TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/10 94/19/0514

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Veröffentlicht am 10.03.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §11;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §20;
AVG §37;
AVG §66 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des V in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. April 1993, Zl. 4.319.367/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger "der ehemaligen UdSSR", der am 17. Juli 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 19. Oktober 1991, mit dem festgestellt worden war, bei ihm lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 19. April 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und versagte die Gewährung von Asyl.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist, habe er bei seiner Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 23. Juli 1991 angegeben, von 1977 bis 1985 beim Militär in einer direkt dem KGB unterstellten Abteilung als Diplomingenieur tätig gewesen zu sein; ab 1985 habe er im Zivilberuf gearbeitet. Im Jahre 1991 habe ihm ein Bekannter bei einem Treffen vorgeschlagen, wieder für den KGB zu arbeiten, und ihm, da er dies abgelehnt habe, gedroht, er werde im Oktober, wenn es "mit der derzeitigen Situation in der Sowjetunion vorbei sein werde", verhaftet werden, wenn er nicht für den KGB arbeiten würde. Der Beschwerdeführer müsse, da er infolge seiner Tätigkeit beim Militär für zehn Jahre nicht ausreisen dürfe, bei seiner Rückkehr mit Verhaftung rechnen. In der BRD habe er, weil er die dortige Situation nicht genau gekannt und befürchtet habe, abgeschoben zu werden, nicht um Asyl ansuchen wollen.

In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe der Beschwerdeführer geltend gemacht, es sei ihm erst nach erheblichen Schwierigkeiten gelungen, seinen Dienst in der Nachrichtenabteilung zu quittieren. Es sei ihm hiebei ein über seine Person angelegter Akt mit dem Bemerken präsentiert worden, es gäbe genug Material, um ihn jederzeit für fünf bis zehn Jahre einsperren zu können. Auch seine Frau sei damals bedroht worden. Der Austritt aus dem Militärdienst sei ihm nach einer obligatorischen Untersuchung im Krankenhaus gestattet worden. Durch den Putsch in der Sowjetunion im August 1991, habe er die ihm gegenüber erhobenen Drohungen bestätigt gesehen, weshalb er aus Furcht, vor dem KGB am 10. Juli 1991 die Sowjetunion verlassen habe. Auf Intervention eines Bekannten sei ihm, obwohl er als ehemaliger Militärangehöriger von der Erlangung eines Reisepasses ausgeschlossen gewesen sei, ein solcher ausgestellt worden. Der Beschwerdeführer habe sich dreimal als Tourist in Polen aufgehalten und habe sich erst nach neuerlichen Problemen mit dem KGB zum Verlassen seines Heimatlandes entschlossen. Die Behörden seines Heimatland stellten Nachforschungen über ihn an und würden seinen Aufenthaltsort kennen. Briefe würden geöffnet oder gingen verloren; er müsse Versuche befürchten, ihn durch angeblich von seiner Mutter stammende Telegramme zur Rückkehr zu bewegen.

Die belangte Behörde hat die Geschehnisse im Zusammenhang mit der Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Militärdienst in Übereinstimmung mit der hg. Rechtssprechung (vgl. für viele andere z.B. das hg. Erkenntnis vom 16. September 1993, Zl. 92/01/0716) als für die Beurteilung des Vorliegens von Verfolgungsgefahr zeitlich zu weit zurückliegend erachtet.

Soweit die belangte Behörde die Furcht des Beschwerdeführers vor einem Vorgehen des KGB gegen ihn deshalb als unbegründet wertet, weil diese Organisation am 24. Oktober 1991 aufgelöst worden sei und von ihr ausgehende Aktivitäten nicht mehr dem Staat zugerechnet werden könnten, ist festzuhalten, daß die belangte Behörde es unterlassen hat, diese ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Annahmen dem Parteiengehör zu unterziehen. Der Beschwerdeführer konnte daher, ohne gegen das gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot zu verstoßen, in dieser Hinsicht in der Beschwerde Tatsachenvorbringen erstatten, das in seinen im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Angaben noch nicht enthalten war. Davon hat der Beschwerdeführer auch Gebrauch gemacht und ausgeführt, bei der Auflösung des KGB habe es sich lediglich um eine Umbenennung in "Ministerium für Sicherheit" gehandelt, wobei diese Behörde eine mit der bisherigen völlig idente Tätigkeit ausübe. Dieses Vorbringen mit dem Zusatz, das den Beschwerdeführer als ehemaligen Armeeangehörigen treffende, für zehn Jahre geltende Verbot auszureisen, stelle eine Diskriminierung dar, vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn Beschränkungen der Reisefreiheit sind zu den Vorschriften, die den Aufenthalt im Ausland regeln, zu zählen, aus deren Bestand bzw. aus deren Strafdrohung für den Fall ihrer Übertretung Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) nicht abgeleitet werden kann (vgl. die bei Steiner, Österreichisches Asylrecht, Wien 1990, S. 32, angeführte Judikatur).

Aber auch die mit Drohungen verbundene Aufforderung, für einen Geheimdienst tätig zu werden, stellt nach der ständigen hg. Rechtssprechung keinen Grund im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 dar, der die Annahme des Vorliegens von Verfolgung rechtfertigen könnte (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 1993, Zl. 92/01/1038, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Da es dem Beschwerdeführer somit nicht gelungen ist, Umstände anzuführen, aus denen begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der angeführten Gesetzesstelle abgeleitet werden könnte, hat die belangte Behörde seiner Berufung gegen die Abweisung seines Asylantrages zu Recht keine Folge gegeben. Bei diesem Ergebnis konnte die Frage, ob der Beschwerdeführer bereits in Deutschland vor Verfolgung sicher war, - ungeachtet der vom Beschwerdeführer in der Beschwerde gegen diese ihm im Verwaltungsverfahren nicht vorgehaltene Annahme der belangten Behörde zulässigerweise vorgebrachten Argumente - auf sich beruhen.

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs Verfahrensmangel Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein (siehe auch Angenommener Sachverhalt) Sachverhalt Verfahrensmängel Verhältnis zu anderen Materien und Normen VwGG (siehe auch Heilung von Verfahrensmängeln der Vorinstanz im Berufungsverfahren)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994190514.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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