegen, geschlossen.

2.2. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die Verletzung von Verfahrensvorschriften infolge des Unterbleibens beantragter Zeugenvernehmungen geltend macht, ist ihm folgendes zu erwidern:

Der Beschwerdeführer hat sich in seiner Rechtfertigung vom 7. Juni 1989 zu den Vorwürfen, am 19. Jänner und am 7. April 1989 seien die Mindesttemperaturen unterschritten worden, geäußert und nur hinsichtlich des 19. Jänner 1989 eine Störung der Heizungsanlage behauptet. Dieser Rechtfertigung war eine Ablichtung eines Schreibens des Beschwerdeführers an das Arbeitsinspektorat vom 12. April 1989 angeschlossen, in dem er zu der Messung vom 7. April 1989 Stellung genommen hat. In diesem Schreiben behauptet er, alles Erforderliche unternommen zu haben, und führt ferner aus, "wenn die Leute sich nicht an die Anweisungen halten und die Heizung eigenmächtig abschalten oder die Türen öffnen, so wird es sehr schwer sein, dagegen etwas zu unternehmen". Von einem Heizungsdefekt ist dabei keine Rede.

Im Schriftsatz vom 1. März 1990 behauptete der nunmehr anwaltlich vertretene Beschwerdeführer neuerlich, daß am 19. Jänner 1989 eine Störung der Heizungsanlage aufgetreten sei, und führte dazu weiter aus, daß die Heizungsanlage von den Arbeitern selbst fallweise abgeschaltet werde und trotz funktionierender Heizung aufgrund des oftmaligen Öffnens der Lagerhallentore die Raumtemperatur absinke. Hinsichtlich des Vorfalles vom 7. April 1989 verwies er auf diese Ausführungen, ohne zu behaupten, daß auch an diesem Tag wieder ein Defekt an der Heizungsanlage aufgetreten sei.

Im erstinstanzlichen Straferkenntnis wurde unter Bezugnahme auf die Verantwortung des Beschwerdeführers ausgeführt, er wäre verpflichtet gewesen, organisatorische Maßnahmen zu setzen, um ein Absinken der Raumtemperatur durch ungerechtfertigtes Abschalten der Heizungsanlage sowie unnnötiges Öffnen der Tore zu verhindern.

In der Berufung bekämpfte der Beschwerdeführer diesen Teil der Begründung mit der Behauptung, die Heizungsanlage sei nicht ungerechtfertigt abgeschaltet worden, sondern es habe sich um einen Defekt gehandelt, der nur bei abgeschalteter Heizungsanlage habe behoben werden können. Die Berufung enthält in der Folge Ausführungen über die Notwendigkeit des Öffnens der Lagerhallentore. Zum gesamten Berufungsvorbringen wurde die Abhaltung eines Lokalaugenscheines und die Vernehmung von Zeugen beantragt.

In Anbetracht dieses Vorbringens des Beschwerdeführers war es nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde der erstmals in der Berufung aufgestellten, mit seinem bisherigen Vorbringen im Widerspruch stehenden und in keinerlei Hinsicht konkretisierten Behauptung keinen Glauben geschenkt hat. Mangels Konkretisierung dieser Behauptung war es auch nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde dazu nicht die zum gesamten Berufungsvorbringen begehrten Beweise durchgeführt hat.

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die Abhaltung des beantragten Lokalaugenscheines hätte ergeben, daß die Heizungsanlage nach den anfänglichen Schwierigkeiten klaglos funktioniere, vermag er damit keinen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen, weil es für die Entscheidung der belangten Behörde unerheblich war, ob die Heizungsanlage zur Zeit des Berufungsverfahrens funktioniert hat.

3.1. Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

3.2. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Strafhöhe und vertritt die Auffassung, daß die verhängte Geldstrafe im Hinblick auf seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse und das Ausmaß seines Verschuldens überhöht sei.

Der Beschwerdeführer ist damit im Recht. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die im Beschwerdefall maßgebende Strafbestimmung des § 31 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz Geldstrafen bis S 50.000,-- vorsieht. Im vorliegenden Fall ist zwar im Sinne der Ausführungen der belangten Behörde davon auszugehen, daß nicht bloß geringes Verschulden vorliege und daß durch die Übertretung das durch die Strafdrohung geschützte Interesse an der Gesundheit der Arbeitnehmer in hohem Maße gefährdet wurde. Berücksichtigt man aber, daß nach dem Akteninhalt die Tat keine weiteren nachteiligen Folgen nach sich gezogen hat, der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit vorliegt, dem Beschwerdeführer nur Fahrlässigkeit angelastet werden kann und - nach der Begründung des angefochtenen Bescheides - ungünstige Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse anzunehmen sind, ist die verhängte Geldstrafe von S 30.000,-- in einer Weise überhöht, daß darin eine fehlerhafte Handhabung des der belangten Behörde bei der Strafbemessung eingeräumten Ermessens zu erblicken ist.

4. Aus den im Punkt 3.2. genannten Gründen war daher der angefochtene Bescheid in seinem Strafausspruch und in dem davon nicht trennbaren Ausspruch über den Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 50 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1991190373.X00

Im RIS seit

01.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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