TE Vwgh Erkenntnis 1994/2/23 93/01/0402

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Veröffentlicht am 23.02.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des G in L, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Dezember 1992, Zl. 4.333.005/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "früheren SFRJ" ist am 8. Februar 1992 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 10. Februar 1992 beantragt, ihm Asyl zu gewähren. Die belangte Behörde hat die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 6. März 1992, mit dem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention, BGBl. Nr. 55/1955, in Verbindung mit dem Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, nicht erfüllt, abgewiesen.

Bei seiner am 8. Februar 1992 erfolgten Einvernahme hatte der Beschwerdeführer als Fluchtgrund angegeben, daß er sein Heimatland wegen der derzeitigen politischen Verhältnisse (Bürgerkrieg) verlassen habe. In der Berufung führte der Beschwerdeführer aus, daß er albanischer Nationalität sei und die Rechte der Albaner im Kosovo durch die serbische Regierung in Belgrad sehr eingeschränkt würden. Er sei als Albaner damit nicht einverstanden und habe an mehreren Demonstrationen gegen die Politik der serbischen Regierung teilgenommen. Er sei als Mitglied der demokratischen Partei sehr aktiv gewesen. Er sei von der serbischen Polizei gesucht worden, weil er bei einer Demonstration in P verbotene Zeitschriften verteilt und verbotene Plakate öffentlich angebracht habe. Bei dieser Demonstration seien ca. 150 Personen festgenommen worden. Er sei von der Polizei einmal verhaftet, geschlagen und mißhandelt worden. Er sei drei Tage in Haft gehalten worden. Nach der Haftentlassung sei er mehrmals von der Polizei aufgesucht worden. Er habe dann einen Einberufungsbefehl erhalten, um in den jugoslawischen Krieg einzurücken. Er habe als Albaner Angst gehabt, nicht mehr zurückzukommen.

Die belangte Behörde wies die Berufung im wesentlichen mit der Begründung ab, daß die in der Ersteinvernahme vorgetragenen Umstände der bürgerkriegsähnlichen Verhältnisse in dem Heimatland des Beschwerdeführers keine konkrete Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 darstellen würden. Derartige Ereignisse seien der Heimsuchung durch eine Naturkatastrophe vergleichbar und nicht als gezielt gegen den Beschwerdeführer gerichtete Repressionshandlungen des Staates zu qualifizieren. Sofern der Beschwerdeführer in der Berufung Beschränkungen aufgrund seiner Volkszugehörigkeit geltend mache, bedeute dies noch nicht eine konkrete Gefahr staatlicher Verfolgung. Das übrige Berufungsvorbringen erachtete die belangte Behörde im Hinblick darauf, daß die Angaben in der Berufung derart weit von den Angaben im erstinstanzlichen Verfahren abwichen und zudem teils allgemein, teils unpräzise und widersprüchlich gehalten seien, als nicht glaubwürdig. Es werde grundsätzlich dem Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren die größere Glaubwürdigkeit beigemessen. Als glaubwürdig könnten Fluchtgründe nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Asylverfahrens unterschiedlich darstelle und wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringe. Ein Sachverhalt sei grundsätzlich dann als glaubwürdig anzuerkennen, wenn der Asylwerber vor den verschiedenen Instanzen im wesentlichen gleichbleibende Angaben mache, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erschienen und erst sehr spät gemachte Aussagen nicht den Schluß aufdrängten, daß sie bloß der Asylerlangung dienen sollten. Im übrigen nahm die belangte Behörde auch zu diesen Berufungsgründen inhaltlich Stellung und vertrat die Auffassung, daß mit ihnen keine Verfolgungsgründe im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 glaubhaft gemacht worden seien.

In der gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde wird die inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich im Recht auf Gewährung von Asyl und auf Durchführung eines den Verwaltungsvorschriften entsprechenden Verfahrens sowie auf richtige Anwendung des Asylgesetzes und des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Da das Verfahren bei der belangten Behörde am 1. Juni 1992 anhängig war, war gemäß § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991 dieses Gesetz anzuwenden.

Der Beschwerdeführer macht geltend, daß ihm von der belangten Behörde nur unzureichend Parteiengehör eingeräumt worden sei. Er habe in der Berufung seine Fluchtgründe nur näher konkretisiert. Die Sachverhaltsdarstellung der Berufung weiche nicht von der erstinstanzlichen niederschriftlichen Befragung ab, sondern er habe den dort genannten Fluchtgrund näher ausgeführt. Die belangte Behörde hätte den Beschwerdeführer Gelegenheit geben müssen, durch Vorlage allfälliger weiterer Beweismittel einen Nachweis für die in der Berufung angeführten Fluchtgründe zu erbringen. Ohne Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens hätte die belangte Behörde in der Sache nicht entscheiden dürfen.

Gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. hat die belangte Behörde grundsätzlich von den Ergebnissen des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens auszugehen. Nur wenn Gründe des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 (u.a. ein offenkundiger Mangel des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens oder die bisher im Verfahren nicht mögliche Vorlage von Bescheinigungsmitteln) vorliegen, ist eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens durch die belangte Behörde geboten. Die belangte Behörde hätte daher gemäß dieser Rechtslage überhaupt nur auf das Berufungsvorbringen eingehen dürfen, wenn eine der Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 leg. cit. vorgelegen wäre.

Wenn sich der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang gegen die - entgegen § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 - vorgenommene Beweiswürdigung des Berufungsvorbringens durch die belangte Behörde wendet, tut er keinen der Gründe des § 20 Abs. 2 leg. cit. dar, insbesondere nicht, daß ein offenkundiger Mangel des Ermittlungsverfahrens vorgelegen sei. Aber auch die bloße Behauptung, es hätte keine Entscheidung allein aufgrund der Aktenlage getroffen werden dürfen, kann nicht das Vorliegen eines der Gründe des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 dartun.

Im Hinblick auf das erstinstanzliche Vorbringen des Beschwerdeführers kann nicht davon die Rede sein, daß hinreichend deutliche Hinweise auf einen Sachverhalt vorlägen, die für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 in Frage kommen. Nur in einem solchen Fall hätte die belangte Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers hinzuwirken gehabt und würde die Unterlassung einer näheren Befragung des Asylwerbers einen offenkundigen Mangel gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 darstellen. Aus § 16 Asylgesetz 1991 kann aber keine Verpflichtung abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 9. September 1993, Zl. 93/01/0768). Aus dem erstinstanzlichen Vorbringen des Beschwerdeführers, daß er "aufgrund der derzeitigen politischen Verhältnisse (Bürgerkrieg)" in seinem Heimatland, "Jugoslawien verlassen habe", ergeben sich keine hinreichend deutlichen Hinweise auf einen asylrechtlich relevanten Verfolgungsgrund. Anzumerken ist, daß bei der Ersteinvernahme des Beschwerdeführers ein Dolmetsch anwesend war und der Beschwerdeführer mit seiner Unterschrift bestätigte, daß er die vom Dolmetsch übersetzte Vernehmung verstanden und nichts hinzuzufügen gehabt habe.

Da somit auch aufgrund der Aktenlage nicht entnommen werden kann, daß eine offenkundige Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens oder ein sonstiger Grund des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 vorgelegen wäre, war die belangte Behörde nicht verhalten, eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen. Sie hatte vielmehr ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen, ohne auf das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Berufung Bedacht zu nehmen.

Der Umstand, daß sich die belangte Behörde - entgegen § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 - auch mit dem Berufungsvorbringen auseinandergesetzt hat, stellt zwar einen Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift dar, der aber im Lichte der maßgeblichen erstinstanzlichen Ergebnisse des Verwaltungsverfahrens nicht wesentlich im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993010402.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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