TE Vwgh Erkenntnis 1993/12/20 93/02/0187

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Veröffentlicht am 20.12.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs2a litb;
StVO 1960 §5 Abs4 litc;
StVO 1960 §5 Abs4;
StVO 1960 §5 Abs5;
StVO 1960 §5 Abs6;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VStG §44a litb;
VStG §44a Z2 impl;
VStG §44a Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des L in N, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in T, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 8. Juni 1993, Zl. VwSen-101070/23/Br/Gr, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe sich am 23. Jänner 1992 nach einem um 19.48 Uhr an einem bestimmten Ort stattgefundenen Verkehrsunfall mit Sach- und Personenschaden, woran er in ursächlichem Zusammenhang als Lenker eines Kraftfahrzeuges beteiligt gewesen sei, entgegen der an ihn gerichteten Aufforderung im Krankenhaus geweigert, sich einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden oder bei einer Bundespolizeibehörde tätigen Arzt zwecks Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung vorführen zu lassen, obwohl er sich in einem deutlich vermutbar durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 5 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. b StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe von S 16.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 23 Tage) verhängt.

Hiegegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von S 8.000,-- bis S 50.000,--, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von einer bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich einem Arzt vorführen zu lassen oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht. Gemäß § 5 Abs. 4 lit. c StVO sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden oder bei einer Bundespolizeibehörde tätigen Arzt zwecks Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung vorzuführen: Lenker von Fahrzeugen oder Fußgänger, die verdächtig sind, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, wenn nicht eine Untersuchung nach Abs. 2a lit. b vorgenommen wird. Wer einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden oder bei einer Bundespolizeibehörde tätigen Arzt zwecks Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung vorgeführt worden ist (Abs. 4), hat sich gemäß § 5 Abs. 5 StVO dieser Untersuchung zu unterziehen.

Verletzte Verwaltungsvorschrift (§ 44a Z. 2 VStG) ist im Falle der Verweigerung der Vorführung zum Arzt im Sinne des § 5 Abs. 4 StVO nicht diese Bestimmung, sondern § 99 Abs. 1 lit. b StVO. Im Gegensatz zu den Bestimmungen der Abs. 2, 4 und 6 des § 5 StVO, die lediglich bestimmten Organen Berechtigungen einräumen, ergibt sich bereits aus der Bestimmung des § 5 Abs. 5 StVO - ebenso wie aus der des § 5 Abs. 1 StVO - eindeutig die Verpflichtung für den betreffenden Kraftfahrzeuglenker zu einem bestimmten Verhalten. Verletzte Verwaltungsvorschrift ist daher im Falle der Weigerung, sich nach erfolgter Vorführung einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, die Bestimmung des § 5 Abs. 5 StVO (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1981, Slg. Nr. 10500/A).

Im Spruch des angefochtenen Bescheides wurde dem Beschwerdeführer die Verweigerung der Vorführung zum Arzt angelastet. Dies war von den behördlichen Feststellungen ausgehend insoferne zutreffend, als sich der Beschwerdeführer mit Hilfe seiner von ihm telefonisch verständigten Ehegattin vor Eintreffen des benachrichtigten Polizeiamtsarztes im Krankenhaus, in das der Beschwerdeführer vom Rettungsdienst befördert worden war, entfernt hatte, d.h. bevor er mit dem Arzt in Verbindung gebracht worden war. Dementsprechend wäre als verletzte Norm § 99 Abs. 1 lit. b StVO (in Verbindung mit § 5 Abs. 4 lit. c StVO) anzuführen gewesen. Hingegen hat die belangte Behörde § 5 Abs. 5 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. b StVO genannt. Der Fall des § 5 Abs. 5 StVO setzt jedoch die Verweigerung der Untersuchung nach erfolgter Vorführung voraus, wozu es nach der Tatumschreibung im Spruch und nach den Feststellungen in der Bescheidbegründung aber nicht gekommen ist. Da § 5 Abs. 5 StVO den obigen Ausführungen zufolge einen eigenen Tatbestand einer Verwaltungsübertretung bildet, bewirkte die (Mit)Zitierung dieser Bestimmung eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides (vgl. zum Mitzitieren einer nicht verletzten Norm Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, § 44a VStG, Anmerkung 4, Seiten 941 f, sowie aus jüngster Zeit das hg. Erkenntnis vom 29. September 1993, Zl. 93/02/0107). Daß es sich bei der Nennung des Abs. 5 im Spruch nicht bloß um einen (allenfalls berichtigungsfähigen) Schreibfehler handelte, zeigen die diese Bestimmung betreffenden Ausführungen der belangten Behörde in der Bescheidbegründung.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Aus prozeßökonomischen Gründen sei für das fortgesetzte Verfahren noch folgendes bemerkt:

Die Wertung der Entfernung des Beschwerdeführers - an dem wegen Schmerzen im Brustkorb eine Atemalkoholuntersuchung nach § 5 Abs. 2a lit. b StVO nicht vorgenommen wurde - aus dem Krankenhaus vor Eintreffen des Polizeiamtsarztes als Verweigerung der Vorführung begegnet keinen Bedenken (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1991, Zl. 91/18/0162, in welchem Fall ein Unfallslenker ein Wachzimmer vor Eintreffen des Amtsarztes verlassen hatte). Daß der Beschwerdeführer auf die ärztliche Untersuchung unzumutbar lange hätte warten müssen, wurde von ihm nicht behauptet.

Soweit der Beschwerdeführer ausführt, er sei zum damaligen Zeitpunkt von einer Vorführung nicht informiert gewesen, und eine formelle Aufforderung zur Untersuchung vermißt, ist ihm zunächst zu entgegnen, daß es sich im Beschwerdefall nicht um die Verweigerung der Untersuchung, sondern um die Verweigerung der Vorführung handelt. Hiezu hat die belangte Behörde festgestellt, der Beschwerdeführer sei noch vor der Abfahrt mit dem Rettungsdienst durch den Gendarmeriebeamten über die Blutabnahme im Krankenhaus zwecks Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung in Kenntnis gesetzt worden, er habe sich bereit erklärt, alles zu machen, was man von ihm verlange. Hiebei konnte sich die belangte Behörde auf die vor ihr abgelegten Zeugenaussagen stützen. So ergibt sich etwa aus der Aussage des vernommenen Sanitäters, daß dem Beschwerdeführer bewußt war, was der Gendarmeriebeamte von ihm wollte und was im Krankenhaus beabsichtigt war.

Die Ausführungen des Beschwerdeführers zu § 5 Abs. 6 StVO gehen ins Leere, weil ihm eine Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 5 Abs. 6 StVO nicht angelastet wurde.

Bei der Strafbemessung hat die belangte Behörde die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ohnehin als Milderungsgrund berücksichtigt. Wenn sie unter den gegebenen Umständen bei einem festgestellten Monatseinkommen von S 24.000,-- eine Geldstrafe von S 16.000,-- verhängte, so ist hierin angesichts eines bis S 50.000,-- reichenden Strafrahmens ein Ermessensfehler nicht zu erblicken.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung BlutalkoholbestimmungVerwaltungsvorschrift Mängel im Spruch falsche Subsumtion der Tat

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993020187.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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