TE Vwgh Erkenntnis 1993/11/26 92/01/0910

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Veröffentlicht am 26.11.1993
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bernegger, Dr. Stöberl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des H in L, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. August 1992, Zl. 4.312.389/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität, hat den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 10. Juni 1991, mit dem festgestellt worden war, bei ihm lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 13. August 1992 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 ab und versagte die Gewährung von Asyl.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der damals bereits anwaltlich vertretene Beschwerdeführer hat seinen schriftlichen Asylantrag vom 1. Februar 1991 damit begründet, daß er nach Österreich gekommen sei, weil er es in der Türkei "nicht mehr ausgehalten habe". Er sei von der türkischen Zentralverwaltung und Militärpolizei aufgefordert worden, Dorfwächter zu werden. Wer ein solches Amt nicht annehme, sei den Schikanen der Zentralverwaltung ausgesetzt. Andererseits seien ihm auch seitens der PKK Schwierigkeiten angedroht worden, sollte er dieses Amt übernehmen. Als er im Zuge des Golfkrieges evakuiert worden sei, habe er sich endgültig entschlossen, seine Heimat zu verlassen.

Anläßlich seiner Erstbefragung am 17. April 1991 bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg hat der Beschwerdeführer angegeben, daß er, nachdem er 1989 vom Militärdienst nach Hause gekommen sei, von einem Vertreter der örtlichen Gendarmerie in Pülümür aufgefordert worden sei, für die Sicherheitsbehörden als Spitzel gegen die PKK zu arbeiten. Gleichzeitig seien jeweils zur Nachtzeit Mitglieder der PKK zu ihm gekommen und hätten ihn aufgefordert, der PKK beizutreten und für diese tätig zu sein. Der Beschwerdeführer habe für keine der beiden Parteien arbeiten wollen, sei aber von beiden Seiten immer mehr bedrängt worden. In der Türkei würden die Kurden als Menschen zweiter Klasse behandelt; er habe aus diesem Grund auch das Gymnasium nicht abschließen können. Ausschlaggebend für seine Flucht sei dann der Ausbruch der Golfkrise gewesen. Da die Heimatstadt des Beschwerdeführers nahe der irakischen Grenze liege, sei die Bevölkerung von den Sicherheitsbehörden aufgefordert worden, sich für einen Krieg bereit zu machen. Man habe ihnen verboten, die Gegend zu verlassen; fast täglich habe die Gendarmerie Kontrollen durchgeführt.

Die belangte Behörde hat auf Grund der widersprüchlichen Angaben ("die Bevölkerung wurde evakuiert" im Asylantrag bzw. "die Bevölkerung durfte die Gegend nicht verlassen" in der niederschriftlichen Befragung) das gesamte Vorbringen als wenig glaubwürdig erachtet.

Dem Beschwerdeführer ist zwar zuzugestehen, daß mögliche Übersetzungsfehler oder Verständigungsschwierigkeiten durch geeignete Fragestellung aufgeklärt hätten werden können. Aus dem Unterbleiben solcher Ermittlungen kann aber - ganz abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer nicht einmal in der Beschwerde Aufklärung darüber verschafft, welche der beiden Versionen nun die richtige sei - ein die Aufhebung des angefochtenen Bescheides nach sich ziehender Verfahrensmangel nicht abgeleitet werden. Die belangte Behörde hat nämlich - wenn auch erst in zweiter Linie, für den Fall, daß dem Vorbringen des Beschwerdeführers Glauben geschenkt werden könnte - sich mit seinem Vorbringen auseinandergesetzt und es rechtlich dahingehend beurteilt, daß keine Verfolgung des Beschwerdeführers aus den im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) genannten Gründen vorliege. Ihr ist im Sinne der hg. Judikatur zuzustimmen, wenn sie die aus der drohenden Kriegsgefahr im Heimatland des Beschwerdeführers resultierenden Beeinträchtigungen, denen sämtliche Bewohner ausgesetzt sind, nicht als konkrete, individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgungshandlungen eingestuft hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1993, Zl. 92/01/0894).

Soweit der Beschwerdeführer die polizeiliche Aufforderung zur Zusammenarbeit als Grund für seine Furcht vor künftiger Verfolgung geltend macht, ist dem Standpunkt der belangten Behörde, daß eine derartige Aufforderung nicht als Verfolgungshandlung qualifiziert werden könne, beizupflichten. Daß aber die Verweigerung der Zusammenarbeit mit der Polizei für ihn Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 nach sich ziehen werde, ist schon deshalb auszuschließen, weil allfällige aus diesem Grund gegen den Beschwerdeführer gerichtete behördliche Maßnahmen bei Bedachtnahme auf sein gesamtes Vorbringen nicht unter die in dieser Gesetzesstelle angeführten Fluchtgründe eingereiht werden könnten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. April 1993, Zl. 92/01/1059).

Auch kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, wenn sie dem Beschwerdeführer bezüglich der Aufforderung von Mitgliedern der PKK zur Zusammenarbeit und der bei deren Verweigerung befürchteten Maßnahmen entgegenhält, daß vom Vorliegen von Verfolgung nur dann gesprochen werden könne, wenn die Verfolgung von staatlichen Stellen des Heimatlandes ausgeht oder wenn der Staat nicht willens oder in der Lage ist, die Verfolgung durch andere Stellen hintanzuhalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. September 1993, Zl. 93/01/0208). Daß es dem Beschwerdeführer aber nicht möglich gewesen wäre, gegen die erwarteten Übergriffe der PKK Schutz bei staatlichen Behörden zu suchen, oder ein solcher Versuch von vornherein vergeblich gewesen wäre, kann dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren nicht entnommen werden.

Ebensowenig kann allein aus der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit bzw. aus dem Hinweis auf deren schlechte allgemeine Situation das Vorliegen von Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention abgeleitet werden. Die Zugehörigkeit zur kurdischen Minderheit in der Türkei kann somit nicht als Umstand, der für sich allein begründete Furcht vor Verfolgung nach sich zöge, gewertet werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Juni 1993, Zl. 93/01/0010, und vom 21. April 1993, Zl. 92/01/1059).

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992010910.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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