TE Vwgh Erkenntnis 1993/11/17 93/17/0084

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Veröffentlicht am 17.11.1993
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Index

L34005 Abgabenordnung Salzburg;
L37155 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Salzburg;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

ABGB §891;
AnliegerleistungsG Slbg §1 Abs2;
BAO §20;
BAO §6 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
LAO Slbg 1963 §16;
LAO Slbg 1963 §4 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Raunig, über die Beschwerde des L und der G, beide in S, beide vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg vom 28. Jänner 1993, Zl. MD/A-BBK-12/95/89 und 13/89, betreffend Beitrag zur Herstellung eines Hauptkanales, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Salzburg hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit zwei getrennt ausgefertigten Bescheiden des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg je vom 28. September 1988 wurde den Beschwerdeführern und den übrigen grundbücherlichen Eigentümern der - Teile eines bzw. zweier Bauplätze bildenden und (mit einer Tiefgarage) bebauten, in der C-Straße gelegenen - Grundstücke GP 258/39 bzw. GP 258/40, anläßlich des Anschlusses des (gesamten) Bauplatzes an den in der P-Straße errichteten Hauptkanal gemäß § 12 des Anliegerleistungsgesetzes, LGBl. für das Land Salzburg Nr. 77/1976 idF LGBl. Nr. 61/1982 (ALG), für die Errichtung des Hauptkanales ein Beitrag von S 128.216,80 bzw. von S 121.829,40 solidarisch zur Zahlung vorgeschrieben.

In der dagegen erhobenen Berufung brachten die Beschwerdeführer im wesentlichen vor, sie seien zu je 4/550 Anteilen Miteigentümer der Liegenschaft EZ 2616 mit den Grundstücken 258/39 und 258/40. Auf diesen Grundstücken sei vor ca. 15 Jahren eine Tiefgarage mit Pkw-Abstellplätzen im Freien errichtet worden. Eine Fäkalienentsorgung dieser Tiefgarage bzw. der Pkw-Abstellplätze im Freien durch den Hauptkanal in der P-Straße erfolge nicht, da diese Anlage einer derartigen Entsorgung wesensmäßig nicht bedürfe. Da somit feststehe, daß die Grundstücke weder jetzt noch in Zukunft durch den gegenständlichen Hauptkanal entsorgt würden, erscheine die Vorschreibung eines Kostenbeitrages zur Errichtung dieses Hauptkanales rechtswidrig. Diese Vorschreibung sei aber auch überhöht, weil den Beschwerdeführern als Miteigentümern der Tiefgarage letztlich ein wesentlich höherer Kostenbeitrag für den Kanal vorgeschrieben werde als den Miteigentümern des Wohnhauses C-Straße 21 (richtig: 20), in welchem

ca. 50 Wohnungen über den Hauptkanal entsorgt würden.

In einer weiteren, beim Magistrat Salzburg am 22. März 1989 eingelangten Stellungnahme brachten die Beschwerdeführer weiters vor, den Eigentümern der Liegenschaft EZ 2616 sei ein Kostenbeitrag von (insgesamt) S 250.046,20 vorgeschrieben worden. Auf einen Pkw-Abstellplatz in der Tiefgarage entfalle ein Anteil des Kostenbeitrages von ca. S 3.600,--, auf einen solchen im Freien ein Kostenanteil von ca. S 1.800,--. Auf die Liegenschaft EZ 2534 mit den Grundstücken 258/21 und 258/28 samt dem darauf errichteten Wohnhaus C-Straße 20 entfalle ein Kostenanteil von ca. S 180.000,--. Auf eine 3-Zimmer-Wohnung (mit vier Bewohnern) entfalle somit lediglich ein Kostenanteil von S 900,--. Es könne nicht rechtens sein, daß der Kostenbeitrag für die Herstellung des Hauptkanales für einen Pkw-Abstellplatz in einer Tiefgarage, die nicht durch den Hauptkanal entsorgt werde, viermal so hoch sei wie der Kostenbeitrag für eine 3-Zimmer-Wohnung, deren Entsorgung sehr wohl durch den Hauptkanal erfolge. Würde man auf den Nutzwert der Abstellplätze bzw. der Wohnungen abstellen, würde auf einen Pkw-Abstellplatz in der Tiefgarage ein Kostenanteil von S 47,--, auf eine 3-Zimmer-Wohnung ein solcher von S 10.300,-- entfallen.

Mit Bescheiden je vom 21. April 1989 gab die Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg den Berufungen nicht Folge. Sie begründete dies im wesentlichen jeweils damit, daß im Rahmen der Bauplatzerklärung durch Bescheid vom 24. Juli 1968 im Bereich des verfahrensgegenständlichen Grundstückes bzw. des angrenzenden Wohnblocks C-Straße Nr. 20 EIN Bauplatz vorgesehen gewesen sei. In der Folge sei es zu einer katastermäßigen Teilung des (einheitlichen) Bauplatzes, zur Abschreibung der neugebildeten Grundstücke und Schaffung neuer Einlagezahlen gekommen, sodaß der einheitliche Bauplatz im Grundbuch nunmehr aus insgesamt drei Grundbuchskörpern bestehe, und zwar

1. EZ 2534 mit GP 258/21 und 258/27 (mit Wohnblock und Mittelteil der Tiefgarage),

2.

EZ 2536 mit GP 258/28 sowie

3.

EZ 2616 mit GP 258/39 und 258/40 (mit westlichem und östlichem Tiefgaragenteil).

In rechtlicher Hinsicht sprach die belangte Behörde in ihren Bescheiden vom 21. April 1989 jeweils im wesentlichen aus, Bemessungsgrundlage der Beiträge sei zwar die Fläche des gesamten Bauplatzes, als solidarisch Beitragspflichtige seien aber nur Personen herangezogen worden, die im Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestandes im Juni 1988 grundbücherliche Miteigentümer von zum Bauplatz gehörenden Grundbuchskörpern gewesen seien. Dies habe nicht "gemischt", dh. alle drei Einlagezahlen zusammenfassend und "mittelnd", sondern nur getrennt für jeden Grundbuchskörper erfolgen können.

Diese Bescheide wurden mit hg. Erkenntnis vom 30. Juli 1992, Zlen. 89/17/0106, 0107, wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof sprach im wesentlichen aus, als Bemessungsgrundlage für den gegenständlichen Beitrag sei der GESAMTE Bauplatz heranzuziehen gewesen; dies ungeachtet des Umstandes, daß nach der Schaffung des Bauplatzes der bis dahin einheitliche Grundbuchskörper in drei solche Körper aufgespalten worden sei. Sämtliche Miteigentümer an den nunmehr den Bauplatz bildenden Grundbuchskörpern seien Gesamtschuldner des auf den gesamten Bauplatz entfallenden Beitrages; hiebei komme es auf die Miteigentümereigenschaft im Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches, das sei in den Beschwerdefällen gemäß § 12 Abs. 1 erster Satz ALG der Zeitpunkt des Anschlusses des Bauplatzes an den Hauptkanal, an. Ob und in welchem Ausmaß ein Mitschuldner zur Erfüllung seiner gesamtschuldnerischen Leistung herangezogen werde, liege hiebei im entsprechend zu begründenden Ermessen der Abgabenbehörde. In den Beschwerdefällen habe die belangte Behörde zwar wiederholt ausgeführt, der GESAMTE Bauplatz sei Bemessungsgrundlage des Beitrages, tatsächlich habe sie dann aber jeweils nur eine TEILFLÄCHE dieses Bauplatzes, nämlich die Fläche eines der drei Grundbuchskörper, als Bemessungsgrundlage des Beitrages herangezogen und letzteren allen Miteigentümern der jeweiligen Grundfläche als Gesamtschuldnern vorgeschrieben. Hiebei habe die belangte Behörde keine Ermessensentscheidungen getroffen, sondern in (rechtsirrig angenommener) gesetzlicher Gebundenheit entschieden. Solcherart seien aber diese Entscheidungen nicht unter gehöriger Bedachtnahme auf die Ermessensrichtlinien der Billigkeit und Zweckmäßigkeit zustandegekommen; insbesondere sei auch eine in diesem Rahmen anzustellende Prüfung unterblieben, ob bzw. inwieweit durch die Auswahl der Personen, denen ein Leistungsgebot erteilt werde, die zivilrechtliche Regreßmöglichkeit zwischen den Gesamtschuldnern in unzumutbarer Weise beeinträchtigt werde.

Im fortgesetzten Verfahren erstattete der Erstbeschwerdeführer eine weitere Stellungnahme vom 12. November 1992 und brachte darin ergänzend vor, bei gehöriger Bedachtnahme auf die Ermessensrichtlinien der Billigkeit und Zweckmäßigkeit sei die Kanalanschlußgebühr für den gesamten Bauplatz ausschließlich den Miteigentümern der Liegenschaft EZ 2534 mit den Grundstücken 258/21 und 258/27 samt dem darauf errichteten Wohnhaus vorzuschreiben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg die Berufungen gegen die Bescheide vom 28. September 1988 neuerlich ab. Zur Begründung führte sie - soweit im vorliegenden Verfahren noch von Bedeutung - im wesentlichen aus, wenn die Beschwerdeführer den Standpunkt verträten, daß ihnen wegen Fehlens eines Nutzens für die Tiefgarage aus dem Kanalanschluß überhaupt kein Leistungsgebot erteilt werden dürfte, sei ihnen das oben genannte Erkenntnis vom 30. Juli 1992 entgegenzuhalten, aus dem sich ergebe, daß die Beschwerdeführer als Miteigentümer der beiden angeführten Grundstücke, die einen Teil des (einheitlichen) Bauplatzes bildeten, von der Beitragspflicht hinsichtlich des gesamten Bauplatzes betroffen seien. Die insoweit anfallende Abgabenschuld betrage S 438.708,90. Die Abgabenbehörde habe hinsichtlich der gesamtschuldnerischen Leistung die Möglichkeit, aus dem Kreis sämtlicher Gesamtschuldner einen bestimmten Personenkreis auszuwählen bzw. gegebenenfalls die gesamtschuldnerische Leistung aufzuteilen. Die Abgabenbehörde erster Instanz habe, wenn auch nicht im Rahmen einer Ermessensübung, aber letztlich vergleichbar und hinsichtlich der beiden anderen Liegenschaften EZ 2534 und 2536 rechtskräftig im Ergebnis eine Aufteilung der Gesamtschuld auf die einzelnen Teilflächen des Bauplatzes nach der Flächengröße der beteiligten Grundflächen vorgenommen. Dies entspreche der grundsätzlichen Überlegung der Beitragsregelung im Anliegerleistungsgesetz, die an die Größe der beitragspflichtigen Grundflächen (Bauplätze) anknüpfe und innerhalb eines Bauplatzes nicht differenziere, ob es sich dabei um einen unbebauten oder bebauten Teil handle. Mangels einer Abänderung der Bauplatzkonfiguration könne der den Grundeigentümern bzw. ihren Rechtsvorgängern "anzulastende" Vorgang (gemeint: die Teilung des Bauplatzes in einzelne Grundbuchskörper) der Abgabenbehörde nicht zum Nachteil gereichen. Aber auch eine Vorschreibung der den gesamten Bauplatz betreffenden Abgabenschuld von S 438.708,90 an alle Miteigentümer der in Betracht kommenden Grundstücke erschiene aus der Sicht der Billigkeit problematisch, da diesfalls den einzelnen Grundeigentümern nicht unbeträchtliche Abgabenleistungen auferlegt würden, die sich nicht aus ihrem Grundeigentum ableiteten. Es sei auch der Begriff der "Zweckmäßigkeit" zu berücksichtigen, worunter das öffentliche Anliegen an der Einbringung der Abgaben zu verstehen sei. Das Vorbringen der Beschwerdeführer laufe im Ergebnis darauf hinaus, von einem Leistungsgebot gänzlich befreit zu sein, wodurch die ihre eigenen Grundteile betreffende Beitragspflicht auf die Miteigentümer der in EZ 2536 und 2534 befindlichen Grundstücke abgewälzt würde. Soweit das Vorbringen jedoch nur darauf hinausliefe, die Abgabenschuld zwischen den Miteigentümern der gegenständlichen Liegenschaften nach einer (fiktiv bzw. neu berechneten) Nutzwertfeststellung aufzuteilen, so stelle sich die Heranziehung des Flächenausmaßes der beiden Grundstücke 258/39 und 258/40 aber als ein gesetzlich gedeckter und sachgerechter Aufteilungsschlüssel dar. Dabei dürfe auch nicht übersehen werden, daß die an die Miteigentümer der Liegenschaft EZ 2536 ergangenen Bescheide alle in Rechtskraft erwachsen seien. Auch seien die Beiträge seitens der Eigentümer der EZ 2536 und 2534 bereits zur Gänze entrichtet worden, ebenso auch die an die übrigen Miteigentümer der beiden verfahrensgegenständlichen Grundstücke 258/39 und 258/40 vorgeschriebenen Beiträge. Diesbezüglich hafte lediglich der geringfügige Teilbetrag von S 3.655,03 als aliquoter Anteil eines namentlich genannten Miteigentümers noch unberichtigt aus. Im Hinblick darauf erwiesen sich die Vorschreibungen bzw. die daraus letztlich resultierende restliche Zahlungspflicht nicht als unzumutbare Beeinträchtigung der zivilrechtlichen Regreßmöglichkeit.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf gesetzmäßige Vorschreibung des Beitrages zur Herstellung eines Hauptkanales verletzt. Sie beantragen, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auszugehen ist von der Bestimmung des § 1 Abs. 2 letzter Satz ALG in der hier anzuwendenden Fassung VOR der Novelle LGBl. für das Land Salzburg Nr. 76/1988, wonach mehrere Eigentümer eines Grundstückes für Beiträge nach diesem Gesetz Gesamtschuldner (Mitschuldner zur ungeteilten Hand, § 891 ABGB) sind. Für den Beschwerdefall bedeutet dies, daß - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Vorerkenntnis vom 30. Juli 1992, Zlen. 89/17/0106, 0107, bindend ausgesprochen hat - sämtliche Miteigentümer an den nunmehr den Bauplatz bildenden Grundbuchskörpern Gesamtschuldner des auf den gesamten Bauplatz entfallenden Betrages sind, wobei es auf die Miteigentümereigenschaft im Zeitpunkt des Anschlusses des Bauplatzes an den Hauptkanal ankommt.

§ 891 ABGB, auf den § 1 Abs. 2 letzter Satz ALG ausdrücklich verweist, hat folgenden Wortlaut:

"§ 891. Versprechen mehrere Personen ein und dasselbe Ganze zur ungeteilten Hand dergestalt, daß sich einer für alle, und alle für einen ausdrücklich verbinden; so haftet jede einzelne Person für das Ganze. Es hängt dann von dem Gläubiger ab, ob er von allen, oder von einigen Mitschuldnern das Ganze, oder nach von ihm gewählten Anteilen, oder ob er es von einem einzigen fordern wolle ..."

Die dem Gläubiger durch § 891 ABGB eingeräumte Dispositionsfreiheit ist im öffentlichen Recht unter dem Gesichtswinkel des "Ermessens" zu sehen. Will die Behörde ihre Schuldnerwahl mit den Grundsätzen rechtsstaatlicher Ermessensübung in Einklang bringen und sich nicht dem Vorwurf der Willkür aussetzen, muß sie ihren Entschluß nach SACHLICHEN Gesichtspunkten fassen (vgl. Stoll, Das Steuerschuldverhältnis in seiner grundlegenden Bedeutung für die steuerliche Rechtsfindung, S. 218). Ob und in welchem Ausmaß ein Mitschuldner zur Erfüllung seiner gesamtschuldnerischen Leistung herangezogen wird, liegt daher im entsprechend zu begründenden Ermessen der Abgabenbehörde (vgl. hiezu zuletzt etwa die hg. Erkenntnisse je vom 30. April 1993,

Zlen. 91/17/0121, und 91/17/0190, sowie die dort angeführte weitere Rechtsprechung).

Hiebei hatte die Behörde bei ihrer Ermessensübung zwar nicht von § 16 der Salzburger LAO auszugehen, weil die Bestimmungen dieses Gesetzes gemäß seinem § 1 Abs. 2 lit. b in Angelegenheiten der Anlieger- und Interessentenbeiträge der Eigentümer (Bauberechtigten) von Grundstücken nicht gelten. Jedoch hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem erwähnten Vorerkenntnis vom 30. Juli 1992, Zlen. 89/17/0106, 0107, bindend im Sinne des § 63 Abs. 1 VwGG ausgesprochen, daß auch im vorliegenden Fall (so wie bei Anwendbarkeit des § 16 LAO) auf die Ermessensrichtlinien von Billigkeit und Zweckmäßigkeit gehörig Bedacht zu nehmen sei, wie dies auch dem von Stoll aaO. betonten Erfordernis der Sachlichkeit dieser Ermessensentscheidung entspricht.

Auch im vorliegenden Fall ist daher dem Begriff "Billigkeit" die Bedeutung von "Angemessenheit in bezug auf berechtigte Interessen der Partei" und dem Begriff "Zweckmäßigkeit" das "öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben" beizumessen (vgl. zu § 20 BAO das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 25. März 1981, Slg. Nr. 5567/F). Im Rahmen der Bedachtnahme auf die "Billigkeit", das ist der "Angemessenheit in bezug auf berechtigte Interessen der Partei", wird unter anderem auch das Ausmaß der VORTEILE, die aus den die Gesamtschuld auslösenden Gemeinsamkeiten oder den beiderseitigen Rechtsbeziehungen von den einzelnen Schuldnern geschöpft wurden, von Bedeutung sein (vgl. abermals Stoll aaO.).

Zu Unrecht hat die belangte Behörde, was die Beschwerdeführer zutreffend geltendmachen, diesen Gesichtspunkt bei der zu treffenden Ermessensentscheidung außer acht gelassen. Träfe es nämlich zu, daß die Beschwerdeführer aus dem Anschluß des Bauplatzes an den Hauptkanal keinerlei Nutzen zögen, dann hätte die belangte Behörde ihr Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt. Hiebei ist - da der Verwaltungsgerichtshof bei Ausübung der Ermessenskontrolle sein Ermessen nicht an die Stelle des Ermessens der Behörde setzen darf (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 113) - im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht zu entscheiden, ob diesfalls nur eine gänzliche Befreiung der Beschwerdeführer von der Beitragsleistung in Betracht käme oder etwa auch, wie die Beschwerdeführer auf Verwaltungsebene angedeutet haben, eine Aufteilung nach Nutzwerten. In diesem Zusammenhang geht übrigens der Hinweis der belangten Behörde auf das

hg. Erkenntnis vom 8. April 1991, Zl. 89/15/0111, fehl; der "Nutzwert" kam damals für die Ermittlung einer Grundsteuerbefreiung deshalb nicht in Betracht, weil dies das anzuwendende Gesetz nicht vorsah.

Davon abgesehen entsprach aber auch - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - die von der Abgabenbehörde erster Instanz vorgenommene Aufteilung des gesamten Beitrages auf die drei Grundbuchskörper EZ 2534, 2536 und 2616 nach deren jeweiligem Flächenausmaß nicht der Ermessensrichtlinie der Billigkeit, weil hiebei auf die Miteigentümer der Tiefgarage ein Kostenbeitrag von insgesamt S 250.046,20, auf jene des Wohnhauses C-Straße 20 jedoch lediglich ein solcher von zusammen S 150.602,-- (Bescheid vom 30. September 1988, Zl. VI/2-1423/88-6347) entfiel. Die von den Beschwerdeführern in der Stellungnahme vom 22. März 1989 sowie in der Beschwerde für die Aufteilung dieser Beträge auf die jeweiligen Miteigentümer gegebenen Rechenbeispiele wären im Falle ihrer Richtigkeit geeignet, dieses Mißverhältnis zu unterstreichen.

Daß das Anliegerleistungsgesetz hinsichtlich der Ermittlung des Beitrages insgesamt an die Größe der beitragspflichtigen Grundflächen (Bauplätze) anknüpft, sagt - abermals entgegen der Auffassung der belangten Behörde - nichts darüber aus, wie die Ermessensrichtlinie der Billigkeit bei Vorhandensein mehrerer Gesamtschuldner zu handhaben ist.

Es ist auch nicht zu erkennen, inwieweit eine andere Aufteilung des Beitrages auf die Gesamtschuldner der Abgabengläubigerin hätte zum Nachteil gereichen können oder wieso die Einbringung der Abgaben bei einer den Grundsätzen der Billigkeit entsprechenden Aufteilung des Beitrages auf die Gesamtschuldner gefährdet gewesen wäre.

Im übrigen gehen alle Erörterungen der belangten Behörde zur Frage, wie der gegenständliche Beitrag im Rahmen der Ermessensübung richtig auf die Gesamtschuldner hätte verteilt werden müssen, insofern ins Leere, als im Beschwerdefall lediglich die Rechtmäßigkeit der Vorschreibung an die konkreten Beschwerdeführer zur Debatte steht. Daß es unzulässig wäre, die in Rechtskraft erwachsenen Vorschreibungen aus der Rechtsordnung zu beseitigen und insoweit neue Vorschreibungen zu erlassen, bedarf keiner weiteren Erörterung.

Ohne rechtliche Bedeutung ist der von der belangten Behörde erwähnte Umstand, daß die den (Mit)Eigentümern der Liegenschaften EZ. 2536 und 2534 vorgeschriebenen Beiträge bereits zur Gänze entrichtet worden seien; denn die Beschwerdeführer wurden für sie nicht als Gesamtschuldner herangezogen.

Wenn die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiters darlegt, es hafte hinsichtlich des gegenständlichen Grundstückes EZ 2616 lediglich der geringfügige Teilbetrag von S 3.655,03 als aliquoter Anteil eines Miteigentümers noch unberichtigt aus (auch er wurde inzwischen nach den Behauptungen in der Gegenschrift einbringlich gemacht), so ist dieser Umstand lediglich für die nach den Ausführungen des Vorerkenntnisses anzustellende Prüfung der zivilrechtlichen Regreßmöglichkeit zwischen den Gesamtschuldnern von Bedeutung; richtig ist, daß dieser Umstand beim Zutreffen der Behauptungen in der Gegenschrift keine Rolle mehr spielen würde.

Der Vollständigkeit halber sei zur Frage des Rückgriffes noch auf die Vorschrift des § 896 ABGB verwiesen. Danach ist ein Mitschuldner zur ungeteilten Hand, welcher die ganze Schuld aus dem Seinigen abgetragen hat, berechtigt, auch ohne geschehene Rechtsabtretung, von den übrigen den Ersatz, und zwar, WENN KEIN ANDERES BESONDERES VERHÄLTNIS UNTER IHNEN BESTEHT, zu gleichen Teilen zu fordern.

Aus den oben dargestellten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auch auf § 59 Abs. 3 letzter Satz VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH ErmessensentscheidungenErmessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993170084.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

25.11.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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