TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/4 91/18/0162

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Veröffentlicht am 04.10.1991
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §5 Abs2a lita;
StVO 1960 §5 Abs4 lita;
StVO 1960 §5 Abs4 litc idF 1986/105;
StVO 1960 §5 Abs4 litc;
StVO 1960 §99 Abs1 litb idF 1986/105;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Degischer und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der Dr. NN in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 20. März 1991, Zl. MA 70-11/1413/90/Str, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 20. März 1991 wurde die Beschwerdeführerin wegen einer Übertretung des § 5 Abs. 4 lit. c in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 bestraft, weil sie sich am 18. Jänner 1990 gegen 16.35 Uhr in Wien 10., Patrubangasse 9 (Wachzimmer), geweigert habe, sich dem Polizeiamtsarzt zwecks Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung vorführen zu lassen, obwohl sie verdächtig gewesen sei, als Lenkerin eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges um

ca. 15.05 Uhr (dieses Tages) an einem näher bezeichneten Ort in Wien in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen Verkehrsunfall verursacht zu haben.

Die Berufungsbehörde ging entsprechend der Begründung ihres Bescheides davon aus, daß die Beschwerdeführerin mit ihrem Fahrzeug zur Tatzeit am Tatort ins Schleudern gekommen sei und dadurch einen Verkehrsunfall verursacht habe, bei welchem ein weiteres Fahrzeug und die Leitschiene beschädigt worden seien. Die Beschwerdeführerin habe Verletzungen an der Nase und am Bein erlitten, sei jedoch beim Eintreffen des Rettungsdienstes auf eigenen Wunsch am Unfallsort verblieben. Nach dem Unfall seien bei der Beschwerdeführerin Alkoholisierungssymptome (deutlicher Geruch nach alkoholischen Getränken aus dem Mund, unsicherer Gang, gerötete Augenbindehäute, Schwierigkeiten beim Artikulieren) festgestellt worden, weshalb ein Alkotest durchgeführt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe den Luftsack des Alkotestgerätes nur zur Hälfte aufgeblasen, wobei sich ein positiver Wert ergeben habe. Die Beschwerdeführerin sei daher aufgefordert worden, sich dem Amtsarzt vorführen zu lassen. Nachdem sie zunächst zugestimmt habe, sei sie zum Wachzimmer Patrubangasse gebracht worden, habe dieses jedoch vor dem Eintreffen des Amtsarztes verlassen.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 4 lit. c StVO 1960 sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden oder bei einer Bundespolizeibehörde tätigen Arzt Lenker von Fahrzeugen oder Fußgänger, die verdächtig sind, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, zwecks Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung vorzuführen, wenn nicht eine Untersuchung nach Abs. 2a lit. b vorgenommen wird.

Es ist unbestritten, daß die Beschwerdeführerin einen Verkehrsunfall verursacht hat - wobei es nicht auf ihr Verschulden ankommt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. April 1989, Zl. 88/18/0379) -, und daß an ihr keine Untersuchung mit einem Gerät im Sinne des § 5 Abs. 2a lit. b leg. cit, also mit einem Gerät, das den Alkoholgehalt der Atemluft mißt und entsprechend anzeigt, vorgenommen worden ist, weshalb davon auszugehen ist, daß der Meldungsleger entsprechend den im Beschwerdefall maßgebenden Voraussetzungen der eben wiedergegebenen gesetzlichen Bestimmung im Falle begründeter Annahme, daß die Beschwerdeführerin den Verkehrsunfall in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand verursacht hat, auch ohne "positive" Atemluftprobe berechtigt war, die Beschwerdeführerin zwecks Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung dem Amtsarzt vorzuführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Oktober 1990, Zl. 90/02/0129). Ein von der Beschwerdeführerin in Frage gestellter "ordnungsgemäßer Alkotest" ist daher keine Voraussetzung für die Strafbarkeit des ihr zur Last gelegten Verhaltens.

Ungeachtet dessen kommt dem Ergebnis der im Beschwerdefall mit einem Gerät im Sinne des § 5 Abs. 2a lit. a leg. cit. durchgeführten Untersuchung Bedeutung zu, weil diese den Verdacht der Beeinträchtigung durch Alkohol ergeben hat, da die Markierung des Testgerätes "deutlich überschritten" worden ist. Daß der Luftsack des Testgerätes von der Beschwerdeführerin ihrem eigenen Vorbringen zufolge "nur halb aufgeblasen" worden ist, vermag an diesem für die Bestätigung des Verdachtes der Alkoholbeeinträchtigung der Beschwerdeführerin ausreichenden Ergebnis nichts zu ändern.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zuletzt in seinem Erkenntnis vom 27. Juni 1990, Zl. 89/03/0240, ausgesprochen hat, ist zwischen der Aufforderung zur Vorführung und dem Zeitpunkt der klinischen Untersuchung eine Wartezeit von 70 Minuten jedenfalls noch zumutbar, und es besteht dann keine Rechtspflicht, der Aufforderung zur Vorführung Folge zu leisten, wenn dem Fahrzeuglenker das Eintreffen des Arztes lediglich zu ganz unbestimmter Zeit in Aussicht gestellt wird.

Der Beschwerdeführerin wurde entsprechend der Zeugenaussage des Polizeibeamten B. mitgeteilt, daß der Amtsarzt "in ca. 1 Stunde eintreffen wird", und der Polizeibeamte W. hat anläßlich seiner zeugenschaftlichen Einvernahme deponiert, daß er "nach einiger Zeit bei der Funkstelle angerufen habe", wobei ihm gesagt worden sei, daß der Amtsarzt "bereits unterwegs" sei. Unter diesen Umständen durfte die Beschwerdeführerin damit rechnen, daß der Amtsarzt in Kürze eintreffen werde, weshalb die belangte Behörde das vorzeitige Verlassen des Wachzimmers durch die Beschwerdeführerin dieser zu Recht als Weigerung angelastet hat, sich dem Polizeiamtsarzt vorführen zu lassen, zumal sich die von der Beschwerdeführerin selbst zugestandene Wartezeit in der Dauer von 75 Minuten noch in jenem zeitlichen Rahmen hält, welcher in der eben wiedergegebenen hg. Judikatur zum Ausdruck kommt. Anhaltspunkte dafür, daß die Vorführung vor den Amtsarzt zu einem Zeitpunkt erfolgt wäre, an dem keine Rückschlüsse auf die Alkoholisierung der Beschwerdeführerin zur Zeit des Lenkens des Kraftfahrzeuges mehr möglich gewesen wären (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1989, Zl. 89/18/0119, und die darin zitierte Vorjudikatur), haben sich nicht ergeben. Im übrigen ist in Erwiderung auf ein diesbezügliches Beschwerdevorbringen darauf hinzuweisen, daß die Beschwerdeführerin das Wachzimmer nicht deshalb vorzeitig verlassen hat, weil sie infolge der bei dem Verkehrsunfall erlittenen Verletzungen ärztlich versorgt werden wollte, und daß sie von den Polizeibeamten nicht gesondert aufgefordert werden mußte, "auf der Wachstube zu verweilen", weil ihr entsprechend der Aussage des schon erwähnten Polizeibeamten W. vollkommen klar gewesen ist, daß sie zwecks Durchführung der amtsärztlichen Untersuchung auf das Eintreffen des Amtsarztes zu warten habe. Es muß ihr daher auch bewußt gewesen sein, daß das vorzeitige Verlassen des Wachzimmers im Sinne des erhobenen - nach Ansicht des Gerichtshofes dem Konkretisierungsgebot des § 44a lit. a VStG entsprechenden - Tatvorwurfes zu qualifizieren sein wird.

Schließlich kann der Gerichtshof nicht finden, daß die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht den Anforderungen des zufolge § 24 VStG auch im Verwaltungssstrafverfahren anzuwendenden § 60 AVG entspricht, zumal die belangte Behörde darin das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens ausführlich wiedergegeben und eine rechtliche Wertung des Verhaltens der Beschwerdeführerin vorgenommen hat.

Die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt daher nicht vor, weshalb sich die Beschwerde als unbegründet erweist und daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991180162.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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