TE Vwgh Erkenntnis 1994/2/17 94/19/0039

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Veröffentlicht am 17.02.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Stöberl und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftührers Mag. Klebel, über die Beschwerde des T in F, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. April 1992, Zl. 4.317.071/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. April 1992 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer, ein vietnamesischer Staatsangehöriger, der am 20. Mai 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968) sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat anläßlich seiner Erstbefragung am 25. Mai 1991 bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich angegeben, er habe seit 1987 als Gastarbeiter in der Tschechoslowakei gearbeitet. In seinem Heimatland sei er zwar Mitglied der kommunistischen Jugendpartei gewesen, habe sich aber politisch nie betätigt. Am 30. April 1991 sei sein Arbeitsvertrag in der CSFR abgelaufen, er habe jedoch nicht nach Vietnam zurückkehren wollen, da er das kommunistische System ablehne. Es gewähre keine Freiheit und man müsse dem System gehorchen. Er habe aber nie Probleme mit der Regierung gehabt. In der CSFR habe er ein schweres Leben gehabt; er sei von der Bevölkerung diskriminiert worden. Es gebe auch Gruppen, die Vietnamesen aufsuchten, diese schlügen und beraubten; so sei auch er einmal im August 1989 beraubt worden, habe dies aber nicht zur Anzeige gebracht, da die Behörde seiner Meinung nach nicht eingeschritten wäre. Die Stelle in der CSFR habe er erhalten, weil er in Vietnam ein guter Arbeiter gewesen sei. In Österreich erhoffe er sich eine bessere Zukunft, er wolle hier ein normales Leben führen und arbeiten. Dies könne er in seinem Heimatland nicht, da er als einfacher Bauernsohn geboren und seine Familie arm sei.

In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid führte der Beschwerdeführer weiters aus, es sei zwar, wie im erstinstanzlichen Bescheid festgestellt, richtig, daß weder er noch seine Familie vor seiner Abreise aus Vietnam politisch verfolgt gewesen seien, er habe jedoch dadurch, daß er nicht nach Vietnam zurückgekehrt sei, eine in seinem Heimatland strafbare Handlung gesetzt. Er wisse von einem Freund, daß dieser, nachdem er gezwungen worden sei, nach Vietnam zurückzukehren, wegen Hochverrates angeklagt und zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt worden sei.

Der Verfassungsgerichtshof erklärte mit Beschluß vom 29. September 1992 die Behandlung der gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG gegen den Bescheid der belangten Behörde erhobenen Beschwerde abzulehnen; gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht gerechtfertigt sei, da die Furcht eines Asylwerbers, bei Rückkehr in sein Heimatland wegen Übertretung paß- und fremdenpolizeilicher oder sonstiger den Aufenthalt im Ausland regelnder Vorschriften bestraft zu werden, keinen Anerkennungsgrund bilde. Er führt aus, daß es sich beim Straftatbestand der Republikflucht um ein absolut politisches Delikt handle, bei dem ausschließlich ein politisches Rechtsgut geschützt sei. Bei Verstoß dagegen drohe nach dem vietnamesischen Strafgesetzbuch Gefängnis und Umerziehungslager. Schon die Institution der Umerziehungslager als solche stelle auf eine im Heimatland des Beschwerdeführers nicht geduldete abweichende politische Richtung ab. Ein Republikflüchtling gelte zwangsläufig als politisch Abtrünniger. Das Recht auf Auswanderungsfreiheit sei aber ein Menschenrecht, das in mehreren Menschenrechtspakten abgesichert sei. In Vietnam stehe jedoch ein Verfahren für eine legale Auswanderung nicht zur Verfügung. Durch die Unterlassung der Rückkehr in seinen Heimatstaat habe der Beschwerdeführer objektiv die im Strafrecht seines Heimatlandes vorgesehenen politischen Delikte verwirklicht, bei seiner Rückkehr drohe ihm Verfolgung aufgrund seiner "politischen" Gesinnung.

Nach § 1 Abs. 1 Asylgesetz (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) orientiert sich die Flüchtlingseigenschaft an einer konkreten Situation, in der sich eine Person befindet. Aus dem Gesetzestext ergibt sich eindeutig, daß sich der Asylwerber wegen seiner Furcht vor Verfolgung im Ausland befinden muß bzw. - wenn die Furcht erst im Ausland entsteht - WEGEN dieser Furcht nicht in seine Heimat zurückkehren will.

Darüber hinaus hat jedoch der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen, daß in der Befürchtung wegen Übertretung den Aufenthalt vietnamesischer Staatsangehöriger im Ausland regelnder Vorschriften bestraft zu werden, kein Fluchtgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention erblickt werden kann (vgl. die Erkenntnisse vom 9. September 1992, Zl. 92/01/1014, und vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0345, u.a., zuletzt vom 16. Dezember 1993, Zlen. 93/01/1360, 1361). Von dieser Rechtsprechung abzugehen, bilden die Beschwerdeausführungen keinen Anlaß.

Nur ganz allgemeine Hinweise des Beschwerdeführers auf die Situation in seinem Heimatland, die nicht konkret mit einem Fluchtgrund im Sinne der Flüchtlingskonvention in Zusammenhang stehen, können die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft ebensowenig begründen wie die vom Beschwerdeführer bekundete Ablehnung des kommunistischen Systems.

Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Befürchtung seiner Zurückschiebung in das Heimatland (§ 37 Fremdengesetz) und der ihm dort drohenden Bestrafung (Umerziehungslager) kann von ihm im Falle eines Verfahrens über die Rückschiebung geltend gemacht werden, vermag aber keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu bewirken.

Geht man von dieser Rechtslage aus, dann gehen aber die Ausführungen der Beschwerde, mit denen Begründungs- und Feststellungsmängel geltend gemacht werden, schon deshalb ins Leere, weil sie für die Entscheidung der Sache nicht von Bedeutung sein können.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994190039.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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