TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/10 94/19/0828

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Veröffentlicht am 10.03.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des V in L, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. August 1993, Zl. 4.316.884/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein vietnamesischer Staatsangehöriger, der am 6. Juni 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 20. August 1991, mit dem festgestellt worden war, bei ihm lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 23. August 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, denen der Beschwerdeführer nicht entgegentritt, habe er bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 12. Juni 1991 angegeben, in seinem Heimatland Mitglied der kommunistischen Jugendpartei gewesen zu sein, mit der Regierung keine Probleme gehabt zu haben und auch nicht verfolgt worden zu sein. Nach der kommunistischen Machtübernahme habe er sein Studium jedoch abbrechen und Militärdienst in Kambodscha leisten müssen. Sein Bruder sowie sein Vater seien in Umerziehungslager gebracht worden. Es gäbe keine Meinungsfreiheit. Er habe auch seinen Ausbildungsplatz erkaufen müssen und seine Arbeitsbewilligung für die CSFR. Er sei in der ehemaligen CSFR von Jugendlichen angegriffen und verprügelt worden, er habe auch Angst gehabt. Er sei im November 1990 von einer Jugendgruppe beraubt worden, habe jedoch keine Anzeige erstattet, weil dies sinnlos gewesen sei. Sein Arbeitsvertrag sei am 30. April 1991 abgelaufen, sodaß er nach Vietnam hätte zurückkehren müssen, woraufhin er sich zur Flucht nach Österreich entschlossen habe.

In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer darüberhinaus angegeben, er sei während seiner Schulzeit bereits zum Armeedienst einberufen worden und habe versucht, zu flüchten, sei jedoch von der Polizei aufgegriffen und in ein Zwangsarbeitslager gesteckt worden. Dann sei er nochmals zur Armee an die Grenze nach Kambdoscha geschickt worden. Von dort habe er ein zweites Mal einen Fluchtversuch unternommen, sei jedoch wiederum verhaftet und zurückgeschickt worden, wodurch sich seine Dienstzeit verlängert habe. Er habe auch nicht studieren dürfen. Seine Eltern hätten ihm die Flucht aus Vietnam finanziert, er habe jedoch nie Glück gehabt. Durch seine nunmehrige Flucht habe er den Arbeitsvertrag gebrochen, sodaß er als Verräter gelte, bei einer Rückkehr in sein Heimatland habe er mit einer hohen Freiheitsstrafe zu rechnen.

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer entgegengehalten, die Ableistung des Militärdienstes sei im Rahmen der allgemeinen Wehrpflicht für männliche Staatsbürger legitim, die Versendung seiner Angehörigen in ein Zwangsarbeitslager sei nicht gegen ihn selbst gerichtet gewesen, sodaß dieser Umstand im Asylverfahren keine Berücksichtigung habe finden können und auch seine ablehnende Haltung gegen das Freiheiten einschränkende kommunistische Regime könne nicht dazu führen, einem Asylwerber wolhlbegründete Furcht deswegen zuzubilligen. Die Angriffe von Jugendlichen in der ehemaligen CSFR seien auch nicht dem Heimatstaat des Asylwerbers zuzurechnen, asylrechtlich relevante Verfolgung müsse sich jedoch auf den Heimatstaat des Asylwerbers beziehen. Im übrigen erachtete die belangte Behörde die Darstellung des Beschwerdeführers über seine Fluchtgründe als nicht glaubhaft, da zwischen seinen Angaben in beiden Instanzen gravierende Divergenzen, insbesondere im Hinblick auf seine Einlieferung in ein Zwangsarbeitslager sowie hinsichtlich seines angeblichen Ausschlusses vom Studium bestünden.

Soweit der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht, die belangte Behörde sei ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 AsylG 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise daraufhinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen, es wird aber dadurch keine darüberhinausgehende Ermittlungspflicht begründet. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinn der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 AsylG 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretsierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann nicht die Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln.

Gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991, welches Gesetz die belangte Behörde gemäß § 25 Abs. 2 leg. cit. bereits anzuwenden hatte, hatte sie bei Beurteilung der Frage, ob asylrechtlich relevante Verfolgungsgründe glaubhaft gemacht wurden, vom Ermittlungsergebnis des Verfahrens erster Instanz auszugehen. Auch aus dem Vorliegen von Widersprüchen zwischen den Angaben eines Asylwerbers vor der Behörde erster Instanz und den Ausführungen in der Berufung, wie sie die belangte Behörde aufzeigt, allein kann noch nicht abgeleitet werden, daß ein offenkundiger Mangel des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens, der gemäß § 20 Abs. 2 AsylG 1991 zu dessen Ergänzung oder Wiederholung hätte führen müssen, vorliege; dies im Beschwerdefall umso weniger, als der Beschwerdeführer in der Berufung zwar die Beweiswürdigung und die Unvollständigkeit der Wiedergabe seiner Angaben rügt, aber insoweit keine Tatsachen behauptet hat, die asylrelevante Fluchtgründe hätten darstellen können. Der belangten Behörde kann aber nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Fluchtgründe als für die Asylgewährung nicht ausreichend erachtet hat. Insoweit der Beschwerdeführer nämlich auf Ereignisse zurückgreift, die vor seiner Ausreise in die ehemalige CSFR liegen, ist ihm zu entgegnen, daß diese zeitlich so weit zurückliegen, daß daraus begründete Furcht vor Verfolgung nicht mehr abgeleitet werden kann, ganz davon abgesehen, daß die von ihm geschilderten Vorfälle allein noch nicht bedeuten würden, daß aus objektiver Sicht ein Aufenthalt in seinem Heimatland für ihn unerträglich wäre.

Daß der Beschwerdeführer auf Grund der bereits gemachten Erfahrungen in seinem Heimatland die Befürchtung hegt, in ein Zwangsarbeits( = Umerziehungs)lager zu kommen, rechtfertigt für sich allein ebensowenig seine Anerkennung als Konventionsflüchtling, weil es sich dabei um eine bloße Vermutung des Beschwerdeführers handelt, die als solche keine wohlbegründete Furcht im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 hervorzurufen geeignet ist.

Zutreffend hat auch die belangte Behörde darauf verwiesen, daß die vom Beschwerdeführer geschilderten Vorfälle in der ehemaligen CSFR zur Begründung seines Asylansuchens nicht tauglich erscheinen, weil sie seinem Heimatstaat, nämlich Vietnam, nicht zurechenbar sind. Wenn der Beschwerdeführer letztlich befürchtet, als "Verräter" zur Verantwortung gezogen zu werden, weil er seinen am 30. April 1991 ausgelaufenen Arbeitsvertrag, in dem offenbar eine Rückkehrverpflichtung vereinbart war, "gebrochen" habe, so spricht er damit Tatbestände der "Republikflucht", nach Art. 85 oder 89 des Vietnamesischen Strafgesetzbuches als Motivation für seine allfällige Verfolgung im Falle der nunmehrigen Rcükkehr in sein Heimatland an. Allerdings läßt sich daraus für seinen Standpunkt schon deshalb nichts gewinnen, weil in der Befürchtung, wegen Übertretung den Aufenthalt Vietnamesischer Staatsbürger im Ausland regelnder Vorschriften bestraft zu werden, ebenfalls kein Fluchtgrund im Sinn der Genfer Konvention erblickt werden kann (vgl. u.a. auch hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1992, Zlen. 92/01/0463 und 0464 sowie das bereits zitierte Erkenntnis vom 9. September 1993, Zl. 92/01/1014).

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Damit aber erübrigte sich auch eine Entscheidung des Berichters über den Antrag des Beschwerdeführers, der Beschwerde aufschiebende Wirkung im Sinn des § 30 Abs. 2 VwGG zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994190828.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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