TE Vwgh Beschluss 1994/1/27 93/15/0238

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Veröffentlicht am 27.01.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
BAO §308 Abs1 impl;
VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):93/15/0239 93/15/0241 93/15/0240

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Anträge der L-Gesellschaft m.b.H. in B, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Mängelbehebung in den hg. Verfahren 93/15/0158 und 0159 und über die unter einem vorgenommenen Mängelbehebungen, den Beschluß gefaßt:

Spruch

1.)

Den Wiedereinsetzungsanträgen wird nicht stattgegeben.

2.)

Die Mängelbehebungen werden als verspätet zurückgewiesen.

Begründung

Zu den hg. Zlen. 93/15/0158 und 0159 hatte die Antragstellerin zwei Bescheidbeschwerden erhoben und hiemit jeweils den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe verbunden. Mit hg. Beschlüssen, je vom 29. Oktober bzw. 2. November 1993 wurden einerseits die Verfahrenshilfeanträge abgewiesen und andererseits der Antragstellerin gemäß § 34 Abs. 2 VwGG unter ausdrücklicher Fristsetzung von zwei Wochen der Auftrag erteilt, verschiedene ihren Beschwerdeschriften anhaftende Mängel zu beheben.

Die Ausfertigungen der Beschlüsse, mit denen die Verfahrenshilfeanträge abgewiesen wurden, enthielten jeweils u. a. folgende Nachricht: "Hat die Partei innerhalb der Frist zur Erhebung der Beschwerde die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt und wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Frist zur Erhebung der Beschwerde mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei (§ 26 Abs. 3 VwGG)."

In den Mängelbehebungsaufträgen wurde jeweils ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Versäumung der zweiwöchigen Verbesserungsfrist als Zurückziehung der Beschwerde gilt.

Diese Beschlüsse wurden der Antragstellerin nach ihrem eigenen Vorbringen am 8. bzw. 9. November 1993 zugestellt.

Da innerhalb der gesetzten Fristen zur Mängelbehebung den Verbesserungsaufträgen nicht entsprochen wurde, wurden die Verfahren Zlen. 93/15/0158 und 0159 mit Beschlüssen vom 17. Dezember 1993 gemäß §§ 33 Abs. 1 und 34 Abs. 2 VwGG eingestellt.

Am 27. Dezember 1993 gab die Antragstellerin zwei Anträge auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Mängelbehebungsfristen zur Post, die der Verwaltungsgerichtshof wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden hat.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, die durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wobei auch ein Verschulden an der Versäumung die Bewilligung nicht hindert, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Als Wiedereinsetzungsgrund macht die Antragstellerin jeweils geltend, ihr juristisch nicht gebildeter Geschäftsführer sei auf Grund der Belehrung in den Beschlüssen betreffend die Abweisung der Verfahrenshilfeanträge der irrigen Auffassung gewesen, mit der Zustellung dieser Beschlüsse beginne die Beschwerdefrist von neuem zu laufen und ende erst am 20. bzw. 21. Dezember 1993. Er habe sich deshalb am 13. Dezember 1993 mit den nunmehrigen Rechtsanwalt der Antragstellerin besprochen und sei dieser zur Auffassung gelangt, daß im vorliegenden Fall - weil bereits Beschwerden erhoben worden waren - die zweiwöchige Frist zur Verbesserung der Beschwerden schon verstrichen gewesen und deshalb die Verfassung einer neuen Beschwerde völlig zwecklos sei.

Das Mißverstehen der Belehrungen in den Beschlüssen auf Abweisung der Verfahrenshilfeanträge sei ein unabwendbares Ereignis, welches die Antragstellerin an der rechtzeitigen Mängelbehebung verhindert habe.

Dazu ist die Antragstellerin zunächst darauf hinzuweisen, daß nach ständiger hg. Judikatur ein Rechtsirrtum keinen Wiedereinsetzungsgrund darstellt, weil die rein subjektive Beurteilung einer bestehenden Rechtslage einen Beschwerdeführer (hier den Geschäftsführer der Antragstellerin) niemals daran hindern kann, sich über die Wirkungen einer ihm zugestellten Entscheidung bzw. Aufforderung vorsorglich bei einer rechtskundigen Person zu informieren (vgl. dazu z.B. die bei Dolp, die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 648 letzter und 649 erster Absatz, sowie die bei Ringhofer, Die Verwaltungsverfahrensgesetze I, Rz 47,48 und 50 zu § 71 AVG referierte hg. Judikatur).

Dazu kommt, daß der Gechäftsführer der Antragstellerin gerade im vorliegenden Fall auf Grund der unmißverständlichen Belehrungen in den Mängelbehebungsaufrägen sowie unter Berücksichtigung einerseits der Tatsache, daß Beschwerden ja bereits erhoben wurden und andererseits des Umstandes, daß die Hinweise in den Beschlüssen auf Abweisung der Verfahrenshilfeanträge sich - auch für einen Laien erkennbar - nur auf Fälle beziehen, in denen noch keine Beschwerden erhoben wurden, von einer jeweils maßgeblichen Frist von zwei Wochen zur Vornahme der aufgetragenen Mängelbehebung ausgehen mußte und nicht von einer 6-Wochen-Frist zur Erhebung neuer Beschwerden.

Selbst dann aber, wenn man dem Geschäftsführer der Antragstellerin einräumen wollte, die Situation sei für ihn unklar gewesen, so wäre er gehalten gewesen, innerhalb der Zwei-Wochen-Frist nach Zustellung der Mängelbehebungsaufträge rechtskundigen Rat einzuholen. Allein die Tatsache, daß er dies unterlassen hat und erst am 13. Dezember 1993 einen Rechtsanwalt konsultierte, kann nicht mehr als minderer Grad des Versehens angesehen werden.

Zu all dem kommt noch folgendes: Selbst dann, wenn man der Antragstellerin zubilligen wollte, ihr Geschäftsführer hätte auf Grund der Belehrungen in den Beschlüssen betreffend die Abweisung der Verfahrenshilfeanträge der Auffassung sein können, ihr stünde jetzt eine 6-Wochen-Frist zur Verfügung, so hätte sie die Mängelbehebungen wenigstens innerhalb dieser Frist, also längstens bis 20. bzw. 21. Dezember 1993 zur Post geben müssen und nicht erst am 27. Dezember 1993.

Den Wiedereinsetzungsanträgen konnte daher kein Erfolg beschieden sein.

Die unter einem vorgenommenen Mängelbehebungen waren als verspätet zurückzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993150238.X00

Im RIS seit

03.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

28.01.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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