TE Vwgh Erkenntnis 1994/1/27 94/19/0935

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Veröffentlicht am 27.01.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1993 §37;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Stöberl und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des D in B, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. März 1993, Zl.4.329.577/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, der am 28. Oktober 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 1. November 1991 um Asyl angesucht hat, gab bei seiner am 1. April 1992 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark erfolgten niederschriftlichen Befragung an, er sei kurdischer Abstammung und habe seit 1982 der "PSK (Vereintes Volk von Kurdistan)" angehört, für die er als Guerilla bewaffnet gewesen sei. Von 1983 bis 1985 sei er im Gerichtsgefängnis von Bagdad nach einer Verurteilung durch das Gericht wegen politischer Gründe inhaftiert gewesen. Nach der Haftentlassung im Jahr 1985 sei er ausschließlich als bewaffneter Kämpfer der PSK im Bereich der türkischen Grenze im Untergrund tätig gewesen. Der Führer dieser Gruppierung sei X gewesen. Es hätte zwar noch eine weitere Kurdenvereinigung unter Y gegeben, für diese hätte er jedoch nie gekämpft. Im Zuge der Kampfhandlungen gegen Regierungstruppen sei er am 16. März 1988 auch verletzt worden. Er habe Schußverletzungen erlitten und sei in ein unter kurdischer Verwaltung stehendes Krankenhaus eingeliefert worden. Der primäre Grund seiner Flucht aus dem Irak sei es gewesen, daß ihm von Angehörigen der PSK mitgeteilt worden sei, daß zwei seiner Brüder bei Kampfhandlungen umgekommen seien. Ein Bruder soll 1988 gefallen sein. Weiters sei die medizinische Versorgung nicht ausreichend und er sei bereits kriegsmüde. Unter den gegebenen Umständen sei er nicht mehr bereit, im Kurdengebiet zu leben.

Mit Bescheid vom 27. Mai 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. In der dagegen gerichteten Berufung führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, er sei vom 25. November 1983 bis 25. November 1985 inhaftiert gewesen, da er Kurde sei. Danach sei er bis 1991 Mitglied der "Patriotischen Union Kurdistans (PUK)" gewesen, die bis heute im Irak untersagt sei. Zwei seiner Brüder seien vom irakischen Militär ermordet worden, der eine 1986, der andere 1988. Er selbst sei zweimal durch irakische Angriffe auf kurdische Dörfer und Städte verwundet worden. Im übrigen sei er auch nicht in der Lage, eine auf den bekämpften Bescheid eingehende Begründung zu geben, da dieser nur allgemeine pauschale Feststellungen treffe, aus denen sich eine eindeutige rechtliche Würdigung jedoch nicht erkennen lasse.

Mit Bescheid vom 1. März 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage führte die belangte Behörde im wesentlichen begründend aus, trotz der rechtlich knappen Überlegungen der Behörde erster Instanz entspreche deren Bescheid der Bestimmung des § 60 AVG. In der Sache selbst führte die belangte Behörde aus, die Zeiten der Inhaftierung von 1983 bis 1985 seien Umstände, die schon längere Zeit vor der Ausreise zurückgelegen seien und aus diesem Grunde nicht mehr beachtet werden könnten. Zu den politischen Aktivitäten des Beschwerdeführers sei zu bemerken, daß die Mitgliedschaft bei einer politischen Gruppierung allein ebensowenig einen Grund für die Anerkennung als Flüchtling biete wie die Zugehörigkeit zu einer bestimmten (auch religiösen) Minderheit.

Die am 16. März 1988 erlittene Schußverletzung könne ebenfalls nicht als unmittelbarer Anlaß für die Flucht des Beschwerdeführers aus seinem Heimatland bezeichnet werden. Vielmehr habe er selbst den Grund hiefür mit der Tötung der beiden Brüder im Jahre 1986 bzw. 1988 erklärt. Hiezu sei festzuhalten, daß konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlungen glaubhaft gemacht werden müßten und nicht etwa nur der Hinweis auf eine Verfolgung von Angehörigen. Überdies stehe auch der Verlust der beiden Brüder in keinem zeitlichen Naheverhältnis zur Ausreise des Beschwerdeführers mehr. Der allgemeine Hinweis, daß die medizinische Versorgung nicht ausreiche und er selbst bereits kriegsmüde sei, könne ebenfalls nicht zur Asylgewährung führen, zumal diesen Aussagen kein konventionsrelevanter Sachverhalt entnommen werden könne. Wohlbegründete Furcht vor Verfolgung könne erst angenommen werden, wenn die Zustände im Heimatland des Asylwerbers auch aus objektiver Sicht betrachtet so seien, daß ein weiterer Verbleib dort unerträglich wäre. Die subjektive Einstellung allein reiche nicht aus, insbesondere auch nicht bloß die innere Abneigung gegen das in der Heimat des Asylwerbers herrschende System.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht und über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Soweit der Beschwerdeführer eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens der Behörde erster Instanz geltend macht, ist ihm entgegenzuhalten, daß - liegt nicht ein Fall des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 vor - Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur der angefochtene letztinstanzliche Bescheid ist. Soweit der Beschwerdeführer aber rügt, die belangte Behörde habe es unterlasssen, ihn über seine Fluchtgründe detailliert zu befragen und zu einer entsprechenden Konkretisierung anzuleiten, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt: Die Asylbehörden haben in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise daraufhinzuwirken, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder ungenügende Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen; erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Aus dieser Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der sich aus den entsprechenden Bestimmungen des AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden zur amtswegigen Ermittlung darstellt, kann aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht begründet werden. Dies bedeutet, daß nur im Fall hinreichend deutlicher, konkreter Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine entsprechende Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen hat. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber eine Verpflichtung der Behörde nicht abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. zuletzt hg. Erkenntnis vom 9. September 1993, Zl. 93/01/0768). Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Einvernahme selbst angegeben, primärer Fluchtgrund für ihn seien die offenbar im Zuge von Kampfhandlungen erfolgte Tötung seiner beiden Brüder, die unzureichende medizinische Versorgung und der Umstand gewesen, daß er bereits kriegsmüde sei. Diesen Angaben lassen sich aber konkrete Hinweise auf das Vorliegen von Gründen im Sinne der Flüchtlingskonvention nicht entnehmen, sodaß die belangte Behörde im Sinn des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 nicht gehalten war, eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens erster Instanz anzuordnen. Der belangten Behörde kann ausgehend von dieser Sachverhaltsgrundlage daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die vom Beschwerdeführer selbst im erstinstanzlichen Verfahren dargelegten Fluchtgründe als nicht geeignet gewertet hat, begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Artikel 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) glaubhaft zu machen.

Es ist dem Beschwerdeführer zwar zuzugeben, daß die von der belangten Behörde in Übereinstimmung mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zitierten Rechtssätze auf die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gesamtumstände seines Einzelfalles nicht in ausreichendem Maße eingehen, dies kann jedoch auch nicht zu der von ihm gewünschten Erledigung führen, da die belangte Behörde in diesem Punkte zutreffend seine Verhaftung wegen des mangelnden zeitlichen Konnexes als nicht mehr asylrelevant beurteilt hat und die von ihm geltend gemachten zeitlich aktuellen Umstände, nämlich seine eigene Kriegsmüdigkeit und die mangelnde ärztliche Versorgung, keine gegen den Beschwerdeführer selbst konkret gerichtete Verfolgungsgefahr im Sinn des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 darstellen.

Ein anderes Ergebnis wäre auch bei Berücksichtigung des vom Beschwerdeführer in der Beschwerde zitierten Erkenntnisses vom 29. November 1989, Zl. 89/01/0264, nicht möglich gewesen, da dieses einen vom Sachverhalt her gänzlich anders gelagerten Fall betraf, in dem die Anwendung des Art. 1 Abschnitt F der Flüchtlingskonvention im Vordergrund stand. Insoweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde erstmals andeutet, im Falle seiner Rückschiebung Gefahr zu laufen "mit oder ohne Urteil sein Leben" zu verlieren, ist darauf zu verweisen, daß im Fall der Bedrohung mit der Todesstrafe oder einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe bei Zutreffen der dort angeführten Voraussetzungen das Zurückschickungsverbot des § 37 FremdenG, BGBl. Nr. 838/1992 in Betracht kommt, diese Umstände aber keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides begründen können.

Aus diesen Gründen erweist sich die Beschwerde als im Ergebnis unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Pauschalierungsverordnung

BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994190935.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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