Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des O in A, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in A, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Juli 1993, Zl. 4.327.286/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, der am 28. Oktober 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 4. Dezember 1991, mit dem festgestellt worden war, bei ihm lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 8. Juli 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Nach den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist, habe er bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 20. November 1991 angegeben, sein Vater sei im Jahre 1985 zum Sportdirektor der Region X bestellt und in der Folge sehr reich geworden. Er habe neue Autos und ein Haus gekauft sowie illegal Geld nach London transferiert, wobei dem Beschwerdeführer nicht bekannt sei, ob sein Vater auf legale Weise in den Besitz des Geldes gelangt sei. Feinde und Neider hätten den Vater des Beschwerdeführers beschuldigt, sein Amt zur persönlichen Bereicherung auszunutzen, worauf 1991 sein Haus beschlagnahmt, gegen ihn ein Verfahren eingeleitet, er vom Dienst suspendiert und unter Hausarrest gestellt worden sei. Am 30. September 1991 habe der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr von einem Kirchenbesuch vor dem Haus eine große Menschenmenge angetroffen; ein Bekannter habe ihm mitgeteilt, daß seine Eltern geflüchtet seien. Dem Beschwerdeführer sei klar gewesen, daß die Polizei ihn deswegen festnehmen werde, weshalb er sich zur Flucht entschlossen habe. Sein Onkel habe ihm Geld gegeben und ihn nach Lagos geschickt, von wo er Anfang Oktober (1991) an Stelle seines Cousins unter Verwendung dessen Reisepasses und dessen Flugtickets nach Sofia geflogen sei.
In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer im wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen bekräftigt. In einem Schreiben vom 23. März 1992 habe der Beschwerdeführer ergänzend vorgebracht, seine dem Edo-Stamm angehörende Familie, sei wegen ihres katholischen Glaubens ständigen Anfeindungen der herrschenden moslemischen Mehrheit ausgesetzt gewesen. Sein Vater habe eine wichtige Rolle in der Kirche gespielt und sei mit dem Bischof der katholischen Diözese von Benin befreundet gewesen. Als Christ sei er, nachdem es ihm gelungen sei, eine hohe Position aufzubauen, in wachsende Schwierigkeiten mit den Moslems geraten, die im September 1991 in einer regelrechten Kampagne gegen ihn gegipfelt hätten. Die aufgehetzten Moslems hätten Unterschriften gesammelt und eine Petition verfaßt, auf Grund der er unter Hausarrest gestellt und vom Dienst suspendiert worden sei. Am 23. September 1991 sei im Fernsehen der Rücktritt seines Vaters angekündigt worden und am nächsten Tag seien sein Vater und seine Mutter von Soldaten zur Befragung dem Militärgericht vorgeführt worden. Von da an hätten die Eltern des Beschwerdeführers jeden Tag vor diesem Gericht erscheinen müssen und seien jeweils erst am Nachmittag zurückgekehrt. Bei dem Vorfall im Zusammenhang mit der Flucht seiner Eltern habe ein christlicher Polizeibeamter den Beschwerdeführer gewarnt, weiterzugehen und ihn von der Flucht seiner Eltern informiert. Der Beschwerdeführer habe daraufhin das Haus nicht betreten und sich bei seinem Onkel versteckt gehalten. Als einziges für die Polizei greifbares Mitglied seiner Familie habe für den Beschwerdeführer die Gefahr bestanden, wegen der politischen Gesinnung und der religiösen Überzeugung seiner Familie verfolgt zu werden, wogegen ihm sein Heimatstaat keinen Schutz biete. Mit Schreiben vom 15. April 1992 habe der Beschwerdeführer eine eidesstattliche Erklärung des Bischofs der Diözese Benin-Stadt vorgelegt, aus dem Verfolgung des Beschwerdeführers und seiner Familie aus religiösen Gründen hervorgehe.
Die belangte Behörde - die im Beschwerdefall das Asylgesetz 1991 anzuwenden hatte, weil das Verfahren bei ihr am 1. Juni 1992 bereits anhängig war (§ 25 Abs. 2 leg. cit.) - hat der Berufung des Beschwerdeführers deshalb keine Folge gegeben, weil aus dem von ihm dargestellten behördlichen Vorgehen gegen seinen Vater wegen allgemein strafbarer Handlungen gegen den Beschwerdeführer gerichtete, von staatlichen Stellen ausgehende oder von diesen geduldete Verfolgung aus den in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) angeführten Gründen nicht abgeleitet werden könne. Insbesondere könnten nur solche Benachteiligungen, die sich gegen einen Asylwerber persönlich richteten, als Verfolgung angesehen werden, nicht aber solche, denen lediglich Angehörige eines Asylwerbers ausgesetzt seien. Dieser Argumentation der belangten Behörde ist unter Zugrundelegung des vom Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragenen Sachverhaltes beizupflichten, weil sich aus diesem nicht ergibt, daß der Beschwerdeführer selbst staatlicher oder vom Staat geduldeter Verfolgung aus in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 angeführten Gründen ausgesetzt gewesen wäre.
Soweit die belangte Behörde auch auf das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers eingegangen ist, war sie dazu gemäß § 20 Abs. 1 VwGG, demzufolge die belangte Behörde ihrer Entscheidung grundsätzlich das Ergebnis des Ermittlungsverfahren der Behörde erster Instanz - es sei denn, es läge einer der Gründe des Abs. 2 dieses Paragraphen vor, was im Beschwerdefall aber zu verneinen ist - zugrunde zu legen hat, nicht berechtigt. Da die belangte Behörde aus diesem Eingehen auf das Berufungsvorbringen aber keine Schlüsse im Hinblick auf das erstinstanzliche Vorbringen des Beschwerdeführers gezogen hat, kann er durch diese Vorgangsweise der belangten Behörde in keinem Recht verletzt sein.
Soweit der Beschwerdeführer betont, aus dem Umstand, daß ein Staatsbediensteter ihm bei seinem Eintreffen nach dem Kirchgang dringend zur Flucht geraten habe, sei ersichtlich, daß dieser über dem Beschwerdeführer drohende Repressalien informiert gewesen sein müsse, macht er mit diesem Vorbringen ebenso wie mit seiner Behauptung, in seinem Heimatland würden einer Sippenhaftung ähnliche strafrechtliche Haftungen konstruiert, Umstände geltend, die er der unwidersprochen gebliebenen Darstellung seiner Angaben im Verwaltungsverfahren erst im Berufungsverfahren vorgetragen hat, auf die einzugehen der belangten Behörde zufolge der angeführten Regelung des § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 verwehrt war.
Wenn der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist ihm entgegenzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführer vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, war die belangte Behörde, da ein offenkundiger Mangel des Ermittlungsverfahren der Behörde erster Instanz nicht hervorgekommen und vom Beschwerdeführer in seiner Berufung auch nicht geltend gemacht wurde, nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen.
Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994190831.X00Im RIS seit
20.11.2000