TE Vwgh Erkenntnis 1993/11/23 93/11/0056

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Veröffentlicht am 23.11.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §56;
AVG §59 Abs1;
KDV 1967 §30 Abs1;
KDV 1967 §31a;
KFG 1967 §65 Abs2;
KFG 1967 §69 Abs1 litb;
KFG 1967 §73 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 12. Februar 1993, Zl. MA 64 - 8/444/92, betreffend Erteilung einer befristeten Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach der Aktenlage besaß der (im Jahre 1905 geborene) Beschwerdeführer zuletzt eine bis 11. September 1992 befristete Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B. Mit Eingabe vom 21. Mai 1992 beantragte er die Erteilung einer unbefristeten Lenkerberechtigung mit gleichem Berechtigungsumfang. Die Bundespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, erteilte dem Beschwerdeführer mit mündlich verkündetem Bescheid vom 23. Juli 1992 eine bis 23. Juli 1993 befristete Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B. Über Antrag des Beschwerdeführers auf Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung erging der mit 8. September 1992 datierte Bescheid, wonach die Lenkerberechtigung "gemäß § 73 Abs 1 des Kraftfahrgesetzes 1967 auf ein Jahr, das ist bis 23.7.1993, befristet" werde. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit dem vorliegend angefochtenen Bescheid abgewiesen.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Beim bekämpften Befristungsausspruch handelt es sich nach der Aktenlage nicht um die Befristung einer aufrechten Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers, sondern um die Erteilung einer bis 23. Juli 1993 befristeten Lenkerberechtigung und die Abweisung seines Begehrens auf Erteilung einer - über den 23. Juli 1993 hinausgehenden - unbefristeten Lenkerberechtigung. Rechtsgrundlage der bekämpften Entscheidung ist somit § 65 Abs 2 KFG 1967, nicht jedoch § 73 Abs 1 KFG 1967. Durch die verfehlte Nennung der letzteren Gesetzesstelle wurden allerdings Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt, zumal die Voraussetzungen für eine Befristung gemäß § 65 Abs 2 und gemäß § 73 Abs 1 KFG 1967 dieselben sind (vgl. das einen insoweit gleich gelagerten Sachverhalt betreffende hg. Erkenntnis vom 7. November 1989, Zl. 89/11/0117).

2. Die bekämpfte Entscheidung beruht auf der Annahme der Notwendigkeit von Nachuntersuchungen beim Beschwerdeführer wegen festgestellter Schwächen der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit in den Bereichen Reaktionsfähigkeit und Aufmerksamkeit. Nach der Begründung stützt sich diese Annahme auf das auf "bedingt geeignet" lautende Gutachten eines ärztlichen Amtssachverständigen der Erstbehörde vom 23. Juli 1992, dem eine ärztliche Amtssachverständige der belangten Behörde unter Hinweis auf einen Befund der Psychiatrischen Universitätsklinik vom 13. Oktober 1992 beigetreten sei. Die belangte Behörde hob ferner hervor, daß die gegenständlichen Leistungsschwächen des Beschwerdeführers bereits in einem Befund des Kuratoriums für Verkehrssicherheit vom 5. März 1991 festgestellt worden seien.

Der Beschwerdeführer meint, die bekämpfte Entscheidung sei durch die vorliegenden Ermittlungsergebnisse nicht gedeckt, der angefochtene Bescheid weise gravierende Begründungsmängel auf. Die krassen Verfahrensmängel ließen letztlich nur den Schluß zu, daß in Wirklichkeit bloß sein Alter der Grund für die getroffene Entscheidung sei. Die belangte Behörde mißachte damit bewußt die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (genannt wird in diesem Zusammenhang das Erkenntnis vom 21. Jänner 1992, Zl. 91/11/0122).

Dieses Vorbringen ist nicht begründet. Gemäß § 65 Abs 2 KFG 1967 ist, soweit dies unter anderem aufgrund des ärztlichen Gutachtens (§ 69 Abs 1 lit b) nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit nötig ist, die Lenkerberechtigung unter entsprechenden Befristungen zu erteilen. Nach § 69 Abs 1 lit b KFG 1967 hat unter anderem bei Personen, deren Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen Nachuntersuchungen erforderlich sind, das ärztliche Gutachten "bedingt geeignet" zu lauten und Befristungen, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit anzuführen, unter denen eine Lenkerberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit erteilt werden kann.

Das vom Beschwerdeführer genannte Erkenntnis vom 21. Jänner 1992, Zl. 91/11/0122, betraf einen Fall, in dem die Befristung der Lenkerberechtigung einzig und allein damit begründet worden war, bei Personen, die das 80. Lebensjahr überschritten hätten, könne eine für die Verkehrssicherheit relevante Verschlechterung der geistigen und körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht ausgeschlossen werden, weshalb es bei solchen Personen periodischer Nachuntersuchungen bedürfe. Dem gegenüber hielt der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis fest, daß das fortgeschrittene Lebensalter für sich allein kein hinreichender Grund für eine Befristung der Lenkerberechtigung sei. Davon unterscheidet sich der vorliegende Beschwerdefall insofern wesentlich, als die bekämpfte Entscheidung auf der Annahme beruht, es bedürfe wegen der beim Beschwerdeführer festgestellten Leistungsschwächen im Bereich der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit einer Nachuntersuchung. Sollte hiebei, was im angefochtenen Bescheid nicht ausdrücklich gesagt wird, auch das fortgeschrittene Alter des Beschwerdeführers eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben, so bewirkte dies keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und läge darin auch keine "Mißachtung" der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Letzteres träfe nur auf eine Befristung der Lenkerberechtigung zu, die ausschließlich mit dem fortgeschrittenen Lebensalter des Betreffenden begründet wird. Wurden aber, wie im vorliegenden Fall (was noch auszuführen sein wird), bereits signifikante, wenn auch noch nicht die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit ausschließende Leistungsschwächen im Bereich dieser Eignungsvoraussetzung, wie sie erfahrungsgemäß im vorgerückten Lebensalter zu erwarten sind, bei einer dieser Alterskategorie angehörenden Person festgestellt, so liegt grundsätzlich die Annahme der Notwendigkeit von Nachuntersuchungen auf der Hand. Nach allgemeiner Lebenserfahrung besteht unter diesen Umständen die Gefahr einer weiteren, zum Wegfall der geistigen und körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit, wobei sich diese Gefahr mit zunehmendem Alter erhöht. Bei einer solchen Situation ist im Sinne des zitierten Erkenntnisses

Zl. 91/11/0122 mit einer zum Verlust der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung zu rechnen.

Eine solche Situation liegt im vorliegenden Fall vor. Bereits in dem von der belangten Behörde erwähnten verkehrspsychologischen Befund des Kuratoriums für Verkehrssicherheit zum 5. März 1991 ist die Rede von mehrheitlich erheblichen Schwächen der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen. Es zeige sich eine durchgehende Verlangsamung bei der visuellen Auffassung, im Reaktionsverhalten und auch beim Konzentrationstest. Die Detailgenauigkeit der Überblicksgewinnung sei herabgesetzt. Bei Einfachwahlsituationen sei die Reaktionssicherheit reduziert. Die bestehenden Leistungsschwächen könnten nur aufgrund der langjährigen Fahrpraxis noch ausreichend kompensiert werden, weshalb zwecks Ermöglichung einer ärztlichen Verlaufskontrolle die Lenkerberechtigung entsprechend befristet werden sollte. Laut Befund vom 30. September 1991 erbrachte eine an der Psychiatrischen Universitätsklinik Wien vorgenommene Untersuchung der psychophysischen Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers - unter besonderer Berücksichtigung der Determinanten Beobachtungs-, Konzentrations- und Reaktionsfähigkeit sowie Psychomotorik - Leistungsscores, die "unter Berücksichtigung des fortgeschrittenen Lebensalters und der niedriger angesetzten Erwartungswerte eine über die Altersnorm hinausgehende Beeinträchtigung der Reaktionsfähigkeit annehmen lassen". Aus diesem Grund wurde die Erteilung einer befristeten Lenkerberechtigung (für ein weiteres Jahr) empfohlen. Laut (vom Beschwerdeführer beigebrachtem) Befund vom 13. Oktober 1992 über eine klinisch-psychodiagnostische Untersuchung des Beschwerdeführers in der Universitätsklinik für Psychiatrie in Wien am 12. Oktober 1992 war "die Daueraufmerksamkeitsbelastbarkeit grenzwertig reduziert. Die Aufmerksamkeitsspanne zeigte ebenfalls eine Reduzierung im Sinne von Aufmerksamkeitsschwankungen. Leichte Fehlerneigung bestand."

Unter Bezugnahme auf dieses Untersuchungsergebnis bejahte die im Berufungsverfahren beigezogene ärztliche Amtssachverständige die im Gutachten des Amtsarztes der Erstbehörde vom 23. Juli 1992 ausgesprochene Notwendigkeit der Nachuntersuchung des Beschwerdeführers. Der Verwaltungsgerichtshof vermag der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie bei diesem Sachverhalt der Ansicht der beiden ärztlichen Amtssachverständigen gefolgt ist, es bedürfe bei dem im Jahre 1905 geborenen Beschwerdeführer einer Nachuntersuchung. Daran vermag das von ihm beigebrachte Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 14. Oktober 1992, wonach "auf eine Befristung in diesem Fall prinzipiell verzichtet werden kann", nichts zu ändern, ist doch selbst für diesen Sachverständigen eine wesentliche Voraussetzung für die ausgesprochene Empfehlung, daß sich der Beschwerdeführer "in ständiger hausärztlicher und fachärztlicher Kontrolle befindet".

Da sich die Beschwerde als nicht begründet erwiesen hat, war sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Grundsätzliches zur Rechtmäßigkeit und zur Rechtsverletzungsmöglichkeit Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete Gesetzesbestimmung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993110056.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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