TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/17 92/06/0263

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Veröffentlicht am 17.03.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §37;
AVG §40;
AVG §62;
AVG §67f;
AVG §67g;
StVO 1960 §1 Abs1;
StVO 1960 §1;
StVO 1960 §89a Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des UVS in Tirol vom 23. Oktober 1992, Zl. 11/135-9/1992, betreffend Verletzung des Tiroler Straßengesetzes in Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (weitere Partei: Gemeinderat der Gemeinde S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in I), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenbegehren der weiteren Partei wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war Eigentümer einer Grundfläche im Ausmaß von 109 m2 im Gebiet der Gemeinde S (kurz: Gemeinde) (Vorplatz bzw. Parkfläche zwischen dem Hotelgebäude des Beschwerdeführers und der angrenzenden Wegparzelle "W-Weg"), die mit dem am 31. Juli 1992 zugestellten Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 29. Juli 1992 zugunsten der Gemeinde rechtskräftig enteignet wurde. Zur näheren Vorgeschichte wird diesbezüglich auf das am heutigen Tage ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, Zl. 92/06/0155, verwiesen, dem auch der nähere Sachverhalt entnommen werden kann.

In der am 6. August 1992 bei der belangten Behörde eingelangten Beschwerde brachte der Beschwerdeführer vor, am 5. August 1992 seien von Hilfskräften der Gemeinde unter Zuziehung von Gendarmeriebeamten im Auftrag des Bürgermeisters in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt von jener Grundfläche (die sich in seinem Alleineigentum und in seinem ruhigen Besitz befunden habe) ein Jeep sowie mehrere Blumentröge entfernt, auch sei eine darauf errichtete Natursteinmauer samt Schaukasten zerstört worden (wird näher ausgeführt); er beantrage, diese Vorgangsweise für rechtswidrig zu erklären und der Gemeinde aufzutragen, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen.

Die Gemeinde bestritt und brachte (mit näherer Begründung) vor, ihre Vorgangsweise sei rechtmäßig gewesen.

In der Verhandlung vom 23. Oktober 1992 modifizierte der Beschwerdeführer sein Begehren hinsichtlich der Zerstörung der Natursteinmauer und des Schaukastens dahin, daß es auf die Unterbrechung der Stromzufuhr zum Schaukasten "eingeschränkt" werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde 1. die Beschwerde (wohl zu ergänzen: soweit sie nicht modifiziert wurde) als unbegründet abgewiesen und hat 2. den Antrag vom 23. Oktober 1992, die Unterbrechung der Stromzufuhr zum Schaukasten als rechtswidrig zu erklären, als unzulässig zurückgewiesen, weil die sechswöchige Beschwerdefrist, gerechnet ab 5. August 1992, verstrichen sei.

Begründend führte die belangte Behörde aus, es sei mit rechtskräftigem Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 28. Jänner 1992 festgestellt worden, daß die mit Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde vom 2. Dezember 1991 in den W-Weg einbezogene streitgegenständliche Teilfläche Bestandteil des Gemeindeweges (W-Weg) sei. Weiters sei festgestellt worden, daß der Gemeingebrauch bis zum Erwerb (bzw. Enteignung) der Teilfläche und Besitzübergabe nicht ausgeübt werden könne.

Nach Wiedergabe des Inhaltes des Enteignungsbescheides vom 29. Juli 1992 führte die belangte Behörde weiter aus, daß dieser Enteignungsbescheid mit seiner Zustellung am 31. Juli 1992 in Rechtskraft erwachsen sei, weil dagegen keine Berufung zulässig sei. Die darin zuerkannte Entschädigungssumme sei am 4. August 1992 gerichtlich hinterlegt worden. Gemäß § 75 Abs. 3 des Tiroler Straßengesetzes 1989 (TStrG 1989) seien der Bürgermeister bzw. der Gemeinderat Behörde hinsichtlich der Gemeindestraßen. Gemäß § 71 Abs. 3 TStrG 1989 erwerbe der Enteigner mit dem Eintritt der Rechtskraft des Enteignungsbescheides das ihm damit eingeräumte Recht bzw. es trete damit die darin ausgesprochene Einschränkung oder Entziehung von Rechten des Enteigneten ein. Im Anlaßfall bedeute dies, daß die Gemeinde Sölden durch jenen Enteignungsbescheid das Eigentum an der enteigneten Grundfläche erworben und mit dessen Zustellung das daran bestandene Eigentum des Beschwerdeführers untergegangen sei. Damit sei eine Verletzung eines Eigentumsrechtes des Beschwerdeführers hinsichtlich dieser Teilfläche zu verneinen.

Gemäß § 94 d Z 15 StVO 1960 falle die Entfernung von Hindernissen auf öffentlichen Verkehrsflächen (§ 89 a StVO) in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde. Gemäß § 89 a Abs. 2 StVO 1960 habe die Behörde die Entfernung des Gegenstandes ohne weiteres Verfahren zu veranlassen, wenn durch einen Gegenstand auf der Straße, insbesondere durch ein stehendes Fahrzeug, möge es betriebsfähig oder nicht betriebsfähig sein, durch Schutt, Baumaterial, Hausrat oder dergleichen der Verkehr beeinträchtigt werde. Gemäß § 89 a Abs. 2 a StVO 1960 sei eine Verkehrsbeeinträchtigung im Sinne des Abs. 2 insbesondere dann gegeben, wenn der Lenker eines Fahrzeuges am Vorbeifahren oder Wegfahren gehindert sei. Auszugehen sei davon, daß der W-Weg durch die vom Beschwerdeführer aufgestellten Blumentröge an der engsten Stelle auf unter 2,5 m Breite eingeschränkt gewesen sei. Gemäß § 4 Abs. 6 KFG 1967 dürften mehrspurige Kraftfahrzeuge und Anhänger eine Breite bis 2,50 m aufweisen. Durch diese Einschränkung auf unter 2,50 m sei somit ein Vorbeifahren mit Kraftfahrzeugen mit dieser höchstzulässigen Breite tatsächlich unmöglich gewesen. Es sei als erwiesen anzusehen, daß der auf jener Grundfläche abgestellte Jeep des Beschwerdeführers am 5. August 1992 nicht entfernt, sondern ca. einen halben Meter vom W-Weg in Richtung Grundstück des Beschwerdeführers zurückgeschoben worden sei. Dieser Jeep - ein nicht zum Verkehr zugelassenes Kraftfahrzeug - befinde sich laut Bericht des zuständigen Gendarmeriepostens vom 15. Oktober 1992 nach wie vor an Ort und Stelle. Das Verschieben eines Kraftfahrzeuges um ca. einen halben Meter stelle keine Entfernung im Sinne des § 89 a Abs. 2 StV0 1960 dar. Damit sei hinsichtlich dieses Beschwerdepunktes der Beschwerde ein Erfolg zu versagen gewesen.

Zu einer Entfernung der Natursteinmauer samt darauf befindlichem Schaukasten sei es am 5. August 1992 nicht gekommen. Der auf der Natursteinmauer befindliche Schaukasten sei lediglich von der Stromversorgung abgetrennt worden. Derartiges sei aber in der eingebrachten Beschwerde nicht als Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gerügt worden, sodaß der Antrag vom 23. Oktober 1992 (der modifizierte Antrag) wegen abgelaufener Beschwerdefrist zurückzuweisen gewesen sei.

Das Entfernen der Blumentröge sei entsprechend der Bestimmung des § 89 a Abs. 2 und Abs. 2 a StVO 1960 erfolgt. Diese Maßnahme habe wegen der damit verbundenen Beeinträchtigung des Verkehrs ohne weiteres Verfahren zu erfolgen gehabt. Das Entfernen der Blumentröge sei dadurch gesetzlich gedeckt, weshalb keine Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Bestimmung des § 71 Abs. 8 TStrG 1989 vorliege. Das in jener Bestimmung vorgesehene Verwaltungsvollstreckungsverfahren zur Herstellung des dem Enteignungsbescheid entsprechenden Zustandes sei bei dieser Entfernung nicht zum Tragen gekommen, weil § 89 a Abs. 2 StV0 die Entfernung von Gegenständen auf der Straße, die den Verkehr beeinträchtigten, ohne weiteres Verfahren vorsehe. Demnach sei die Beschwerde als unbegründet abzuweisen gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt. Sowohl die belangte Behörde, als auch die Gemeinde haben Gegenschriften erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Vermutung des Beschwerdeführers, daß die belangte Behörde ihre Entscheidung schon vor der mündlichen Verhandlung getroffen (dh. den Bescheid schon vor der mündlichen Verhandlung schriftlich vorbereitet) und diesen dann vorgelesen habe, womit die ganze mündliche Verhandlung nur noch zum Schein durchgeführt worden sei, ist schon deshalb unzutreffend, weil im Bescheid auf die Ergebnisse der Verhandlung eingegangen wird (etwa auf die Beschwerdemodifikation). Der Umstand, daß als Ergebnis einer eingehenden Vorbereitung auf die Verhandlung schon vorher ein schriftliches Konzept erarbeitet wird, erleichtert die mündliche Verkündung der Entscheidung bzw. die Einarbeitung allfälliger Ergänzungen und macht die Entscheidung an sich nicht rechtswidrig. Die weiteren Ausführungen des Beschwerdeführers in diesem Zusammenhang sind teils unschlüssig, teils unzutreffend. Seiner Annahme, die Wertung der belangten Behörde, das Verschieben eines Kraftfahrzeuges um ca. einen halben Meter stelle keine Entfernung im Sinne der StVO dar, sei eine aktenwidrige Feststellung, ist entgegenzuhalten, daß es sich dabei um eine rechtliche Beurteilung handelt. In der Verhandlung vor der belangten Behörde vom 23. Oktober 1992 hat der Verhandlungsleiter bekanntgegeben, der Vizebürgermeister der Gemeinde habe unter anderem mitgeteilt, daß jener Jeep von seinem Abstellort nicht entfernt, sondern etwa einen halben Meter vom W-Weg in Richtung Grundstück des Beschwerdeführers geschoben worden sei, wo er weiterhin stehe. Der Beschwerdeführer ließ diese Mitteilung ausdrücklich unbestritten. Richtig ist, daß sowohl der Beschwerdeführer, als auch der Bürgermeister bei ihren Einvernahmen am 23. Oktober angegeben haben, daß dieser Jeep aufgebockt abgestellt gewesen sei. Sofern der Beschwerdeführer nun in der Beschwerde vorbringt, es sei "praktisch unmöglich, ein Fahrzeug ohne Räder wegzuschieben", ohne zu sagen, was denn mit dem Fahrzeug seiner Meinung nach tatsächlich geschehen sei, vermag er weder aufzuzeigen, daß das Fahrzeug tatsächlich nicht verschoben worden wäre, noch überhaupt, welche FESTSTELLUNGEN die belangte Behörde denn als Ergebnis eines mängelfreien Ermittlungsverfahrens hätte treffen sollen und vermag damit auch jedenfalls keine für das Ergebnis des Verfahrens wesentliche Mangelhaftigkeit aufzuzeigen.

Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung des Tiroler Straßengesetzes 1989 in Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt geltend. Die Maßnahme war aber nicht rechtswidrig, wenn sie (allenfalls: nur) nach anderen Rechtsnormen rechtens war.

Die belangte Behörde hat sich (auch) auf die Bestimmungen der StVO gestützt. Nach ihrem § 1 Abs. 1 gilt sie "für Straßen mit öffentlichem Verkehr"; als solche gelten Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können. Der Beschwerdeführer steht auf dem Standpunkt, daß es sich bei der streitgegenständlichen Fläche nicht um eine Verkehrsfläche mit "öffentlichem Verkehr" im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO handle, weil sie als Hotelparkplatz verwendet worden sei. Sie sei eindeutig durch Bodenmarkierungen und durch eine gut sichtbare, von ihm selbst aufgestellte Verbotstafel als Privatbesitz gekennzeichnet. Zudem habe er noch zumindest ein Fahrzeug auf Dauer derartig geparkt (gemeint ist offensichtlich jener Jeep), daß von einer rechtmäßigen Benützung durch fremde Verkehrsteilnehmer niemals gesprochen werden könne. Die belangte Behörde habe demnach die diesbezüglichen Beweisanträge rechtsirrig abgewiesen.

Damit vermag aber der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen, daß es sich dabei nicht um eine Straße mit öffentlichem Verkehr handle, denn ein Gasthausparkplatz steht - selbst bei Anbringung eines Schildes mit dem Hinweis "Parkplatz nur für Gäste" oder dergleichen - der Öffentlichkeit insoweit zur allgemeinen Verfügung, als grundsätzlich jedermann "Gast" des Gasthauses werden und als solcher den Parkplatz benützen kann (siehe dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1990, Zl. 90/02/0094, 0095, vom 31. Oktober 1990, Zl. 90/02/0123, vom 29. Jänner 1992, Zl. 91/02/0090, oder auch vom 25. März 1992, Zl. 92/02/0091). Für die Wertung einer Fläche als Straße nach der StVO kommt es auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund nicht an (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1983, Zl. 83/02/0103 u. a.).

Die belangte Behörde hat demnach eine diesbezügliche Beweisaufnahme zutreffend unterlassen und ist ohne Rechtsirrtum davon ausgegangen, daß es sich bei der gegenständlichen Fläche um eine Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO handelte. Davon ausgehend, hat sie auch zutreffend erkannt, daß die Entfernung der behindernden Gegenstände im Sinne des § 89 a Abs. 2 StV0 gerechtfertigt war. Ein "Entfernen" im Sinne dieser Gesetzesbestimmung liegt dann vor, wenn es zur Folge hat, daß das Hindernis den Verkehr nicht mehr beeinträchtigt (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Dezember 1987, Zl. 86/18/0190). Daher war der (wie auch immer bewirkte) "Verschub" des Jeeps, der in den W-Weg hereinragte (siehe die Skizze der Gendarmerie, die in der Verhandlung erörtert wurde) um einen halben Meter (sodaß nun in diesem Bereich die Breite der Straße nicht mehr eingeschränkt war - siehe abermals die Skizze und die Erläuterungen der Gendarmerie) ein - gerechtfertigtes - "Entfernen" im Sinne des § 89 a StV0 (das "Hereinragen" dieses Fahrzeuges tritt im übrigen auch auf den dem Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdeverfahren Zl. 92/06/0155 vorliegenden Lichtbildern deutlich zutage).

Hinsichtlich der noch streitgegenständlichen Unterbrechung der Stromzufuhr an diesem Schaukasten ist die belangte Behörde zutreffend von einer Verfristung ausgegangen. Der Beschwerdeführer führt diesbezüglich auch nichts aus.

Demnach war die Beschwerde gemäß § 42 Abs.1 VwGG als unbegründet abzuweisen, ohne daß auf die Frage der Vollstreckung von Enteignungsbescheiden (§ 71 Abs. 8 TStrG 1989) einzugehen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Kostenersatzbegehren der weiteren Partei (§ 21 Abs. 1 VwGG) war abzuweisen, weil das Gesetz einen derartigen Kostenersatzanspruch (anders als bei mitbeteiligten Parteien) nicht vorsieht.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung Vorweggenommene antizipative Beweiswürdigung Straße mit öffentlichem Verkehr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992060263.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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