TE Vwgh Erkenntnis 1993/12/16 90/06/0186

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Veröffentlicht am 16.12.1993
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L80006 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §41 Abs2;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
AVG §68 Abs2;
BauO Stmk 1968 §2 Abs1;
BauO Stmk 1968 §2;
BauO Stmk 1968 §3 Abs2;
BauO Stmk 1968 §3;
BauRallg;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 litd;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder, den Vizepräsidenten Dr. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. der G K und 2. des J K, beide in G, beide vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 13. September 1990, Zl. A 17-K-17.436/1990-15, betreffend Abweisung bzw. Zurückweisung von Berufungen gegen Widmungsbewilligungen (mitbeteiligte Parteien: 1. R J und 2. M J, beide in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Den mitbeteiligten Parteien wurden mit den Bescheiden vom 3. November 1978, GZ. A 17-K-17.436/2-1978, vom 29. April 1981, GZ. A 17-K-17.436/3-1981, sowie vom 10. Juli 1987, GZ. A 17-K-17.436/1977-9, Widmungsbewilligungen bzw. Änderungen der Widmung, bezogen auf die Grundstücke Nr. 59/42, EZ. 1473 und Nr. 59/47, EZ. 1363, je KG. St, erteilt. Mit dem Bescheid vom 3. November 1978 wurde gleichzeitig die ursprünglich erteilte Widmungsbewilligung vom 6. April 1977, GZ. A 17-K-17.436/1-1977, gemäß § 68 Abs. 2 AVG behoben.

2. Die Beschwerdeführer wurden lediglich dem Verfahren zur Erlassung des Bescheides vom 10. Juli 1987 als Nachbarn beigezogen. Die übrigen Bescheide wurden ihnen auf ihr Verlangen als sogenannte übergangene Nachbarn zugestellt.

3. Gegen die Bescheide vom 6. April 1977, vom 3. November 1978, vom 29. April 1981 und vom 10. Juli 1987 haben die Beschwerdeführer im wesentlichen gleichlautende Berufungen erhoben. Es seien durch die vorgesehenen Widmungen bzw. Widmungsänderungen mit unzulässigen, ja gesundheitsgefährdenden Einwirkungen auf ihre Liegenschaft zu rechnen. Die Liegenschaft der Beschwerdeführer sei als "allgemeines Wohngebiet" ausgewiesen; schon daraus sei bereits das Maß der zulässigen Einwirkungen zu erkennen. Insbesondere im Hinblick auf die Abstände des auf dem Bauplatz zu errichtenden Gebäudes sei mit einer Reduktion des Lichteinfalles zu rechnen. Die vorgesehene Gebäudehöhe von 7,50 m würde diese Einwirkung wesentlich erhöhen. Es sei darüber hinaus mit wesentlichen Lärm-, Staub-, Schmutz- und Geruchsemissionen zu rechnen, die ein unzumutbares, unzulässiges und zum Teil gesundheitsgefährdendes Maß erreichen bzw. überschreiten würden. Es sei ein wesentlich größerer Gebäudeabstand und eine wesentlich geringere Gebäudehöhe vorzusehen, wenn überhaupt eine Widmung für Lager- und Bürogebäude erteilt werden könne. Zu den Widmungsänderungen sei festzustellen, daß eine Widmungsänderung eine rechtskräftige Widmung voraussetze. Da die Widmungsbewilligungen noch nicht rechtskräftig seien, seien die Widmungsänderungen unzulässig; die Anträge auf Widmungsänderungen hätten daher zurückgewiesen werden müssen. Im Zusammenhang mit dem Bescheid vom 10. Juli 1987 führten die Beschwerdeführer überdies aus, daß der Bescheid deshalb an einem wesentlichen Verfahrensmangel leide, weil die Behörde die Verhandlung derart kurz anberaumt habe, daß eine ordentliche Vorbereitung für diese Verhandlung nicht mehr erfolgen hätte können. Sie hätten die Ladung zur mündlichen Verhandlung für den 11. Juli 1987 erst am 10. Juli 1987 zugestellt erhalten. Sie hätten daher weder in die Unterlagen und Pläne Einsicht nehmen können, noch sei auch eine entsprechende Vorbereitung und Kontaktaufnahme mit Fachleuten und Sachverständigen möglich gewesen. Ihrem Vertagungsantrag sei nicht entsprochen worden. Während einer mündlichen Verhandlung könne man entgegen der Auffassung des Verhandlungsleiters keineswegs gleichzeitig Akten- und Planstudien betreiben. Die Beschwerdeführer hätten sich daher nicht ordnungsgemäß auf die mündliche Verhandlung vorbereiten können. Außerdem sei eine formelle Entscheidung über den Vertagungsantrag nicht erfolgt. Es reiche nicht aus, die Gebäudeerhöhungen durch eine Stellungnahme des Stadtplanungsamtes als abgedeckt anzusehen. Es sei der Umstand nicht berücksichtigt worden, daß die Liegenschaft der Beschwerdeführer in einem Gebiet liege, das im Flächenwidmungsplan als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen sei. Dies sei bei der Prüfung der Immissionen zu berücksichtigen.

4.1. Mit Bescheid vom 19. Mai 1988 hat die belangte Behörde den Berufungen gegen die Bescheide vom 3. November 1978, 29. April 1981 und vom 10. Juli 1987 keine Folge gegeben und die Entscheidung der Behörde erster Instanz bestätigt. Die Berufungen der Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 6. April 1977 wurden als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen den Bescheid vom 19. Mai 1988 erhoben die Beschwerdeführer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit dem Erkenntnis vom 26. April 1990, Zl. 88/06/0144, den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

4.2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 13. September 1990 hat die belangte Behörde (neuerlich) den Berufungen gegen die Bescheide vom 3. November 1978, vom 29. April 1981 und vom 10. Juli 1987 keine Folge gegeben und die Entscheidung der Behörde erster Instanz bestätigt. Die Berufungen der Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 6. April 1977 wurden (neuerlich) als unzulässig zurückgewiesen. Die belangte Behörde begründete ihre Berufungsentscheidung im wesentlichen damit, bei den Grundstücken der mitbeteiligten Parteien handle es sich um Industrie- und Gewerbegebiet I gemäß § 23 Abs. 5 lit. d des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes. Ein Betriebstyp, mit dem schädliche Immissionen oder sonstige Belästigungen für die Bewohner der angrenzenden Baugebiete verbunden seien, sei daher unzulässig. Dies hänge speziell von den Ausweisungen des angrenzenden Baugebietes sowie von der Entfernung des Widmungsgrundes vom angrenzenden Baugebiet ab. Das Gutachten des Sachverständigen des Amtes für Umweltschutz sowie ein eingeholtes medizinisches Gutachten des Gesundheitsamtes habe ergeben, daß durch den Betrieb keine zusätzlichen schädlichen Immissionen oder sonstige Belästigungen für die angrenzenden Baugebiete zu erwarten seien. Beim anschließenden Baugebiet handle es sich um ein "Reines Wohngebiet". Es seien auch keine Staub- und Schmutzemissionen sowie Geruchsemissionen vom Widmungsareal aus zu erwarten. Das Gutachten habe freilich ergeben, daß das für die Gebietsausweisung "Reines Wohngebiet" anzusehende Widmungsmaß durch die nahegelegene Autobahn nicht mehr gegeben sei. Nach den geltenden Richtlinien (ÖAL-Richtlinie Nr. 3 und Ö-Norm S 5021) sei die Erhöhung des Ist-Maßes medizinisch zumutbar, sodaß durch den Betrieb keine zusätzlichen schädlichen Immissionen oder sonstige Belästigungen für die angrenzenden Baugebiete zu erwarten seien. Die Gutachten seien nachvollziehbar und schlüssig. Entgegen dem Berufungsvorbringen seien die gesetzlichen Mindestabstände gemäß der Steiermärkischen Bauordnung 1968 durchaus eingehalten worden. Im übrigen habe für Licht und Luft grundsätzlich jeder Eigentümer durch Freilassung von genügend Raum auf der eigenen Liegenschaft zu sorgen.

Zum Berufungsvorbringen im Zusammenhang mit dem Bescheid vom 10. Juli 1987, wonach die mündliche Verhandlung zu kurz anberaumt und daher eine entsprechende Vorbereitung der Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei, verweist die belangte Behörde darauf, daß in der zugestellten Ladung der wesentliche Punkt der beantragten Widmungsänderung genannt gewesen sei; auch die übrigen Änderungen seien nicht geeignet gewesen, subjektiv-öffentliche Nachbarrechte zu verletzen. Im übrigen seien die Beschwerdeführer bzw. ihr Vertreter während der mündlichen Verhandlung anwesend gewesen. Sie hätten sich dort informieren können und hätten auch Einwendungen erhoben. In ihrer Berufung werde nicht vorgebracht, welche Nachbarrechte durch die tatsächlich kurze Vorbereitungszeit verletzt worden seien. Im übrigen sei über einen Vertagungsantrag im Bescheid nicht formell abzusprechen; es handle sich nämlich lediglich um eine Verfahrensordnung, die im Wege der Berufung gegen den Bescheid bekämpft werden könne.

Ihre Entscheidung über die Berufung gegen den Bescheid vom 6. April 1977 begründet die belangte Behörde damit, die Beschwerdeführer hätten übersehen, daß dieser Bescheid durch den Bescheid vom 3. November 1978 gemäß § 68 Abs. 2 AVG behoben worden sei. Die Berufung sei daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

5. Gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 13. September 1990 richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde; die Beschwerdeführer erachten sich in zahlreichen (im einzelnen dargestellten) Nachbarrechten verletzt und beantragen die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Im Zusammenhang mit dem Bescheid vom 10. Juli 1987 bringen die Beschwerdeführer in ihrer Beschwerde neuerlich vor, daß entgegen § 41 Abs. 2 AVG eine rechtzeitige und umfassende Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung nicht möglich gewesen sei. Sie hätten durch die Ladung zur mündlichen Verhandlung überhaupt erstmals von den Widmungs- bzw. Widmungsänderungsbewilligungen erfahren; die Vielzahl von Verhandlungsschriften, Bescheiden u.dgl. hätte eine entsprechende Vorbereitung nicht mehr ermöglicht. Es sei auch nicht Sache der Beschwerdeführer, die Berufungsbehörde davon in Kenntnis zu setzen, welche Einwendungen erhoben bzw. welche Vorgangsweise eingeschlagen worden wäre, wenn die Ladung zur mündlichen Verhandlung früher bzw. richtigerweise rechtzeitig zugestellt worden wäre. Der umgehend gestellte Vertagungsantrag sei vom Verhandlungsleiter nicht berücksichtigt worden. Man dürfe in diesem Zusammenhang nicht übersehen, daß ja die Beschwerdeführer als Nachbarn mit ihren Einwendungsmöglichkeiten präkludiert seien; nach Abschluß der mündlichen Verhandlung hätten sie keine Möglichkeit zur Erhebung weiterer Einwendungen, die sich aus dem vorangegangenen Widmungs- und weiteren Widmungsänderungsakten ergeben hätten.

Es ist den Beschwerdeführern zuzugestehen, daß die Zeit zwischen der Zustellung der Ladung an sie und der Durchführung der mündlichen Verhandlung zu einer entsprechenden Vorbereitung nicht ausgereicht hat; der Vertagungsantrag (über den nicht gesondert abzusprechen ist, weil die Entscheidung darüber eine Verfahrensanordnung darstellt, die in der Berufung gegen den das Verfahren abschließenden Bescheid bekämpft werden kann) war daher berechtigt. Eine Verletzung des § 41 Abs. 2 erster Satz AVG, wonach die Verhandlung so anzuberaumen ist, daß die Teilnehmer rechtzeitig und vorbereitet erscheinen können, liegt trotzdem nicht vor: Zwar kommt für die Beschwerdeführer als übergangene Nachbarn (auch) eine Präklusion hinsichtlich der anderen Widmungsbewilligungen im Zusammenhang mit der mündlichen Verhandlung betreffend den Bescheid vom 10. Juli 1987 deshalb in Betracht, weil die Bescheide vom 3. November 1978 und vom 29. April 1981 im Ergebnis nur abgeändert, aber sonst aufrechtgeblieben sind und so gemeinsam mit dem Bescheid vom 10. Juli 1987 die Widmungsbewilligung ergaben. Die Beschwerdeführer haben sich aber in der mündlichen Verhandlung durch Erhebung von Einwendungen gegen die beantragte Widmungsänderungsbewilligung ausgesprochen. Weder in der Berufung noch auch in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde ist ersichtlich, welche weitere Einwendungen die Beschwerdeführer dann erhoben hätten, wenn ihnen mehr Vorbereitungszeit für die mündliche Verhandlung im Verfahren erster Instanz zur Verfügung gestanden wäre. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. Juni 1987, Zl. 83/05/0146,0147, zum Ausdruck gebracht hat, kann nämlich ein Verfahrensmangel dieser Art durch die Möglichkeit der Erhebung der Berufung und durch die Mitsprachemöglichkeit im Rahmen des Berufungsverfahrens als geheilt angesehen werden.

2.1. Die Beschwerdeführer verweisen in ihrer Beschwerde darauf, daß der vorhandene Geräuschpegel im Hinblick auf das Widmungsmaß ihrer Liegenschaft als "Reines Wohngebiet" bereits derzeit überschritten sei. Die konsensmäßige Nutzung des Areals werde eine weitere Lärmbelastung mit sich bringen.

Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen müßten von den Beschwerdeführern nur dann hingenommen werden, wenn zu erwarten sei, daß überhaupt oder bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen, diese nicht über ein zumutbares Maß hinausgingen. Es sei bei Beurteilung der Lärmbelästigung von den örtlichen Verhältnissen und damit von der widmungsmäßigen Einstufung der betroffenen Grundstücke auszugehen. Es gäbe keinen Grund, den Beschwerdeführern ein höheres Maß an Lärm zuzumuten, als dies in anderen "Wohngebieten allgemein" der Fall sei. Das Ist-Maß sei nicht allein Beurteilungsgrundlage; ein vom Ist-Maß abweichendes Widmungsmaß sei in die Beurteilung der örtlichen Verhältnisse einzubeziehen. Das zulässige Lärmniveau sei für die Beschwerdeführer bereits erreicht, sodaß eine weitere Erhöhung - wenn auch nur zeitweise - der Genehmigung der Widmungsänderung entgegenstünde. Die Summierung des von der Behörde gemessenen Lärmpegels und des tatsächlich zu erwartenden ergebe aber jedenfalls eine unzumutbare, ja unter Umständen gesundheitsgefährdende Lärmeinwirkung auf der Liegenschaft der Beschwerdeführer.

2.2. Gemäß § 2 bzw. § 3 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 in der (für den Beschwerdefall maßgeblichen) Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 14/1989 ist eine Widmungsbewilligung zu erteilen bzw. eine Widmungsänderung zu bewilligen, wenn kein unlösbarer Widerspruch zu einem Flächenwidmungsplan besteht. Es ist unstrittig, daß die Grundstücke, die von den Widmungsbewilligungen erfaßt sind, als Industrie- und Gewerbegebiet I gemäß § 23 Abs. 5 lit. d des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127, in der (für den Beschwerdefall maßgeblichen) Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 41/1991 gewidmet sind. Solche Flächen sind gemäß § 23 Abs. 5 lit. d leg.cit. für die Betriebe und Anlagen bestimmt, die keine schädlichen Immissionen oder sonstige Belästigungen für die Bewohner der angrenzenden Baugebiete verursachen. Eine Betriebstype, die für die Bewohner der angrenzenden Baugebiete schädliche Immissionen oder sonstige Belästigungen verursacht, ist demnach im Industrie- und Gewerbegebiet I unzulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Mai 1981, Zl. 81/06/0112). Entscheidend für die Beurteilung der Zulässigkeit ist demnach nicht der konkrete (im Beschwerdefall bereits bestehende) Betrieb, sondern die Betriebstype. Es ist dabei - nach der hier noch anzuwendenden Fassung der Steiermärkischen Bauordnung 1968 (d.h. ohne Bedachtnahme auf § 4a leg.cit. in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 42/1991) - die Übereinstimmung der Betriebstype mit dem Flächenwidmungsplan zu überprüfen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1992, Zl. 91/06/0143).

Der Bescheid vom 10. Juli 1987, mit dem eine Änderung der Widmungsbewilligungen vom 3. November 1978 und vom 29. April 1981 bewilligt wurde, umschreibt gemeinsam mit den zitierten Bescheiden den Betriebstyp als "Lager- und Bürogebäude" (siehe den Bescheid vom 3. November 1978) sowie "Werkstätten und Lagerhalle" (siehe den Bescheid vom 29. April 1981). Die belangte Behörde hat die bereits zitierten Gutachten des Amtes für Umweltschutz und des Gesundheitsamtes eingeholt, die zwar auf die Frage der Betriebstype nicht ausdrücklich eingehen, aber vor dem Hintergrund, daß der Betrieb bereits konkret besteht, die tatsächlichen Verhältnisse erfassen und bewerten sowie zum Ausdruck bringen, daß es durch die bereits gegebene Nutzung des Widmungsareals durch die Betriebstype "Lager- und Werkstättenhallen" zu einer Erhöhung des Ist-Maßes in einem medizinisch zumutbaren Ausmaß kommt, sodaß dadurch "keine zusätzlichen schädlichen Immissionen oder sonstige Belästigungen für die angrenzenden Baugebiete" gegeben sind (so ausdrücklich das medizinische Gutachten vom 21. Jänner 1988). Gegen die in diesem Sinn vorgenommene rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, wonach der Betrieb zulässig ist, bestehen keine rechtlichen Bedenken.

3.1. Zum Vorwurf, die Widmungsänderungsbewilligungen seien deshalb rechtswidrig, weil sie das Vorliegen von rechtskräftigen Widmungsbewilligungen zur Voraussetzung haben, ist anzumerken, daß selbst dann, wenn eine Rechtswidrigkeit dieser Art gegeben wäre, nicht ersichtlich ist, inwieweit konkret Rechte der Beschwerdeführer beeinträchtigt werden könnten. Dadurch nämlich, daß der Bescheid vom 10. Juli 1987 in den Rechtsbestand der Bescheide vom 3. November 1978 und vom 29. April 1981 eingreift, diese Bescheide ändert und sie ansonsten - mit der Formulierung, wonach sie im übrigen "vollinhaltlich aufrecht" bleiben - in ihrem Bestand aufrecht läßt, sind sie in Wahrheit Teil des Bescheides vom 10. Juli 1987 geworden mit der Folge, daß die Berufung gegen diesen Bescheid sich gleichermaßen auf die beiden anderen Bescheide erstreckt. Die Bescheide vom 3. November 1978 und vom 29. April 1981 haben daher keine eigenständige Bedeutung mehr. Daß die belangte Behörde deshalb die entsprechenden Berufungen nicht zurück-, sondern abgewiesen hat, vermag Rechte der Beschwerdeführer nicht zu verletzen.

3.2. Gleiches gilt im Zusammenhang mit dem von den Beschwerdeführern ebenfalls bekämpften Bescheid vom 6. April 1977 im Verhältnis zum Bescheid vom 3. November 1978. Im Bescheid vom 3. November 1978 ist nämlich von der belangten Behörde gemäß § 68 Abs. 2 AVG der Widmungsbewilligungsbescheid vom 6. April 1977 ausdrücklich und formell aufgehoben worden. Dies ist zwar rechtswidrig, weil Widmungsbewilligungsverfahren Mehrparteienverfahren sind, sodaß eine solche Behebung nach § 68 Abs. 2 AVG als unzulässig anzusehen ist

(vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., S. 595, und die dort zitierte Judikatur). Ungeachtet dessen ist auch hier festzuhalten, daß diese Rechtswidrigkeit Rechte der Beschwerdeführer nicht beeinträchtigen kann. Es ist nämlich darauf hinzuweisen, daß gemäß § 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 - der insoweit eine über die §§ 68 ff AVG hinausgehende Ermächtigung zur Abänderung rechtskräftiger Bescheide enthält - rechtskräftige Widmungsbewilligungen ganz oder teilweise "geändert" werden können (vgl. dazu das Erkenntnis vom 28. November 1991, Zl. 90/06/0172, 0174). Der Bescheid vom 3. November 1978 ist vollständig an die Stelle des Bescheides vom 6. April 1977 getreten, ohne daß es einer Anwendung des § 68 Abs. 2 AVG bedurft hätte. Zu Recht hat daher die Behörde die gegen diesen Bescheid erhobenen Berufungen als unzulässig zurückgewiesen.

4. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Planung Widmung BauRallg3Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der RechtskraftRechtskraft Besondere Rechtsgebiete BaurechtBewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeZulässigkeit und Voraussetzungen der Handhabung des AVG §68 Bindung an diese Voraussetzungen Umfang der Befugnisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1990060186.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

19.11.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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