TE Vwgh Erkenntnis 1994/2/22 90/14/0114

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.02.1994
beobachten
merken

Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

FinStrG §33 Abs3 lita;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 90/14/0115

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Hutter, über die Beschwerde 1. des M in F und 2. des P in W, beide vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide (Beschwerdeentscheidungen) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich 1. vom 9. Mai 1990, Zl. 811/1-2/Z-1990 und

2. ebenfalls vom 9. Mai 1990, 820/1-2/Z-1990, betreffend Einleitung von Finanzstrafverfahren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- und dem Zweitbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 17. November 1989 leitete die Finanzstrafbehörde erster Instanz das Finanzstrafverfahren gegen den Erstbeschwerdeführer gemäß § 83 Abs. 1 Finanzstrafgesetz ein, weil der Verdacht bestehe, daß dieser die abgabenrechtliche Anzeige- und Offenlegungspflicht vorsätzlich dadurch verletzt habe, daß er für die Jahre 1982 bis 1987 Geschäftsführerbezüge nicht erklärt und hiedurch eine Abgabenverkürzung an Einkommensteuer in Höhe von S 774.000,-- bewirkt habe. Die Tatumstände seien dem Finanzamt aus Anlaß einer Betriebsprüfung bei der Gesellschaft (im folgenden kurz: GesmbH), für die der Erstbeschwerdeführer die Geschäftsführungstätigkeit ausgeübt habe, bekannt geworden. Demnach habe der Erstbeschwerdeführer in den genannten Zeiträumen Geschäftsführerbezüge aus Österreich bezogen und diese weder in Österreich noch in Deutschland versteuert. Die Entdeckung der Tat sei bereits anläßlich der Betriebsprüfung vom 13. März 1984 mitgeteilt worden; eine Selbstanzeige liege nachweislich nicht vor.

Gegen den Zweitbeschwerdeführer leitete die Finanzstrafbehörde mit Bescheid vom 8. Jänner 1990 das Finanzstrafverfahren ein, weil der Verdacht bestehe, daß er als steuerlicher Vertreter in Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten des Erstbeschwerdeführers vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht für die Veranlagungszeiträume 1982 bis 1987 Geschäftsführerbezüge des Erstbeschwerdeführers nicht erklärt und hiedurch eine Abgabenverkürzung in noch zu bestimmender Höhe bewirkt und dadurch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 Finanzstrafgesetz begangen habe. Der Zweitbeschwerdeführer habe selbst in einer Einvernahme angegeben, daß er gegenüber dem Erstbeschwerdeführer erklärt habe, daß dessen in Österreich erzielte Geschäftsführerbezüge nicht steuerbar seien. Auf die Tatsache der Steuerpflicht in Österreich sei allerdings anläßlich der Betriebsprüfung bei der GesmbH hingewiesen worden. Eine strafbefreiende Selbstanzeige durch Einreichen von Steuererklärungen des Erstbeschwerdeführers komme somit nicht mehr in Betracht.

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, daß die Betriebsprüfung bei der GesmbH in der Zeit vom 14. März bis 2. April 1984 stattfand (Betriebsprüfungsbericht vom 9. Mai 1984; Pkt. 11 des Besprechungsprogrammes enthält Feststellungen über die Geschäftsführerbezüge).

Zu einer Veranlagung der Einkommensteuer des Erstbeschwerdeführers für die Jahre 1983 bis 1987 kam es mit Einkommensteuerbescheiden vom 25. Jänner 1989, nachdem dem Erstbeschwerdeführer im Jahre 1988 Vordrucke betreffend Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1982 bis 1986 und später auch für 1987 zugesendet worden waren. Die Zusendung der Vordrucke und die Veranlagungen (für 1982 unterblieb eine derartige wegen mittlerweile eingetretener Verjährung) wurden von derselben Abgabenbehörde durchgeführt, die seinerzeit 1984 die abgabenbehördliche Prüfung durchgeführt hatte und die auch für die Veranlagung der GesmbH zuständig war.

Sowohl die vom Erst- als auch die vom Zweitbeschwerdeführer gegen den jeweiligen Einleitungsbescheid eingebrachte Administrativbeschwerde blieb erfolglos. In den Beschwerden hatten die Beschwerdeführer vor allem damit argumentiert, daß die Nichterklärung der strittigen Geschäftsführerbezüge auf einer vertretbaren Rechtsansicht beruht habe; auch das Finanzamt habe - obwohl ihm der Sachverhalt seit der Betriebsprüfung 1984 und den Gewerbesteuererklärungen der GesmbH bekannt gewesen sei - erst nach Durchführung eines im Jahr 1986 abgeschlossenen Verständigungsverfahrens mit der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1988 die steuerliche Erfassung durchgeführt.

Mit der nunmehr eingebrachten Beschwerde erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Nichteinleitung eines Finanzstrafverfahrens verletzt und beantragen die Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 33 Abs. 1 Finanzstrafgesetz macht sich einer Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt. Nach § 33 Abs. 3 lit. a Finanzstrafgesetz ist eine Abgabenverkürzung nach Abs. 1 bewirkt, wenn Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen sind, zu niedrig oder infolge Unkenntnis der Abgabenbehörde von der Entstehung des Abgabenanspruches nicht innerhalb eines Jahres ab dem Ende der gesetzlichen Erklärungsfrist (Anmeldefrist, Anzeigefrist) festgesetzt wurden.

Mit der Bestimmung des § 33 Abs. 3 lit. a leg. cit. wurde durch die mit 1. Jänner 1986 in Kraft getretene Finanzstrafgesetznovelle 1985, BGBl. 571, in den § 33 erstmals eine gesetzliche Regelung eingefügt, die den Zeitpunkt der Vollendung der Abgabenhinterziehung bei Unterbleiben einer bescheidmäßigen Abgabenfestsetzung näher bestimmte (vgl. Plückhahn, Die Finanzstrafgesetznovelle 1985, ÖStZ 1986, Seite 41). Nach § 2 Abs. 1 des Art. II dieser Finanzstrafgesetznovelle war die Neuregelung auch auf früher begangene Taten anzuwenden, wenn die Bestimmungen, die zur Zeit der Tat gegolten haben, für den Täter in ihrer Gesamtauswirkung nicht günstiger waren. Da derartige günstigere Bestimmungen nicht bestanden haben, war der Beschwerdefall auch bezüglich der vorgeworfenen Tatzeiträume vor 1986 auf Grundlage der Bestimmung des § 33 Abs. 3 lit. a Finanzstrafgesetz in der Fassung BGBl. 1985/571 zu beurteilen.

Als Zeitpunkt der Bewirkung der Abgabenverkürzung wird in der genannten Bestimmung ein Jahr nach Ablauf der gesetzlichen Erklärungs-, Anmelde- oder Anzeigefrist festgelegt. Nach § 134 BAO sind u.a. die Erklärungen für die Einkommensteuer bis zum Ende des Monates März jeden Jahres einzureichen. War innerhalb eines Jahres ab dem Ende dieser gesetzlichen Erklärungsfrist das Entstehen des Abgabenanspruches bekannt, so kann die Nichtabgabe einer Steuererklärung - ungeachtet des Umstandes, daß § 33 Abs. 3 FinStrG lediglich eine Legaldefinition des Bewirkens einer Abgabenverkürzung und des Zeitpunktes der technischen Vollendung des Vergehens enthält, nicht aber die Tatbestände der Abgabenhinterziehung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1993, 93/13/0055) - keine strafbare Abgabenverkürzung mehr bewirken (vgl. Sommergruber-Reger, Das Finanzstrafgesetz mit Kommentar, Eisenstadt 1990, S. 234, sowie Plückhahn, a.a.O., S. 41).

Im Beschwerdefall waren die bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben der Einkommensteuer für die Jahre 1982 bis 1986 zwar nicht innerhalb eines Jahres ab Ende der gesetzlichen Erklärungsfrist festgesetzt (für 1987 erfolgte die bescheidmäßige Festsetzung noch "innerhalb dieser Frist" durch die Bescheiderlassung am 25. Jänner 1989). Die bescheidmäßige Festsetzung der Einkommensteuer unterblieb jedoch nicht infolge Unkenntnis der Abgabenbehörde vom Entstehen des Abgabenanspruches. Diese hatte nämlich bereits im Zuge der Mitte März 1984 (somit auch laut Gegenschrift noch innerhalb eines Jahres ab dem Ende der gesetzlichen Erklärungsfrist für die Einkommensteuer 1982) stattgefundenen Betriebsprüfung von der Entstehung des Abgabenanspruches Kenntnis erlangt. Die Geschäftsführerbezüge waren zudem unbestritten aus den Gewerbesteuererklärungen der GesmbH nicht nur dem Grunde, sondern auch der Höhe nach dem Finanzamt bekannt. Nach den Ausführungen in der Gegenschrift erfolgte die verspätete steuerliche Erfassung auch nicht wegen Unkenntnis der Geschäftsführerbezüge seitens der Behörde, sondern wegen als unklar erachteter Rechtslage. Schließlich geht die belangte Behörde in der Gegenschrift selbst davon aus, daß die Veranlagungsleitstelle "Kenntnis der Tat" hatte, bevor sie dem Erstbeschwerdeführer die Erklärungsvordrucke zusandte.

Da bei dieser Sachlage der Tatbestand der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 nicht verwirklicht wurde, erweist sich die erfolgte Einleitung der Finanzstrafverfahren sowohl gegen den Erst- als auch gegen den Zweitbeschwerdeführer als unzulässig.

Aus diesen Erwägungen waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen und das weitere Vorbringen in der Gegenschrift, soweit es auch noch strafbefreiende Selbstanzeige einräumt, einzugehen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff (insbesondere 52 Abs. 1 und 59 Abs. 3) VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1990140114.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten