TE Vwgh Erkenntnis 1994/1/25 93/11/0168

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Veröffentlicht am 25.01.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs2;
AVG §64 Abs2;
AVG §68 Abs1;
KFG 1967 §66 Abs1;
KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §73 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs4 lita;
StVO 1960 §5 Abs4 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des O in H, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 9. Juli 1993, Zl. 11-39 O 14-1992, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, F und G entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, daß ihm für die Dauer von drei Jahren vom Tag der vorläufigen Abnahme des Führerscheines am 22. Mai 1992 an (somit bis 22. Mai 1995) keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer am 22. Mai 1992 an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit eine Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 begangen habe, indem er ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Die weitere Begründung, soweit darin nicht nur der Spruch des Erstbescheides und der Inhalt der Berufung wiedergegeben wird, lautet:

"Nach Durchsicht des Akteninhaltes gelangte auch die Berufungsbehörde im Einklang mit der Meinung der Behörde erster Instanz zur Auffassung, daß der Berufungswerber derzeit als nicht verkehrszuverlässig zu werten ist. Die Berufungsbehörde übernimmt die Feststellungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides und macht sie zur Grundlage ihrer eigenen Entscheidung."

Vorauszuschicken ist, daß es zunächst entscheidend darauf ankommt, ob die belangte Behörde vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 1 und 2 KFG 1967 ausgehen konnte. Ohne eine entsprechend gesicherte Annahme wäre nämlich die weitere Annahme, der Beschwerdeführer sei verkehrsunzuverlässig, und damit auch die verfügte Entziehung der Lenkerberechtigung rechtswidrig. Vorauszuschicken ist ferner, daß es im gegebenen Zusammenhang dahinstehen kann, ob der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der angenommenen Begehung des Alkoholdeliktes eine Übertretung nach § 97 Abs. 5 in Verbindung mit § 99 Abs. 4 lit. i StVO 1960 (Nichtbeachtung eines Haltezeichens) begangen hat, weil nichts darauf hindeutet, daß darin eine bestimmte Tatsache im beschriebenen Sinn erblickt werden könnte. Zu prüfen ist zunächst einzig und allein, ob die belangte Behörde davon ausgehen konnte, der Beschwerdeführer habe am 22. Mai 1992 ein Alkoholdelikt begangen.

Der Beschwerdeführer bestreitet dies. Eine Messung des Alkoholgehaltes seiner Atemluft habe zwar ein Ergebnis von 0,9 mg/l erbracht. Die von ihm vor dem fraglichen Zeitpunkt genossene Menge an alkoholischen Getränken hätte aber bei weitem nicht dieses Ergebnis nach sich ziehen können. Das Alkomatgerät müsse daher Mängel aufgewiesen haben. Seinem Verlangen nach Untersuchung des Blutalkoholgehaltes, nach Überprüfung des - im Februar 1992 zuletzt überprüften - Alkomatgerätes sowie auf Einholung eines verkehrspsychologischen Gutachtens sei aber nicht entsprochen worden.

Diesem Vorbringen kommt insofern Bedeutung zu, als die Bestrafung des Beschwerdeführers nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 der Aktenlage nach zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht rechtskräftig war und es der belangten Behörde daher oblegen wäre, ihre diesbezügliche Annahme entsprechend zu begründen. Dabei steht im Vordergrund, daß der Beschwerdeführer gemäß § 5 Abs. 4a und Abs. 4b StVO 1960 einen Anspruch hatte, daß seitens der Straßenaufsichtsorgane über sein Verlangen eine Blutabnahme veranlaßt wird, und zwar nach der durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 1991, G 274/90 u.a., herbeigeführten Rechtslage unabhängig von der Höhe des mit dem Alkomatgerät gemessenen Alkoholgehaltes der Atemluft. Träfe die Behauptung des Beschwerdeführers zu, seinem diesbezüglichen Verlangen sei grundlos keine Rechnung getragen worden, so wäre nicht nur eine Bestrafung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960, sondern auch eine auf die Annahme des Vorliegens einer bestimmten Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 gestützte Entziehung der Lenkerberechtigung rechtswidrig. Die belangte Behörde hat sich - wie sich aus der oben wiedergegebenen Begründung ihres Bescheides ergibt - mit dieser Frage in keiner Weise auseinandergesetzt. Sie hätte Feststellungen dazu zu treffen gehabt, ob der Umstand, daß in der Anzeige des Gendarmeriepostens Hausmannstätten vom 23. Mai 1992 von einem derartigen Verlangen des Beschwerdeführers keine Rede ist, auf eine unvollständige Sachverhaltsdarstellung zurückzuführen ist oder ob die betreffenden im Verwaltungsverfahren aufgestellten Behauptungen unrichtig sind. Der angefochtene Bescheid ist damit mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weil die belangte Behörde den maßgebenden Sachverhalt unzureichend ermittelt und ihre Entscheidung mangelhaft begründet hat. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Für das fortzusetzende Verfahren sei angemerkt, daß dann, wenn die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen des Alkoholdeliktes vom 22. Mai 1992 in Rechtskraft erwachsen sollte oder die belangte Behörde berechtigterweise der Annahme sein könnte, vom Ergebnis der Atemluftprobe allein auf die Begehung des Alkoholdeliktes schließen zu dürfen, weil eine Blutuntersuchung gar nicht verlangt worden ist, gegen die mit dem angefochtenen Bescheid verfügte Entziehungsmaßnahme nach Art und Ausmaß keine Bedenken bestehen. Ein am 22. Mai 1992 begangenes Alkoholdelikt wäre das fünfte Alkoholdelikt des Beschwerdeführers innerhalb von sechs Jahren und der Beschwerdeführer wäre daher als besonders hartnäckiger und gefährlicher Wiederholungstäter anzusehen, den auch die bisher verfügten Maßnahmen (eine Androhung und drei vorübergehende Entziehungen im Ausmaß von fünfeinhalb Monaten bis einem Jahr) nicht davon abgehalten hätten, neuerlich ein Alkoholdelikt zu begehen. Die vom Beschwerdeführer bisher begangenen Alkoholdelikte können aber zur Begründung der Annahme, er sei am 22. Mai 1992 wiederum einschlägig straffällig geworden, nicht herangezogen werden.

Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen sei ferner betont, daß die Fragen der Aussetzung des Entziehungsverfahrens und die Entscheidung über das Verlangen nach Wiederausfolgung des Führerscheines nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides sind. Ein verkehrspsychologisches Gutachten kommt in Ansehung der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit einer Person nicht in Betracht, weil letztere eine Rechtsfrage darstellt, die von der Beurteilung der geistigen und körperlichen Eignung einer Person - wozu ein verkehrspsychologischer Test erforderlich sein kann -, begrifflich zu trennen ist. Bei der Verkehrsunzuverlässigkeit handelt es sich um eine bestimmte Sinnesart dieser Person, auf die vornehmlich aus den von ihr gesetzten strafbaren Handlungen zu schließen ist. Zur Frage der im Erstbescheid einer dagegen erhobenen Berufung aberkannten aufschiebenden Wirkung, welchen Ausspruch der Beschwerdeführer in seiner Berufung ebenfalls bekämpft hat, ist zu bemerken, daß die belangte Behörde durch die Abweisung der Berufung ohne Differenzierung auch diesen Punkt - wenngleich ohne Begründung - erledigt hat; dies entspricht insofern dem Gesetz, als es bei der Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit einer Person im öffentlichen Interesse gelegen ist, sie jedenfalls für die Dauer des Berufungsverfahrens vom Lenken von Kraftfahrzeugen auszuschließen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im Pauschalsatz für Schriftsatzaufwand nach der zitierten Verordnung bereits enthalten ist und weil Stempelgebührenersatz nur im Betrag von S 390,-- (S 360,-- für drei Beschwerdeausfertigungen und S 30,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zuerkannt werden konnte.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Verhältnis zu anderen Normen und Materien EGVG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993110168.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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