TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/24 92/16/0133

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Veröffentlicht am 24.03.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
35/02 Zollgesetz;

Norm

ABGB §1062;
ABGB §957;
VwRallg;
ZollG 1988 §174 Abs3 lite Z1;
ZollG 1988 §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde des K in R, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 16. Juni 1992, Zl. 6-1/P 22/1/2/1992/H, betreffend Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Zollausland wohnhafte P.H. brachte die Armbanduhr "Ebel" als Reisegut eingangsabgabenfrei nach Österreich ein. Der Beschwerdeführer übernahm diese Uhr im Inland und verwendete sie, ohne die Voraussetzungen für die Zollbegünstigung zu erfüllen. Anläßlich einer Zollabfertigung stellte das Zollamt Schärding am 7. Juni 1988 fest, daß der Beschwerdeführer die Uhr mit sich führte.

Im angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde die Abgabenfestsetzung durch den Bescheid des Zollamtes Schärding vom 23. Oktober 1991 in Höhe von S 1.120,-- Zoll und S 5.824,-- Einfuhrumsatzsteuer (samt Säumniszuschlag S 139,--). Der Beschwerdeführer habe durch den unbestrittenen Gebrauch den Tatbestand des § 174 Abs. 3 lit. e Z. 1 ZollG 1988 erfüllt. Das Wort "übernimmt" in dieser Bestimmung habe auch die Bedeutung, "sich zu eigen machen, um etwas zu verwenden" und sei nicht ausschließlich - wie es der Beschwerdeführer versteht - im Sinne des Wortes "erwerben = kaufen" zu verstehen. Das Tragen der Uhr entspreche einer Übernahme um zu verwenden und sei nicht mehr als eine schlichte Verwahrung anzusehen.

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer insofern in seinen Rechten verletzt, als ihm zu Unrecht Eingangsabgaben und ein Säumniszuschlag vorgeschrieben worden sei. Er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten

und die Gegenschrift der belangten Behörde vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 1 ZollG 1988 (idF der Novelle

BGBl. Nr. 663/1987; im folgenden: ZollG) ist in der Einfuhr Zollfreiheit zu gewähren für Waren, die im Zollausland wohnhafte Reisende (im folgenden: Begünstigter) zum eigenen Verbrauch oder vorübergehend zu ihrem persönlichen Gebrauch oder zur Ausübung ihres Berufes während der Reise in das Zollgebiet einbringen oder die ihnen zu diesen Zwecken voraus- oder nachgesandt werden. Das Reisegut muß nicht gebraucht, jedoch dem Stande und den persönlichen Verhältnissen des Reisenden angemessen sein, ferner nach Menge, Art und Beschaffenheit dem Zweck der Reise und der Dauer der Reisebewegung entsprechen.

Gemäß § 174 Abs. 3 lit. e Z. 1 ZollG entsteht die Zollschuld kraft Gesetzes für den, der von einem Begünstigten zollbegünstigte Waren übernimmt, ohne die Voraussetzungen für die Gewährung der Zollbegünstigung zu erfüllen, obwohl ihm diese bekannt oder nur infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war.

Objektive Voraussetzung des Entstehens der Zollschuld ist also, daß ein anderer vom Begünstigten zollbegünstigte Waren übernimmt, ohne daß für ihn diese Begünstigung gilt.

Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer die Begünstigung nach § 34 Abs. 1 ZollG nicht in Anspruch nehmen kann; Streit besteht lediglich darüber, ob sein Verhalten als "Übernehmen" gemäß § 174 Abs. 3 lit. e Z. 1 ZollG zu qualifizieren ist oder nicht.

Allein unter Bedachtnahme auf den Sprachgebrauch läßt sich der Begriffsinhalt nicht klären. "Übernehmen" kann sowohl "von jemandem an sich nehmen, in Empfang, Obhut, Verwaltung nehmen", als auch "sich zu eigen machen" bedeuten

(vgl. Brockhaus-Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 6. Band, 1984). Aber auch eine Bedachtnahme darauf, wie in anderen Gesetzen der Begriff "Übernahme" verwendet wird, hilft nicht weiter. Wohl verpflichtet z.B. § 1062 ABGB den Käufer, die Sache zu ÜBERNEHMEN; andererseits entsteht z.B. gemäß § 957 ABGB ein Verwahrungsvertrag, wenn jemand eine fremde Sache in Obhut ÜBERNIMMT. Dies zeigt, daß der Begriff "Übernahme" nicht geeignet ist, das weitere rechtliche Schicksal der Sache in irgendeiner Weise zu bestimmen: Der Übernehmer kann je nach Lage des Falles Erwerber, also neuer Eigentümer, Benützer, aber auch schlichter Verwahrer werden.

Die gegenständliche Uhr war bei Grenzübertritt deshalb begünstigt, weil die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 Zollgesetz gegeben waren. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, daß die Sache dem eigenen Verbrauch bzw. vorübergehend dem Gebrauch oder der Berufsausübung durch den Reisenden während der Reise dient. § 34 Abs. 1 ZollG gewährt Abgabenfreiheit aber nicht nur solange der Reisende die Ware bei sich trägt; die Begünstigung ist auch gegeben, wenn die Ware dem Reisenden voraus- oder nachgesandt wird. Umgekehrt geht die Begünstigung auch nicht verloren, wenn ein im Inland Wohnhafter (im folgenden vereinfacht: Inländer) die (vergessene oder verlorene) Ware dem bereits abgereisten Begünstigten nicht nur nachschickt, sondern auch persönlich überbringt. Der Begünstigungstatbestand wird auch dann erfüllt sein, wenn der Reisende das Reisegut, weil er in kürzester Zeit zurückkommen wird, einem Inländer zur Verwahrung überläßt bzw. wenn der Inländer eine vom Begünstigten bei ihm vergessene Ware bis zu dessen baldiger Rückkehr aufbewahrt.

Unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 34 Abs. 1 ZollG wird also jedes Handeln des Inländers in bezug auf die Sache nicht als Übernahme im Sinne der zitierten Gesetzesstelle anzunehmen sein, welches darauf gerichtet ist, daß der Reisende sein Reisegut bestimmungsgemäß gebrauchen kann bzw. es wieder zurückerhält.

Übernimmt aber jemand die Sache, um sie in einer Weise zu gebrauchen, die in keiner Zweckverbindung mit dem persönlichen Gebrauch der Sache durch den Reisenden steht, also insbesondere, um sie für sich selbst zu benützen, dann ist der Begünstigungszusammenhang aufgehoben, wonach für den Benützer die Zollschuld kraft Gesetzes entsteht. Ein Reisender, der die Sache einem Inländer in diesem Sinn zur Benützung überläßt, verletzt seine Verpflichtung (§ 174 Abs. 3 lit. d Z. 2 ZollG) zum persönlichen Gebrauch der Sache im Sinne des § 34 Abs. 1 ZollG; insoferne ist den Erläuternden Bemerkungen (323 BlgNR XVII GP.) zu folgen, wonach es nicht einzusehen sei, daß nur der Begünstigte Zollschuldner durch Verletzung dieser Verpflichtung wird, der Übernehmer aber nicht. Soweit die Erläuternden Bemerkungen, denen keine Gesetzeskraft zukommt, nur den Erwerb durch den Übernehmer im Auge haben, kann damit die Absicht des Gesetzgebers, auch den zollschuldrechtlich zu erfassen, dem aus der "Übernahme" ein Vorteil erwächst, nicht erreicht werden.

Zusammenfassend ergibt sich also, daß eine "Übernahme", die lediglich der Sicherung des Reisegutes für den Reisenden dient, zu keiner Zollschuld kraft Gesetzes führt; eine "Übernahme" zum Gebrauch oder Erwerb der Sache durch den Zollinländer aber objektiv den Tatbestand des § 174 Abs. 3 lit. e Z. 1 ZollG erfüllt.

Der Beschwerdeführer hat selbst angegeben, daß er wußte, daß der Begünstigte P.H. diese Uhr im Reiseverkehr eingebracht und anläßlich seines Aufenthaltes vergessen habe. Damit kannte der Beschwerdeführer die Voraussetzung, unter welcher dem P.H. eine Zollbegünstigung gewährt wurde. Allein darauf bezieht sich das subjektive Tatbestandsmerkmal "bekannt oder nur infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt" im § 174 Abs. 3 lit. e Z. 1 ZollG; ob sich der Beschwerdeführer in einem Rechtsirrtum (gemeint wohl: im Sinne des § 9 FinStrG) befunden hat, ist für das Entstehen der Abgabenschuld unerheblich.

Zur Beurteilung dieser Tatbestandskomponente reichten die Angaben des Beschwerdeführers aus; nicht einmal in der Beschwerde behauptet er, P.H. habe die Uhr bei seiner Einreise verzollt oder der Beschwerdeführer habe Grund zur Annahme gehabt, die Uhr sei eine solche des freien inländischen Verkehrs. Somit liegt auch die gerügte Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht vor.

Der Beschwerde war daher insgesamt ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 5. März 1991, BGBl. Nr. 104.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992160133.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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