TE Vwgh Erkenntnis 1994/1/27 93/01/1110

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Veröffentlicht am 27.01.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des V in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Mai 1993, Zl. 4.334.291/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Mai 1993, wurde die Berufung des Beschwerdeführers - eines am 28. Februar 1992 in das Bundesgebiet eingereisten Staatsangehörigen der ehemaligen UdSSR - gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 12. März 1992, mit dem sein Antrag auf Gewährung von Asyl abgewiesen worden war, abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist, habe er bei seiner am 7. März 1992 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich erfolgten niederschriftlichen Befragung angegeben, die politische Situation in seinem Heimatland sei zur Zeit sehr instabil. Im Jahr 1989 sei der Beschwerdeführer anläßlich einer Demonstration gegen die lokale Regierung festgenommen worden und habe eine Nacht im Arrest verbracht. Geschlagen habe man ihn während dieser Zeit nicht. Im November 1991 sei er zur Polizei bestellt worden, nachdem er wieder an einer Demonstration teilgenommen habe. Dort hätte man gedroht, ihn in Schwierigkeiten zu bringen, wenn er weiter an Demonstationen teilnehmen sollte. Es sei jedoch zu keinen weiteren Anhaltungen gekommen und er sei auch keiner religiösen Verfolgung ausgesetzt gewesen. Die demokratischen Reformen würden von den Lokalbehörden ignoriert werden, Freiheit gäbe es keine, das alte Parteiensystem sei jetzt nur anders zu nennen. Hinsichtlich seines Fluchtweges befragt, gab er an, nach Österreich über Ungarn eingereist zu sein.

Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung nach umfangreicher Zitierung der zur Frage des Flüchtlingsbegriffes und einer im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 relevanten Verfolgungsgefahr ergangenen Judikatur ausschließlich darauf, der Beschwerdeführer sei bereits in Ungarn vor Verfolgung sicher gewesen, weshalb eine Asylgewährung gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 ausgeschlossen sei.

Die zitierte Gesetzesbestimmung stelle nur darauf ab, wie die Situation des Asylwerbers im Drittland gestaltet gewesen sei. Sei die Rechtsordnung dieses Staates dergestalt, daß sie einen entsprechenden Schutz gewähre, sei die Staatspraxis dieses Landes darüber hinaus so, daß sie dieser Rechtsordnung entspreche und sei zuletzt auch noch eine Möglichkeit vorhanden, sich dieses Schutzes entweder durch entsprechende Anträge oder aber durch Kontaktnahme mit einem Vertreter des Flüchtlingshochkommissariates bedienen zu können, - und bei Ungarn, das ein geregeltes Asylverfahren durchführe, sei davon auszugehen - so seien die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. erfüllt. Dies bedeute, daß es nicht darauf ankomme, ob der Asylwerber in einem Drittland Kontakt mit den Behörden gehabt habe, ob der Aufenthalt den Behörden bekannt gewesen, von ihnen geduldet oder gebilligt worden sei, sondern es könne im Drittstaat auch ohne jeglichen Kontakt mit dessen Behörden Sicherheit gegeben sein, wenn dem Fremden etwa im Falle eines Angriffs durch die Behörden dieses Landes entsprechend ausreichende Möglichkeiten zur Verfügung stünden, eine Abschiebung in den Verfolgerstaat zu verhindern. Dies liege im zu beurteilenden Falle vor.

Ohne auf diese, den angefochtenen Bescheid tragende Begründung einzugehen, bringt der Beschwerdeführer in der Beschwerde zunächst vor, in seinem Heimatstaat würden die demokratischen Reformen von den Lokalbehörden ignoriert, es seien nach wie vor Personen des alten Parteiensystems an der Macht, es herrsche keine Freiheit. Er habe daher auf Grund seiner politischen Überzeugung nach wie vor mit Repressalien und Freiheitsentzug zu rechnen. Zum Problem der von der belangten Behörde angenommenen Verfolgungssicherheit bringt der Beschwerdeführer nur vor, er sei nicht in der Lage gewesen, in Ungarn einen Asylantrag zu stellen, weil er nach Übergabe seiner sämtlichen Barmittel an Schlepper mittellos und überdies rechtsunkundig gewesen sei und sich schnellstens die Unterstützung seines in Österreich bereits befindlichen Neffen habe sichern wollen.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei bereits in Ungarn vor Verfolgung sicher gewesen, mit Erfolg entgegenzutreten. Der Verwaltungsgerichtshof vermag in der Argumentation der belangten Behörde keine Rechtswidrigkeit zu erkennen. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 7. Oktober 1993, Zl. 92/01/1118 sowie vom 29. Oktober 1993, Zlen. 93/01/0257, 93/01/0274, 93/01/0952, 93/01/0985 u.v.a.) ist Verfolgungssicherheit nämlich bereits anzunehmen, wenn der Asylwerber im Drittstaat keiner Gefahr einer Verfolgung mehr ausgesetzt war und auch wirksamen Schutz vor Abschiebung in den Verfolgerstaat hatte. Dabei kommt es nicht darauf an, daß die Behörden des anderen Staates von dem Aufenthalt des Asylwerbers wußten oder ihn geduldet haben. Es kommt auch nicht darauf an, welche Absichten der Asylwerber dabei verfolgt und wie lange er sich in diesem Staat aufgehalten hat. In diesem Sinne kann es bei Auslegung des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 auch nicht von Bedeutung sein, wenn der Asylwerber Verwandte oder bekannte Personen in Österreich hat. Das Kriterium der Verfolgungssicherheit verlangt auch nicht, daß dem Asylwerber in dem anderen Staat Asyl bereits gewährt worden sei. Ungarn ist der Genfer Flüchtlingskonvention mit der Bekanntgabe, daß es hinsichtlich seiner Verpflichtungen aus dieser Konvention die Alternative a) des Abschnittes B) des Artikel 1 (betreffend Ereignisse, die in Europa eingetreten sind), anwenden werde, mit Wirkung vom 12. Juni 1989 beigetreten. In der Beschwerde wird auch weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht argumentiert, aus welchen anderen, im konkreten Einzelfall allenfalls bestehenden Umständen die Verfolgungssicherheit ausgeschlossen wäre. Die Tatsachen der Mittellosigkeit und Rechtsunkenntnis des Beschwerdeführers vermögen eine andere rechtliche Beurteilung des hier vorliegenden Sachverhaltes auch schon deshalb nicht zu rechtfertigen, weil es ihm trotz Mittellosigkeit freigestanden wäre, sich bei staatlichen Behörden, Flüchtlingsorganisationen oder anderen Flüchtlingen über eine zweckmäßige weitere Vorgangsweise zu erkundigen.

Da der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigte sich aber auch eine Entscheidung des Berichters über den mit der Beschwerde verbundenen Aufschiebungsantrag.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993011110.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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