TE Vwgh Erkenntnis 1993/12/15 93/01/0059

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Veröffentlicht am 15.12.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §14;
AVG §15;
AVG §44 Abs1;
AVG §44;
AVG §63 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des G in K,vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 11. März 1992, Zl. UVS-02/32/00005/92, betreffend Zurückweisung von Eingaben und Einwendungen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde und der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 11. März 1992 wurde die Eingabe des Beschwerdeführers vom 27. Jänner 1992 "soweit Herr G darin alle früheren Eingaben aufrechterhält" gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache, "insoweit der Beschwerdeführer Einwendungen wegen Unvollständigkeit und Unrichtigkeit der Niederschriften vom 19. Dezember 1991 geltend macht" gemäß § 14 Abs. 4 AVG als verspätet und die Einwendungen wegen Unvollständigkeit und Unrichtigkeit des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 30. Dezember 1991, Zl. UVS-02/32/26/91-2 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, daß über die früheren Eingaben des Beschwerdeführers bereits mit Bescheid vom 30. Dezember 1991, Zl. UVS-02/32/26/91-2, entschieden worden sei. Da sich die Sach- und Rechtslage gegenüber dem ergangenen Bescheid nicht geändert habe, sei der, diese früheren Eingaben aufrecht erhaltende Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen. Die Einwendungen wegen "Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit" der Niederschriften vom 19. Dezember 1991 seien als verspätet zurückzuweisen gewesen, da sie erst am 28. Jänner 1992 - also mehr als ein Monat nach Abfassung der Niederschriften - bei der belangten Behörde eingelangt seien, § 14 Abs. 4 AVG die Erhebung von Einwendungen jedoch nur in der mündlichen Verhandlung zulasse. Die Einwendungen betreffend die Unvollständigkeit und Unrichtigkeit des Bescheides des UVS Wien vom 30. Dezember 1991 seien schließlich, da gegen diesen Bescheid kein ordentliches Rechtsmittel offenstehe und sonstige Gründe für eine Aufhebung oder Abänderung etwa im Sinne des § 68 Abs. 2 und 3 oder des § 69 AVG nicht hätten gefunden werden können, als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 29. September 1992, B 452/92 die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem "Recht auf Gebühren- und Abgabenfreiheit" verletzt, weil ihm "seine Kosten" nicht zuerkannt worden seien. Dem ist entgegenzuhalten, daß der angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer weder Kosten zuerkennt, noch ausspricht, daß sein Kostenersatzanspruch abgewiesen würde. Vielmehr enthält der angefochtene Bescheid überhaupt keinen Kostenausspruch. Die behautete Rechtsverletzung liegt somit nicht vor.

Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, er sei im "Recht auf einen Bescheid des Paragr. 58 Abs. 1 und 61 AVG" verletzt, da dem angefochtenen Bescheid die Rechtsmittelbelehrung fehle. Mit dieser Verfahrensrüge ist der Beschwerdeführer nur insoferne im Recht, als dem angefochtenen Bescheid zwar nicht die Rechtsmittelbelehrung, wohl aber der Hinweis auf die Möglichkeit, gegen diesen Bescheid Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof oder Verfassungsgerichtshof zu erheben (§ 61a AVG), fehlt. Es ist dieser Verfahrensmangel aber nicht wesentlich, da die Behörde auch bei seiner Vermeidung nicht zu einem anderen Bescheid gelangen hätte können.

Schließlich erachtet sich der Beschwerdeführer "im Recht der Zulässigkeit von Einwendungen und Gegenbeweisen" gegen die Verhandlungsschrift vom 19. Dezember 1991 verletzt. Er bringt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes vor, daß der Sachverhalt im wesentlichen Punkten aktenwidrig angenommen worden sei, da er binnen zwei Wochen nach Zustellung der Niederschrift seine Einwendungen angebracht habe. Im übrigen sei "der Gegenbeweis" an keine Fristen gebunden. Der Beschwerdeführer werde daher "vor allem in dem Grundsatz verletzt, ab Kenntnisnahme - hier Zustellung der Originalausfertigungen - den Gegenbeweis antreten zu können. Ohne Verschulden keine Beweise gegen den Beschwerdeführer geschaffen werden dürfen". Der Spruch des angefochtenen Bescheides sei "unbegründet und inhaltlich rechtswidrig". Bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften hätte die belangte Behörde die Eingabe des Beschwerdeführers nicht zurückweisen dürfen, sondern sie hätte seinen Einwendungen und Gegenbeweisen "stattgeben" müssen, womit "ebenso" die Entscheidung des UVS Wien vom 30. Dezember 1991 betreffend seine Beschwerde gegen die am 8. Juli 1991 erfolgte Anhaltung durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien als "rechtswidrig aufgehoben" sei. Dieser Bescheid hätte schon deshalb als nichtig aufgehoben werden müssen, weil "bei Nichterlassung eines Bescheides zu Gunsten des Beschwerdeführers überhaupt kein Bescheid hätte erfolgen dürfen". In einem solchen Verfahren gehe es nämlich darum, "daß die Anhaltung als rechtswidrig aufgehoben wird und Wiedergutmachung/Entschädigung geleistet", nicht aber darum, daß "das Verhalten der Beteiligten gegenüber dem Beschwerdeführer gerechtfertigt" werde. Wegen dieser Mangelhaftigkeit des Bescheides liege entscheidende Sache nicht vor; vielmehr sei die Nichtigkeit dieses Bescheides gegeben.

Auch dieses Vorbringen ist - soweit es sich überhaupt erkennbar gegen den angefochtenen Bescheid richtet - nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit dieses Bescheides darzutun:

Gemäß § 44 Abs. 1 AVG ist über jede mündliche Verhandlung eine Verhandlungsschrift nach den §§ 14 und 15 AVG aufzunehmen. Gemäß § 14 Abs. 1 AVG sind Niederschriften über Verhandlungen derart abzufassen, daß bei Weglassung alles nicht zur Sache Gehörigen der Verlauf und Inhalt der Verhandlung richtig und verständlich wiedergegeben wird. Gemäß § 14 Abs. 3 AVG ist jede Niederschrift den vernommenen oder sonst beigezogenen Personen, wenn sie nicht darauf verzichten, vorzulesen und von ihnen durch Beisetzung ihrer eigenhändigen Unterschrift zu bestätigen. Kann eine Person nicht oder nur mittels Handzeichens fertigen, hat sie die Fertigung verweigert oder sich vor Abschluß der Niederschrift oder des ihre Aussage enthaltenden Teiles der Niederschrift entfernt, so ist unter Angabe des Grundes, aus dem die Fertigung nicht erfolgte, die Richtigkeit der schriftlichen Wiedergabe von dem die Amtshandlung leitenden Organ ausdrücklich zu bestätigen.

In dem einmal Niedergeschriebenen darf gemäß § 14 Abs. 4 AVG nichts Erhebliches ausgelöscht, zugesetzt oder verändert werden. Durchgestrichene Stellen sollen noch lesbar bleiben. Erhebliche Zusätze oder Einwendungen des Vernommenen - bzw. der an einer Verhandlung Teilnehmenden (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom

26. Novebember 1974, Slg. Nr. 8.713A) - wegen behaupteter Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Niederschrift sind in einen Nachtrag aufzunehmen und abgesondert zu bestätigen.

Soweit nicht Einwendungen erhoben wurden, liefert eine gemäß § 14 AVG aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung gemäß § 15 AVG vollen Beweis. Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges bleibt allerdings zulässig.

Aus diesen Bestimmungen folgt, daß die Abfassung der Niederschrift der Behörde (bzw. dem diese vertretenden Verhandlungsleiter) obliegt, die damit Verlauf und Inhalt der Verhandlung beurkundet. Eine Mitwirkung der (übrigen) Verhandlungsteilnehmer ist nur insoweit vorgesehen, als diese den Inhalt der Niederschrift durch ihre Unterschrift bestätigen oder ihre Unterschrift verweigern können (vgl. dazu nochmals das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. November 1974, Slg. Nr. 8.713A).

Für eine gemäß den Bestimmungen des § 14 AVG ordnungsgemäß aufgenommene Niederschrift besteht die - widerlegliche - Rechtsvermutung, daß sie Verlauf und Inhalt der Verhandlung richtig beurkundet. Diese Rechtsvermutung besteht allerdings dann nicht, wenn von einem Verhandlungsteilnehmer wegen Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Niederschrift eine - abgesondert zu protokollierende - Einwendung erhoben wurde, wobei nicht entscheidend ist, ob die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Niederschrift zu Recht geltend gemacht wurde oder nicht.

Neben Fragen der Geschäftsbehandlung regeln die §§ 14 und 15 AVG somit lediglich die Beweiskraft von Niederschriften. Sie vermitteln jedoch - wie sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen aber auch aus ihrer Entstehungsgeschichte (vgl. VA, 360 BglNR 2. GP, 11) ergibt - den Verhandlungsteilnehmern kein subjektives Recht, und zwar weder auf die Erhebung von Einwendungen gegen eine Niederschrift, noch auf die Berücksichtigung erhobener Einwendungen noch auf den Gegenbeweis der Unrichtigkeit einer - vollen Beweis liefernden - Niederschrift. Verstöße gegen diese Vorschriften können daher nur als Mangel des - der Verhandlung oder sonstigen Amtshandlung - zugrundeliegenden Verwaltungsverfahrens geltend gemacht werden, soweit dadurch ein subjekiv-öffentliches Recht verletzt würde.

Da dem Beschwerdeführer somit ein subjektives Recht auf die Erhebung von Einwendungen gegen die Verhandlungsschrift vom 19. Dezember 1991 nicht zukam, konnte er durch die Zurückweisung seiner Einwendungen als verspätet in dem diesbezüglich behaupteten Recht ebenfalls nicht verletzt werden.

Die vom Beschwerdeführer begehrte "Aufhebung der Vertretungsverpflichtung" beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlaßt, zumal er gegen die Bestimmung des § 24 Abs. 2 VwGG keine verfassungsrechtlichen Bedenken hegt und solche auch in der vorliegenden Beschwerde nicht vorgebracht wurden.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993010059.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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