TE Vwgh Erkenntnis 1993/12/17 93/17/0402

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Veröffentlicht am 17.12.1993
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Index

L37293 Wasserabgabe Niederösterreich;
L69303 Wasserversorgung Niederösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

B-VG Art139 Abs6;
WasserleitungsanschlußG NÖ 1978 §8;
WasserleitungsO Großdietmanns 1982;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Raunig, über die Beschwerde der M in D, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 13. April 1989, Zl. II/1-BE-135-3/5-89, betreffend Wasseranschlußabgabe (mitbeteiligte Partei: Gemeinde N), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Bundesland Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde N vom 10. März 1986 (ohne Zahl), mit dem über eine Berufung der Beschwerdeführerin gegen einen Abgabenbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 10. Mai 1985 (ohne Zahl) betreffend Wasseranschlußabgabe entschieden wurde, als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides heißt es im wesentlichen, mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 10. Mai 1985 sei (gemäß § 6

NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 und der Wasserabgabenordnung der Gemeinde) gegenüber der Beschwerdeführerin eine Wasseranschlußabgabe in Höhe von insgesamt S 3.672,54 festgesetzt worden. Dagegen sei mit der Begründung Berufung erhoben worden, daß der vorgeschriebene Betrag zu hoch sei und dieser daher aus Gründen der Mittellosigkeit der Beschwerdeführerin auf S 2.600,-- herabgesetzt werden müsse. Außerdem sei darauf hinzuweisen, daß der Wasseranschluß auf der Liegenschaft der Beschwerdeführerin rechtswidrig erfolgt sei. Mit Bescheid vom 10. März 1986 habe der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde diese Berufung als unbegründet abgewiesen. Die gegen diesen Berufungsbescheid erhobene Vorstellung sei zunächst von der Niederösterreichischen Landesregierung (mit Bescheid vom 22. August 1986, Zl. II/1-BE-135-3/86) als unzulässig zurückgewiesen worden, sei aber nun nach einer diese Vorstellungserledigung aufhebenden Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 22. Dezember 1988, Zl. 87/17/0197) einer Sachentscheidung zuzuführen.

Weiters führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides nach Wiedergabe der §§ 6 Abs. 1 und 15 Abs. 1 des NÖ. Wasserleitungsgesetzes 1978, LGBl. 6930-0, aus, Voraussetzung für die rechtmäßige Vorschreibung einer Wasseranschlußabgabe sei danach das Vorliegen des Anschlußzwanges einerseits sowie der Anschluß an die Gemeindewasserleitung (ergänze: andererseits). Das Vorliegen eines Anschlusses der Liegenschaft der Beschwerdeführerin an die Gemeindewasserleitung der mitbeteiligten Gemeinde sei nicht strittig, führe doch die Beschwerdeführerin sowohl in ihrer Berufung als auch in der Vorstellungsschrift selbst aus, der Anschluß ihrer Liegenschaft sei - wenn auch ihrer Meinung nach rechtswidrig - hergestellt worden. Zur Frage des Vorliegens des Anschlußzwanges sei zu bemerken, daß die Wasserleitungsordnung des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 15. September 1982 in ihrem § 1 Abs. 1 unter anderem die gesamte Katastralgemeinde D - in dieser liege die Liegenschaft der Beschwerdeführerin - zum Versorgungsbereich des Wasserversorgungsunternehmens der Gemeinde N zähle, in welchem gemäß § 1 Abs. 2 der Wasserleitungsordnung Anschlußzwang bestehe. Die Wasserleitungsordnung sei in der Zeit vom 16. September bis 1. Oktober 1982 kundgemacht worden und mit diesem Tag in Kraft getreten. Ab diesem Zeitpunkt bestehe für alle in der Katastralgemeinde D gelegenen Liegenschaften Anschlußzwang, soferne nicht die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs. 1 des NÖ. Wasserleitungsanschlußgesetzes 1978 anzuwenden sei. Daß dies auf die Liegenschaft der Beschwerdeführerin zuträfe, habe diese weder im gesamten Verfahren behauptet noch bestehe sonst ein Anhaltspunkt dafür. Es seien demnach sämtliche Voraussetzungen für eine rechtmäßige Vorschreibung einer Wasseranschlußabgabe vorgelegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Nach dem ausdrücklichen Vorbringen der Beschwerdeführerin sei sie durch die Anwendung einer nicht gehörig kundgemachten rechtswidrigen Verordnung, nämlich der Wasserleitungsordnung der Gemeinde N als Grundlage für die Vorschreibung einer Wasseranschlußabgabe gemäß § 6 des NÖ. Gemeindewasserleitungsgesetzes 1978 in einem subjektiven Recht verletzt worden. Die Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Bescheid (offenbar: wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes) aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Zurückweisung der Beschwerde als unzulässig, in eventu deren Abweisung als unbegründet beantragt.

Über Antrag des Verwaltungsgerichtshofes hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 13. Oktober 1993, V 106/92-9, die Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde N vom 15. September 1982, mit der eine Wasserleitungsordnung im Einvernehmen mit der NÖ. Landesregierung gemäß § 8 des NÖ. Wasserleitungsanschlußgesetzes 1978, LGBl. 6951, erlassen wird, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 16. September 1982 bis zum 1. Oktober 1982, als gesetzwidrig aufgehoben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 des NÖ Gemeindewasserleitungsgesetzes 1978, LGBl. 6930-0, werden die Gemeinden gemäß § 8 Abs. 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45, ermächtigt, Wasserversorgungsabgaben (Wasseranschlußabgabe, Ergänzungsabgabe, Sonderabgabe) zu erheben, die anläßlich des Anschlusses an die Gemeindewasserleitung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu entrichten sind.

Gemäß § 6 Abs. 1 leg. cit. ist die Wasseranschlußabgabe für den Anschluß an die Gemeindewasserleitung zu entrichten. Der Anspruch auf die Wasseranschlußabgabe (und die Sonderabgabe) entsteht gemäß § 15 Abs. 1 leg. cit. mit Rechtskraft des Bescheides, mit dem der Anschluß bewilligt wurde, oder ab dem Zeitpunkt, mit dem der Anschlußzwang feststeht.

Gemäß § 1 Abs. 1 des in Ausführung des § 36 Abs. 1 des Wasserrechtsgesetzes 1959, BGBl. Nr. 215, ergangenen NÖ. Wasserleitungsanschlußgesetzes 1978, LGBl. 6951-0 (Anlage zur Kundmachung der NÖ. Landesregierung vom 18. Juli 1978, mit der das NÖ. Wasserleitungsanschlußgesetz, LGBl. Nr. 324/1969 idF LGBl. 6951-1, neu verlautbart wird), ist der Wasserbedarf in Gebäuden, Betrieben und sonstigen Anlagen im Versorgungsbereich (§ 8 Abs. 2 Z. 1) eines gemeinnützigen öffentlichen Wasserversorgungsunternehmens nach Maßgabe folgender Bestimmungen ausschließlich aus dessen Wasserversorgungsanlage zu decken (Anschlußzwang).

Gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. hat die Behörde im Einvernehmen mit der Landesregierung die näheren Vorschriften über die Durchführung des Anschlusses und den Wasserbezug zu erlassen (Wasserleitungsordnung).

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung sind insbesondere Vorschriften zu erlassen über

1. den Versorgungsbereich (Abs. 3);

...

Mit Verordnung vom 15. September 1982 hat der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde eine Wasserleitungsordnung "im Einvernehmen mit der NÖ Landesregierung gemäß § 8 des NÖ Wasserleitungsanschlußgesetzes 1978, LGBl. 6951" erlassen. Gemäß § 1 Abs. 1 dieser Verordnung umfaßt der Versorgungsbereich des Wasserversorgungsunternehmens der Gemeinde N die Katastralgemeinden D und H (laut Beilage) sowie die Liegenschaft Nr. 107 der Katastralgemeinde W.

Nach Abs. 2 erster und zweiter Satz dieser Verordnungsstelle besteht im Versorgungsbereich Anschlußzwang. Der Wasserbedarf in Gebäuden, Betrieben und sonstigen Anlagen ist ausschließlich aus der Wasserversorgungsanlage des Wasserversorgungsunternehmens der Gemeinde N zu decken, soferne nicht eine Ausnahme vom Anschlußzwang nach Absatz 3 gegeben ist.

Gemäß § 10 der Verordnung wird die Wasserleitungsordnung mit dem Monatsersten rechtswirksam, welcher dem Tage der Kundmachung zunächst folgt, das ist der 1. Oktober 1982.

Diese Verordnung wurde durch Anschlag an der Amtstafel vom 16. September bis 1. Oktober 1982 kundgemacht.

Ist eine Verordnung vom Verfassungsgerichtshof wegen Gesetzwidrigkeit aufgehoben worden, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden gemäß Art. 139 Abs. 6 erster Satz B-VG an den Spruch des Verfassungsgerichtshofs gebunden. Nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung ist die Verordnung jedoch auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles anzuwenden.

Der Beschwerdefall ist Anlaßfall für die verfassungsgerichtliche Aufhebung der genannten Verordnung. Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist daher nach ständiger Rechtsprechung so vorzugehen, als ob bei dessen Erlassung die aufgehobene Verordnung nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte (vgl. hiezu u.a. die

hg. Erkenntnisse vom 15. März 1984, Zl. 16/2640/80, und vom 6. Juni 1984, Zl. 11/0205/79).

Daraus folgt aber, daß für die Liegenschaft der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Erlassung der gemeindebehördlichen Abgabenbescheide kein Anschlußzwang und damit im Sinne obiger Ausführungen auch keine Verpflichtung zur Entrichtung einer Wasseranschlußabgabe bestand. Da die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen den Berufungsbescheid vom 10. März 1986 dessen ungeachtet abwies, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, sodaß er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aus diesem Grunde aufgehoben werden mußte, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993170402.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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