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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Juni 1993, Zl. 4.338.284/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, der am 6. Juni 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge den Bescheid des Bundesasylamtes vom 24. Juni 1992, mit dem sein Asylantrag abgewiesen worden war, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 9. Juni 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Nach den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist, habe er bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt am 24. Juni 1992 angegeben, er sei in seinem Heimatland Angehöriger der christlichen Minderheit gewesen. Zwischen Mitte Februar und März 1992 seien von Moslems verstärkt Angriffe gegen Christen unternommen worden, wobei Kirchen und Häuser in Brand gesetzt worden seien. Am 18. Februar 1992 sei unter anderem auch das vom Beschwerdeführer betriebene Geschäft in Kaduna angezündet worden, wobei zwei Mitarbeiter den Tod gefunden hätten. Der Beschwerdeführer habe in der christlichen Gemeinde eine führende Stelle innegehabt und sei insbesondere in der Jugendbetreuung tätig gewesen. Da dies den Moslems bekannt gewesen sei und bereits der Sekretär der christlichen Gemeinde getötet worden sei, habe der Beschwerdeführer ein Vorgehen der Moslems auch gegen seine Person befürchtet. Sowohl er als auch seine Frau und sein Kind, über deren Aufenthalt er nichts wisse, seien aus Kaduna geflüchtet. Der Beschwerdeführer habe sich nach Lagos begeben, von wo aus er am 4. Juni 1992 unter Zuhilfenahme eines ihm von der Kirche für diesen Zweck übergebenen Reisepasses über Sofia nach Wien geflogen sei. Der Beschwerdeführer sei nicht persönlich angegriffen oder verletzt worden, doch habe er von dritter Seite erfahren, daß er für den Tod seiner Angestellten von deren Eltern verantwortlich gemacht worden sei. Er sei deshalb in seinem Heimatland nicht mehr sicher gewesen.
In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer über sein bisheriges Vorbringen hinaus geltend gemacht, er sei von den Moslems besonders verfolgt worden, weil er in der christlichen Gemeinde, der "Christian Association of Nigeria", eine führende Funktion innegehabt habe. Drei Priester und der Sekretär dieser Vereinigung seien getötet worden. Die Moslems verfolgten die Christen bis in den Süden des Landes. Der Beschwerdeführer habe mit der Zerstörung seines Geschäftes seine Lebensgrundlage verloren. Die Polizei habe keine Anstalten gemacht, ihm Hilfe zu leisten. Die Behörde erster Instanz habe ihre Manuduktionspflicht verletzt, weil sie den Beschwerdeführer nicht darüber aufgeklärt habe, daß er hätte Beweismittel vorlegen müssen. So sei es ihm nicht möglich gewesen die Zulassung einer Kopie von "Newswatch" vom 1. Juni 1992 und eines informierten Vertreters von "CSI" als Beweis zu beantragen.
Die belangte Behörde hat der Berufung des Beschwerdeführers zunächst deshalb keine Folge gegeben, weil aus der von ihm Angehörigen einer andersgläubigen Religionsgemeinschaft zugeschriebenen Zerstörung seines Geschäftes gegen seine Person gerichtete, von staatlichen Stellen ausgehende oder von diesen geduldete Verfolgung aus den in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) angeführten Gründen nicht abgeleitet werden könne. Dieser Argumentation der belangten Behörde ist unter Zugrundelegung des vom Beschwerdeführer vorgetragenen Sachverhaltes beizupflichten, weil sich aus diesem nicht ergibt, daß es sich bei der Zerstörung seines Geschäftes um staatliches Vorgehen gehandelt hätte. Der Beschwerdeführer hat auch im Rahmen seiner Ersteinvernahme nichts vorgebracht, was in Richtung staatlicher oder vom Staat geduldeter Verfolgung deuten würde.
Der belangten Behörde ist auch beizupflichten, wenn sie die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Mitteilung, er werde von den Eltern der bei dem Brandanschlag auf sein Geschäft ums Leben gekommenen Angestellten für deren Tod verantwortlich gemacht, nicht als geeignet angesehen hat, Verfolgung "seitens Privatpersonen" und damit umso weniger von staatlichen Stellen glaubhaft zu machen.
Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde geltend macht, staatliche Organe in Nigeria seien entweder nicht willens oder nicht in der Lage, Verfolgungshandlungen durch private Moslemgruppen zu unterbinden, ist ihm entgegenzuhalten, daß in diese Richtung gehende Ausführungen in seinem erstinstanzlichen Vorbringen, welches das gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 der Entscheidung der belangten Behörde zugrunde zu legende Ergebnis des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens darstellt, nicht enthalten sind. Der Hinweis des Beschwerdeführers in seiner Berufung, die Polizei habe keine Anstalten gemacht, ihm Hilfe zu leisten, ist nicht geeignet, einen der in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 angeführten Gründe, bei deren Vorliegen die belangte Behörde verpflichtet gewesen wäre, die Ergänzung oder Wiederholung des erstinstanzlich Ermittlungsverfahren anzuordnen, darzutun. War aber die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides berechtigt und verpflichtet, vom Ergebnis des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens auszugehen, so kann aus der in der Beschwerde enthaltenen Behauptung, die Berufungsausführungen über die Unterlassung polizeilicher Hilfe hätten als selbstverständlich vorausgesetzt, daß der Beschwerdeführer sich um Hilfe bemüht habe, kein rechtswidriges Vorgehen der belangten Behörde abgeleitet werden.
Der Rüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe eine Untermauerung seines Vorbringens durch Beweise verlangt, ist entgegenzuhalten, daß derartiges dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden kann. Die belangte Behörde hat vielmehr ihrer Entscheidung das erstinstanzliche Vorbringen des Beschwerdeführers, dem sie nicht die Glaubwürdigkeit abgesprochen hat, zugrunde gelegt. Ebensowenig kann - wie dies der Beschwerdeführer in der Beschwerde behauptet - dem angefochtenen Bescheid entnommen werden, daß die belangte Behörde die Einreise des Beschwerdeführers mit einem gültigen Reisepaß als gegen seine Verfolgung sprechendes Indiz gewertet hätte.
Mit seinen erstmals in der Beschwerde erhobenen Behauptungen, es sei ein Sondergericht für öffentliche Unruhen in Kaduna eingerichtet worden, welches im Zusammenhang mit ungeklärten Todesfällen genannte Personen nach unfairen Gerichtsverfahren zum Tode verurteilt habe, und die Ausschreitungen gegen Christengruppen seien staatlich erwünscht, unterliegt der Beschwerdeführer dem gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot, weshalb auf dieses Vorbringen nicht weiter einzugehen war. Gleiches gilt für den Vorwurf, die belangte Behörde habe es unterlassen, auf die erstmals in der Beschwerde vorgetragene Möglichkeit staatlich gelenkter Übergriffe einzugehen.
Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe sich überwiegend mit seinen erstinstanzlichen Angaben und nur zum Teil mit seinem Berufungsvorbringen auseinandergesetzt, ist er neuerlich auf § 20 Asylgesetz 1991 zu verweisen, zufolge dessen Abs. 1 die belangte Behörde ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen und gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens nur bei Vorliegen der in diesem Absatz angeführten Gründe anzuordnen hat. Daß einer dieser Gründe - offenkundige Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens, Vorlage bisher nicht zugänglicher Bescheinigungsmittel, Änderung des für die erstinstanzliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes - vorgelegen wäre, kann aber weder der unbestritten gebliebenen Wiedergabe der Berufung noch dem Beschwerdevorbringen entnommen werden.
Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführer vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde, da ein offenkundiger Mangel des Ermittlungsverfahren der Behörde erster Instanz nicht hervorgekommen und ein solcher vom Beschwerdeführer in seiner Berufung auch nicht geltend gemacht worden ist, nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war die belangte Behörde angesichts seines Vorbringens, dem Anhaltspunkte für staatlichen Stellen zurechenbare Verfolgung nicht entnommen werden konnten, somit auch nicht verpflichtet, die Gründe für die Religionsunruhen zu ermitteln.
Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Im Hinblick auf das nunmehrige Vorliegen einer Entscheidung über die Beschwerde erübrigte sich ein Abspruch des Berichters
über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993011119.X00Im RIS seit
20.11.2000