TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/15 92/11/0230

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Veröffentlicht am 15.03.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §1 Abs4;
KFG 1967 §2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des N in Z, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 11. September 1992, Zl. 427.390/4-IV/2/92, betreffend Feststellung gemäß § 1 Abs. 4 KFG 1967 (mitbeteiligte Partei: B in F, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in Z), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr (der belangten Behörde) vom 11. September 1992 wurde über Antrag des Bezirksgerichtes Z vom 11. März 1992 gemäß § 1 Abs. 4 KFG 1967 festgestellt, daß ein näher bezeichneter Raupenbagger, mit dem es am 17. März 1989 auf der Brandbergstraße zu einem Unfall mit Sachschaden gekommen sei, im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Unfall als Kraftfahrzeug im Sinne des KFG 1967 gelte.

1.2. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Mitbeteiligte habe eine näher bezeichnete Versicherungsgesellschaft und den Beschwerdeführer als Halter des Raupenbaggers auf Ersatz des Schadens geklagt, den er an seinem PKW bei einem Unfall am 17. März 1989 auf der Brandbergstraße erlitten habe. Das Bezirksgericht Z habe mit Schreiben vom 11. März 1992 an die belangte Behörde das Ersuchen gestellt, gemäß § 1 Abs. 4 KFG 1967 darüber zu entscheiden, ob der gegenständliche Bagger als Kraftfahrzeug im Sinne des KFG 1967 zu gelten habe.

Nach § 2 Z. 1 KFG 1967 gebe es zwei Möglichkeiten, ein Fahrzeug als Kraftfahrzeug im Sinne dieser Bestimmung anzusehen, nämlich einerseits, wenn es sich um ein zur Verwendung auf Straßen bestimmtes Fahrzeug handle, und andererseits, wenn es auf Straßen tatsächlich verwendet werde. Der Bagger sei nach seiner Ausrüstung nicht zur Verwendung auf Straßen mit öffentlichem Verkehr bestimmt. Da sich aus dem Prozeßakt des Bezirksgerichtes Z ergebe, daß sich der Unfall, an dem der als Baufahrzeug eingesetzte Raupenbagger beteiligt gewesen sei, auf der Brandbergstraße ereignet habe und dies eine Straße mit öffentlichem Verkehr sei, ergebe sich, daß der Raupenbagger nach dem Willen seines Besitzers auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr Verwendung gefunden habe, weshalb er im vorliegenden Fall als Kraftfahrzeug gelte.

2. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde und der Mitbeteiligte haben Gegenschriften mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde eingebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

3. Vorweg war zu prüfen, ob die Befugnis der belangten Behörde, über den Antrag des Bezirksgerichtes Z gemäß § 1 Abs. 4 KFG 1967 zu entscheiden, durch die Änderung der Rechtslage weggefallen ist. § 1 Abs. 4 KFG 1967 wurde durch Art. IV Z. 1 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 452/1992 mit 1. August 1992 (siehe Art. XIII Abs. 1 leg. cit.) aufgehoben, doch sind zufolge der Übergangsbestimmung des Art. XII Abs. 2 leg. cit. - abgesehen von den hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen des Abs. 1 - die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängigen Verwaltungsverfahren nach den bisherigen Verwaltungsvorschriften weiterzuführen. Da das Ersuchen des Bezirksgerichtes Z bereits am 18. März 1992 bei der belangten Behörde eingelangt ist, hatte sie aufgrund der genannten Übergangsvorschriften § 1 Abs. 4 KFG 1967 weiter anzuwenden.

4.1. § 1 Abs. 4 KFG 1967 lautete wie folgt:

"Ist die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichtes von der Vorfrage abhängig, ob ein Fahrzeug als Kraftfahrzeug oder als Anhänger oder eine Type von Fahrzeugen als Type von Kraftfahrzeugen oder Anhängern im Sinne dieses Bundesgesetzes zu gelten hat, so ist das Verfahren zu unterbrechen und die Entscheidung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr hierüber einzuholen. Dies gilt jedoch nicht für den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof."

Gemäß § 2 Z. 1 KFG 1967 gilt als Kraftfahrzeug ein zur Verwendung auf Straßen bestimmtes oder auf Straßen verwendetes Fahrzeug, das durch technisch freigemachte Energie angetrieben wird und nicht an Gleise gebunden ist, auch wenn seine Antriebsenergie Oberleitungen entnommen wird.

4.2. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des KFG 1967 (186 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des NR XI. GP, S. 70) findet sich zu § 1 Abs. 4 der Hinweis auf die Vorgängerbestimmung des § 1 Abs. 3 Kraftfahrgesetz 1955 und auf die Unzulässigkeit der Einholung einer solchen Entscheidung bei genehmigten Fahrzeugen oder Typen sowie eine Begründung dafür, warum die Bestimmung für den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof nicht gelten soll.

Zum Begriff des Kraftfahrzeuges nach § 2 Z. 1 wird folgendes ausgeführt:

"Die Merkmale des Kraftfahrzeuges sollen in erster Linie sein: Der Antrieb durch technisch freigemachte Energie, das nicht an Gleise Gebundensein und die Bestimmung zur Verwendung auf Straßen. Es sollen aber auch mit technisch freigemachter Energie angetriebene, nicht an Gleise gebundene Fahrzeuge, die an sich nicht zur Verwendung auf Straßen bestimmt sind, als Kraftfahrzeuge gelten, wenn und solange sie tatsächlich auf der Straße verwendet werden. Dies wird bei zahlreichen selbstfahrenden Arbeitsmaschinen von Bedeutung sein. Das Kraftfahrgesetz 1955 versteht hingegen unter Kraftfahrzeugen nur "Straßenfahrzeuge, die durch Maschinenkraft angetrieben werden und nicht an Gleise gebunden sind". Der Ausdruck "Maschinenkraft" ist nicht eindeutig und wurde daher präzisiert. Der vorletzte Satz des § 1 Abs. 2 des Kraftfahrgesetzes 1955 besagt widersprüchlich, daß es auch Oberleitungskraftfahrzeuge gibt, die nicht Kraftfahrzeuge sind, und wurde daher berichtigt."

5.1. Im § 1 Abs. 1 erster Satz des Kraftfahrgesetzes 1946 wurden Kraftfahrzeuge im Sinne des Gesetzes als Straßenfahrzeuge, die zum Antrieb durch Maschinenkraft eingerichtet und nicht an Gleise gebunden sind, definiert.

Nach § 1 Abs. 1 letzter Satz der Kraftfahrverordnung 1947 konnte die Behörde zur Feststellung, ob ein Fahrzeug als Kraftfahrzeug im Sinne dieser Verordnung anzusehen ist, dessen Überprüfung nach den Bestimmungen dieser Verordnung veranlassen.

5.2. Nach § 1 Abs. 2 des Kraftfahrgesetzes 1955 waren Kraftfahrzeuge Straßenfahrzeuge, die durch Maschinenkraft angetrieben werden und nicht an Gleise gebunden sind. Oberleitungskraftfahrzeuge (§ 73), die zur Entnahme ihrer Antriebskraft nach Art der Straßenbahnen an Oberleitungen gebunden sind, waren Kraftfahrzeuge. Motorfahrräder (§ 79) galten nicht als Kraftfahrzeuge.

§ 1 Abs. 3 Kraftfahrgesetz 1955 lautete wie folgt:

"Ist die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichtes von der Vorfrage abhängig, ob ein Fahrzeug als Kraftfahrzeug zu gelten hat, so ist das Verfahren zu unterbrechen und die Entscheidung des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau hierüber einzuholen."

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Kraftfahrgesetzes 1955 (470 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des NR VII. GP, S. 34) führen zu § 1 Abs. 3 aus, daß die Frage, ob ein Fahrzeug als Kraftfahrzeug zu gelten habe, sowohl im Einzelfall, vor allem aber für die sich daraus ergebenden Folgerungen, von größter Bedeutung sein könne; deshalb solle die Entscheidung darüber dem Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau zukommen.

6. Die unter Punkt 4. und 5. wiedergegebenen Bestimmungen und Gesetzesmaterialien zeigen, daß die Regelung des § 1 Abs. 4 KFG 1967 auf die Vorgängerbestimmung des § 1 Abs. 3 KFG 1955 zurückgeht und daß es zu dieser Bestimmung deshalb gekommen ist, weil dem für kraftfahrrechtliche Angelegenheiten zuständigen Bundesminister - aufgrund des ihm zur Verfügung stehenden Apparates - besondere Sachkunde bei der Beurteilung, ob ein Kraftfahrzeug vorliege, zugebilligt wurde, wobei zu berücksichtigen ist, daß diese Frage damals allein nach technischen Kriterien zu beantworten war.

In § 2 Abs. 1 KFG 1967 wurde der Begriff des Kraftfahrzeuges insofern ausgeweitet, als auch solche mit technisch freigemachter Energie angetriebene, nicht an Gleise gebundene Fahrzeuge, die an sich nicht zur Verwendung auf Straßen bestimmt sind, als Kraftfahrzeuge gelten, wenn und solange sie tatsächlich auf der Straße verwendet werden. Es wurde somit der Begriff des Kraftfahrzeuges auf jene Fälle ausgedehnt, in denen ein nach seiner technischen Ausrüstung nicht zur Verwendung auf Straßen bestimmtes Fahrzeug auf Straßen verwendet wird, offensichtlich jedoch ohne dabei auf die im § 1 Abs. 4 KFG 1967 enthaltene Regelung Bedacht zu nehmen. Der zuständige Bundesminister ist nämlich in keiner Weise besonders für Feststellungen darüber qualifiziert, ob, wann und wo ein Fahrzeug verwendet wurde. Wie der vorliegende Fall deutlich zeigt, ist dazu das örtlich zuständige Gericht aufgrund der unmittelbaren Beweisaufnahme in öffentlicher mündlicher Verhandlung besser geeignet.

7. Die Untersuchung zeigt somit, daß der Wortlaut des § 1 Abs. 4 KFG 1967 über den Zweck dieser Norm hinausgeht, weshalb diese im Wege der Auslegung "teleologisch zu reduzieren" ist (vgl. dazu F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, zweite Auflage, Seite 480 f).

Der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr hat demnach seine Entscheidung ausschließlich auf die Frage zu beschränken, ob es sich um ein Kraftfahrzeug im Sinne des 1. Falles des § 2 Z. 1 KFG 1967 (d.h. ein zur Verwendung auf Straßen BESTIMMTES Fahrzeug) handelt (in gleichem Sinne offenbar Grundtner/Stratil, KFG4 (1992), § 1 KFG Anmerkung 9 Abs. 3).

8. Da die belangte Behörde nach dem Gesagten die Rechtslage verkannt hat, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. An Stempelgebührenersatz konnten dem Beschwerdeführer nur S 420,-- (S 360,-- Eingabengebühr für die Beschwerde und S 60,-- Beilagengebühr für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zuerkannt werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992110230.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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