TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/24 92/16/0103

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Veröffentlicht am 24.03.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

BAO §235;
BAO §236 Abs1;
BAO §236;
BAO §237 Abs1;
BAO §237;
BAO §6 Abs1;
GrEStG 1955 §17 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde der P-AG in X, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 24. April 1992, Zl. B 36-6/92, betreffend Nachsicht von Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 3. März 1989 hat das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Graz (in der Folge: Finanzamt) dem Erwerber der von der Beschwerdeführerin mit notariellem Kaufvertrag vom 17. November 1982 veräußerten Liegenschaft wegen Aufgabe des begünstigten Zweckes gemäß § 4 Abs. 2 GrEStG 1955 Grunderwerbsteuer in der Höhe von S 1,040.000,-- vorgeschrieben. Da nach den Erhebungen des Finanzamtes die Einbringungsmöglichkeit der Abgabe beim Erwerber völlig aussichtslos war, hat das Finanzamt mit Bescheid vom 15. Jänner 1990 der Beschwerdeführerin als Gesamtschuldnerin neben dem Erwerber der Liegenschaft die Grunderwerbsteuer vorgeschrieben. Mit dem im Instanzenzug ergangen Bescheid der belangten Behörde vom 15. Februar 1991 wurde diese Abgabenvorschreibung rechtskräftig.

In ihrem Antrag auf Entlassung aus der Gesamtschuld nach § 237 BAO vom 22. Februar 1990 machte die Beschwerdeführerin im wesentlichen geltend, die zunächst erfolgte Befreiung des Liegenschaftserwerbs nach den Bestimmungen des Steiermärkischen Landwirtschaftlichen Siedlungsgesetzes 1969 sei zu Unrecht erfolgt, weil das der Entscheidung zugrundeliegende Erkenntnis des Landesagrarsenates beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung vom 28. Februar 1984 an mit Nichtigkeit bedrohten Fehlern leide. Auf Anregung der belangten Behörde wäre diese Entscheidung aufgehoben worden und die Einbringlichkeit der Grunderwerbsteuer beim Erwerber wäre im Jahre 1984 noch gegeben gewesen. Ein ganz atypischer und von der Beschwerdeführerin völlig unverschuldeter Ereignisablauf habe zu der Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin geführt, die keine Rückgriffsmöglichkeit habe. Dazu komme, daß der Liegenschaftsverkauf im Jahre 1982 im Zuge eines Verkaufs der gesamten Waldbesitzungen der Beschwerdeführerin erfolgt sei, um deren drohende Insolvenz verbunden mit der Gefährdung von

1.500 Arbeitsplätzen abzuwenden. Von Bedeutung sei insbesondere, daß in diesem Kausalverlauf ein zweimaliges Unterlassen der gebotenen Interpellation bei den "agrarverfahrensrechtlichen Oberbehörden" durch die Finanzbehörden eine conditio sine qua non für die nunmehrige Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin gebildet habe.

Mit Bescheid vom 25. Juni 1990 wies das Finanzamt den genannten Antrag der Beschwerdeführerin ab.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 14. Mai 1991 wies die belangte Behörde die gegen den Bescheid vom 25. Juni 1990 eingebrachte Berufung als unbegründet ab und führte - soweit nunmehr im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch von Relevanz - aus, der Vorwurf, die Behörde habe es unterlassen, die Überprüfung des Erkenntnisses des Agrarsenates beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung zu beantragen, sei unbegründet. Der Finanzbehörde könne weder an der dem Erwerber der Liegenschaft nach § 4 Abs. 1 Z. 4 lit. a GrEStG 1955 vorläufig zuerkannten Grunderwerbsteuerbefreiung, noch am späteren Wegfall des begünstigten Zweckes durch den Weiterverkauf der Liegenschaft ein Verschulden angelastet werden. Die Heranziehung der Beschwerdeführerin als Gesamtschuldnerin für die Grunderwerbsteuer sei eine Auswirkung der allgemein gültigen Norm des § 17 GrEStG 1955, wonach Käufer und Verkäufer eines Grundstückes als Gesamtschuldner die Grunderwerbsteuer schuldeten und von der Abgabenbehörde im Rahmen des im § 20 BAO umschriebenen Ermessensspielraumes zur Steuerleistung herangezogen werden könnten. Die Heranziehung der Beschwerdeführerin zur Bezahlung der Grunderwerbsteuer für den Fall, daß diese dem Erwerber, auch wenn sich dieser vertraglich zur Übernahme verpflichtet habe, uneinbringlich geworden sei, werde vom Gesetzgeber nicht nur in Kauf genommen, sondern sei sogar beabsichtigt, weil in diesem Fall ein Ermessensspielraum für die Abgabenbehörde nicht mehr bestehe. Eine tatbestandsmäßige Unbilligkeit des Einzelfalles liege somit nicht vor. Die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuld beim Erwerber der Liegenschaft führe zu keinem atypischen Vermögenseingriff bei der Beschwerdeführerin, weil diese übersehe, daß auch sie Schuldnerin der Abgabe sei und das zwischen Verkäufer und Käufer bestehende Gesamtschuldverhältnis nicht durch eine vertragliche Vereinbarung ausgeschlossen werden könne. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich ihrer schlechten wirtschaftlichen Lage im Jahre 1982 gehe ins Leere. Für die Beurteilung eines Nachsichtsansuchens seien die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung maßgebend. Die Beschwerdeführerin bringe vor, sie könne den Betrag von S 1,040.000,-- nicht aus eigenen Mitteln aufbringen. Sowohl im Jahre 1988 als auch im Jahre 1989 habe die Beschwerdeführerin einen Reingewinn von über S 48 Millionen erwirtschaftet und in beiden Jahren eine Dividende in der Höhe von S 48 Millionen ausgeschüttet. Das inländische Rohvermögen der Beschwerdeführerin zum 1.1.1990 betrage

ca. S 1,9 Milliarden, diesem Vermögen stünden Schulden in der Höhe von ca. S 1 Milliarde gegenüber. Angesichts dieser Einkommens- und Vermögensverhältnisse könne die belangte Behörde eine Unbilligkeit in der Einhebung der Grunderwerbsteuer in der Höhe von S 1,040.000,-- nicht erkennen. Hinsichtlich der zukünftigen umfangreichen Investitionen für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und für Umweltschutzmaßnahmen habe die Beschwerdeführerin konkrete Vorbringen bzw. Beweisanbote nicht erbracht. Sie habe somit die ihr im Nachsichtsverfahren obliegende Behauptungs- und Beweispflicht nicht erfüllt. Der Antrag der Beschwerdeführerin, sie gemäß § 237 BAO aus der Gesamtschuld zu entlassen, habe daher aus Rechtsgründen abgewiesen werden müssen.

Auch dieser Bescheid vom 14. Mai 1991 ist in Rechtskraft erwachsen die Abgabenschuld wurde von der Beschwerdeführerin entrichtet.

Mit der Eingabe vom 11. Juli 1991 beantragte die Beschwerdeführerin die Nachsicht der Abgabenschuld nach § 236 BAO. Neben den bereits im Antrag auf Entlassung aus der Gesamtschuld enthaltenen Argumenten brachte die Beschwerdeführerin nunmehr die Verschlechterung der wirtschaftlichen Entwicklung der Papierindustrie und die Höhe der Kosten für Umweltauflagen vor, die die Beschwerdeführerin in eine existenzbedrohende Finanzlage gebracht hätten. Der Liegenschaftsverkauf habe wegen dieser existenzbedrohenden Finanzlage vorgenommen werden müssen, weil zu diesem Zeitpunkt das Grundkapital einschließlich offener Rücklagen von zusammen S 346 Millionen durch Verluste von S 345 Millionen aufgebraucht gewesen sei. Die Illiquidität mit allen rechtlichen Folgen sei nur durch den Abverkauf der letzten noch entbehrlichen Reserven (Forstgrundstücke) vermieden worden. Weiters machte die Beschwerdeführerin geltend, das Aufleben der Grunderwerbsteuer durch den Weiterverkauf des Grundstückes sei durch den Erwerber der Liegenschaft im Jahre 1986 bewußt herbeigeführt worden. Der Erwerber der Liegenschaft habe nämlich unmittelbar nach Erlangen der Grunderwerbsteuerfreiheit Handlungen gesetzt, die eindeutig zum Aufleben der Grunderwerbsteuer geführt hätten. Diese Handlungen hätten in umfangreichen Schlägerungen und in der Zugrunderichtung der forstlichen Aufschließungswege etc. bestanden, wodurch die Basis für die Lebensfähigkeit eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes zerstört worden sei. Ein schwerer Verkehrsunfall im Jahre 1988 habe schließlich zur Zahlungsunfähigkeit und zu erfolglosen Exekutionen des Finanzamtes gegen den Erwerber der Liegenschaft geführt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 24. Februar 1992 wies die belangte Behörde die Berufung gegen den den Antrag nach § 236 BAO abweisenden Bescheid des Finanzamtes vom 27. November 1991 als unbegründet ab und führte aus, da die Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten das Erlöschen des Abgabenanspruches zur Folge habe und sie im Falle des Vorliegens eines Gesamtschuldverhältnisses zwangsläufig allen Schuldnern zugute käme, dürfe eine Nachsicht nur erteilt werden, wenn die Nachsichtsvoraussetzungen bei allen Mitschuldnern vorlägen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es Sache des Nachsichtswerbers, einwandfrei und unter Ausschluß jeglicher Zweifel das Vorliegen jener Umstände darzulegen, auf die die Nachsicht gestützt werden könne. Im Hinblick auf diese Behauptungs- und Beweislast habe die Beschwerdeführerin zumindest zu behaupten, daß die Einhebung der Abgabe auch bei den übrigen Gesamtschuldnern unbillig wäre. Die Beschwerdeführerin habe im gesamten Nachsichtsverfahren nicht behauptet, daß die Einhebung der Grunderwerbsteuer bei dem Erwerber der Liegenschaft zu einer Unbilligkeit führen würde. Bereits aus diesem Grund sei die Berufung als unbegründet abzuweisen. Darüberhinaus werde jedoch ausgeführt, insoweit die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Nachsichtsverfahren ihr Vorbringen im Verfahren nach § 237 BAO betreffend die Entlassung aus der Gesamtschuld wiederhole, werde auf die Ausführungen in der Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom 14. Mai 1991 verwiesen. Im Hinblick auf den im Geschäftsjahr 1991 entstandenen Verlust von

S 254,1 Millionen könne die Einhebung der Grunderwerbsteuer als unbillig bezeichnet werden. Dennoch erachte die belangte Behörde im Rahmen des ihr zustehenden freien Ermessens eine Nachsicht nicht für zweckmäßig. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes rechtfertige eine drohende Existenzgefährdung nur dann eine Nachsicht nach § 236 BAO, wenn die wirtschaftliche Existenz gerade durch die Entrichtung der betreffenden Abgabe gefährdet sei, sodaß mit der Abgabennachsicht die Existenzgefährdung abgewendet werden könnte. Angesichts des für das Jahr 1991 erwirtschafteten Verlustes von S 254,1 Millionen und der für die kommenden Jahre zu erwartetenden jährlichen Betriebsverluste von rund

S 300 Millionen erscheine die Rückerstattung der entrichteten Grunderwerbsteuer nicht geeignet, eine ins Gewicht fallende Stabilisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin zu bewirken. Da ihr die Behauptungs- und Beweislast im Nachsichtsverfahren obliege, wäre es auch ihre Sache gewesen, nicht nur auf die derzeitigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Papierindustrie im allgemeinen sowie der Beschwerdeführerin im besonderen hinzuweisen, sondern auch aufzuzeigen, inwieweit eine Nachsicht der bereits entrichteten Grunderwerbsteuerschuld in der Höhe von S 1,040.000,-- geeignet gewesen wäre, die in den Raum gestellte Existenzgefährdung des Unternehmens abzuwenden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Gewährung einer Abgabennachsicht nach § 236 BAO sowie in der Mißachtung der Offizialmaxime, Verletzung des Rechtes auf Parteiengehör, Verletzung der der Behörde obliegenden Begründungspflicht und Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Abs. 1 findet gemäß Abs. 2 leg. cit. auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung. Ein solcher Antrag ist nur innerhalb der Frist des § 238 zulässig.

Auf Antrag eines Gesamtschuldners kann dieser gemäß § 237 Abs. 1 BAO aus der Gesamtschuld ganz oder zum Teil entlassen werden, wenn die Einhebung der Abgabenschuld bei diesem nach der Lage des Falles unbillig wäre. Durch die Verfügung wird der Abgabenanspruch gegen die übrigen Gesamtschuldner nicht berührt.

Bescheide über Nachsichtsansuchen erwachsen in Rechtskraft, sodaß der Sachverhalt, der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung konkretisiert und maßgebend war, nicht nochmals einer bescheidmäßigen verwaltungsbehördlichen Maßnahme zugänglich ist. Wurde sohin über ein Nachsichtsansuchen bereits bescheidmäßig rechtskräftig abgesprochen, so kann bei Gleichbleiben der Verhältnisse keine nochmalige Sachentscheidung ergehen, weil einer solchen die Rechtskraftwirkung des Erstbescheides entgegenstünde. Werden im nochmaligen Nachsichtsansuchen geänderte tatsächliche Verhältnisse nicht geltend gemacht, so müßte dieses mit Rücksicht auf die Rechtskraft des Erstbescheides zurückgewiesen werden (Reeger-Stoll, Bundesabgabenordnung, 780 und 781).

Billigkeitsgründe des § 236 BAO sind - der Wortlaut der Bestimmung der §§ 236 und 237 BAO ist insofern gleichlautend - jedenfalls auch die Billigkeitsgründe des § 237 BAO. Darüberhinaus können bei § 237 BAO weitere Billigkeitsgründe bestehen, die nur bei dem antragstellenden Gesamtschuldner (arg.: "bei diesem") gegeben sind. Wurde daher der Antrag eines Gesamtschuldners nach § 237 BAO rechtskräftig abgewiesen, bleibt bei unverändertem Sachverhalt kein Raum mehr für eine Entscheidung über einen nach § 236 BAO gestellten Antrag dieses Gesamtschuldners.

Die Beschwerdeführerin hat nach rechtskräftiger Abweisung ihres Antrages auf Entlassung aus der Gesamtschuld nach § 237 BAO in dem Antrag auf Nachsicht der Abgabenschuldigkeiten nach § 236 BAO neben den bereits im erstgenannten Antrag vorgebrachten Argumenten neue Umstände, insbesondere ihre in der Zwischenzeit eingetretene existenzbedrohende Finanzlage, geltend gemacht. Die belangte Behörde hat daher mit Recht den Antrag zunächst in Behandlung genommen und nicht bereits wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Eine einem Abgabenschuldner gewährte Nachsicht hat gemäß § 236 BAO iVm § 235 BAO das Erlöschen des Abgabenanspruches zur Folge und schließt daher jede weitere Geltendmachung dieses Anspruches und damit auch jede Geltendmachung von Haftungen für die Abgabenschuld aus. Die Nachsicht einer Abgabenschuld kommt allen Solidarschuldnern (Mitschuldnern, Haftenden) zugute. Eine Nachsicht nach § 236 BAO darf sohin einem Gesamtschuldner nur dann erteilt werden, wenn die Billigkeitsgründe bei allen Mitschuldnern gegeben sind (vgl. hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1992, Zl. 91/16/0075, 0076). Ein Nachsichtswerber muß im Hinblick auf die der Abgabenbehörde im Falle eines - im konkreten Fall auf Grund des § 17 Z. 4 GrEStG 1955 iVm § 6 Abs. 1 BAO gegebenen - Gesamtschuldverhältnisses obliegende Begründungspflicht, ob die Nachsichtsvoraussetzungen bei allen Mitschuldnern gegeben sind oder nicht, der Abgabenbehörde gegenüber zunächst behaupten, daß die Einhebung der Abgabe auch bei den übrigen Gesamtschuldnern unbillig wäre

(vgl. hg. Erkenntnis vom 18. Jännner 1990, Zl. 89/16/0102).

Die belangte Behörde ist im Recht, wenn sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausführt, die Beschwerdeführerin habe im gesamten Nachsichtsverfahren nicht einmal behauptet, daß die Einhebung beim weiteren Gesamtschuldner, dem Erwerber der Liegenschaft, unbillig sei. Das Schwergewicht der Behauptungs- und Beweislast liegt im Nachsichtsverfahren beim Nachsichtswerber. Es ist dabei nicht Sache der Behörde, den noch dazu anwaltlich vertretenen Nachsichtswerber von Amts wegen anzuleiten, welche Behauptungen er im Nachsichtsverfahren aufzustellen hat. Da die Beschwerdeführerin im vorliegenden Nachsichtsverfahren nicht einmal behauptet hat, es wäre auch eine solchen Unbilligkeit beim weiteren Gesamtschuldner gegeben, war die Behörde nicht verhalten, das allfällige Vorliegen einer solchen Unbilligkeit beim weiteren Gesamtschuldner zu prüfen. Daß die Einhebung der Abgabe beim Erwerber der Liegenschaft aussichtslos war, ist aktenkundig. Bei dem in diesem Zusammenhang erhobenen Vorwurf der Aktenwidrigkeit verkennt die Beschwerdeführerin allerdings, daß Aussichtslosigkeit der Einbringung nicht mit Vorliegen von Billigkeitsgründen gleichzusetzen ist. Auch dann, wenn eine Einbringungsmaßnahme aussichtslos ist - dies kann unter den Voraussetzungen des § 235 BAO zur Abschreibung führen - bedeutet dies keineswegs, daß damit schon die Voraussetzungen des § 236 BAO vorliegen. Der Vorwurf der Aktenwidrigkeit ist daher nicht berechtigt.

Aus den angeführten Gründen war somit, da die Beschwerdeführerin nicht einmal behauptet hat, daß die Einbringung der Abgaben auch beim Erwerber der Liegenschaft unbillig ist, das Schicksal der Berufung entschieden. Aber auch der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde bleibt schon deshalb ein Erfolg versagt, weil die belangte Behörde mit Recht schon aus diesem Grund den Antrag auf Nachsicht der Abgaben nach § 236 BAO abwies.

Nur als "obiter dictum" hat die belangte Behörde in ihrer Begründung weiters skizziert, daß selbst dann, wenn von einer Unbilligkeit beim Erwerber der Liegenschaft ausgegangen worden wäre, der Berufung deswegen ein Erfolg versagt geblieben wäre, weil die Beschwerdeführerin es auch unterlassen hat, aufzuzeigen, inwieweit eine Nachsicht der bereits entrichteten Grunderwerbsteuerschuld geeignet gewesen wäre, die in den Raum gestellte Existenzgefährdung des Unternehmens abzuwenden. Dabei ist die belangte Behörde zutreffend davon ausgegangen, daß für die Beurteilung des Nachsichtsansuchens nicht jene Vermögens- und Einkommensverhältnisse relevant sind, die zum Zeitpunkt der Festsetzung der Abgabenschuld bestanden haben, sondern vielmehr die wirtschaftliche Lage bei der Entscheidung über das Nachsichtsansuchen maßgeblich ist (vgl. hg. Erkenntnis vom 18. September 1991, Zl. 91/13/0023). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hg. Erkenntnisse vom 6. Februar 1990, Zl. 89/14/0285, und vom 25. Juni 1990, Zl 89/15/0100) kann die Gefährdung der Existenz des Unternehmes eine Unbilligkeit im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO darstellen. Eine solche Unbilligkeit ist jedoch nicht zu unterstellen, wenn sich - z.B. in Anbetracht der Höhe der Überschuldung - an der Existenzgefährdung des Unternehmens nichts ändert, gleichgültig, ob die fraglichen Abgabenschuldigkeiten eingehoben oder nachgesehen werden. Vielmehr muß die wirtschaftliche Existenz gerade durch die Einbringung der gegenständlichen Abgaben gefährdet sein. Stehen Abgabenschuldigkeiten von ca. S 1 Million einer weit höheren Überschuldung gegenüber, so läßt dies durchaus die Aussage zu, daß die begehrte Abgabennachsicht keinen Sanierungseffekt herbeiführen könnte (vgl. hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1989, Zl. 89/14/0196).

Daß die belangte Behörde diese im vorliegenden Fall ebenfalls zu einer Abweisung der beantragten Nachsicht führenden Umstände nicht ausführlicher begründet hat, kann ihr schon deshalb nicht mit Erfolg angelastet werden, weil Verfahrensmängel nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn diesen Wesentlichkeit zukommt. Eine solche Wesentlichkeit der behaupteten Verfahrensmängel konnte die Beschwerdeführerin weder in der Beschwerde aufzeigen, noch ist eine solche dem Administrativverfahren zu entnehmen. Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992160103.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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