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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vositzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des K in A, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Juni 1993, Zl. 4.321.943/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Juni 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen Ghanas, der am 26. August 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 12. September 1991, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft abgewiesen. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 11. September 1991 im wesentlichen vorgebracht, er sei seit 1960 Mitglied der größten Oppositionspartei von Ghana, der "PNP (Peoples National Partei = Nationale Volkspartei)". Er habe jedoch keine "politischen Probleme" gehabt und sei auch nicht wegen seiner Rasse oder Zugehörigkeit zu einer Minderheit oder Volksgruppe verfolgt worden. Auch habe er seine Religion frei ausüben können. Vielmehr sei er beschuldigt worden, ein kriminelles Delikt begangen zu haben, weshalb er von der Polizei gesucht worden sei. Im August 1990 hätte nämlich ein Mann, vermutlich ein Moslem, eine Kirche in Koforidua "angezündet", und es seien daher die Gottesdienste in der folgenden Zeit in privaten Häusern abgehalten worden. "Zwei Wochen später" seien drei Polizisten in ein Haus gekommen, in dem soeben ein Gottesdienst stattgefunden habe. Sie hätten dem Beschwerdeführer und weiteren Personen befohlen, ihnen zu folgen. Es sei zu einem Kampf mit den Polizisten gekommen und sieben Personen, unter ihnen der Beschwerdeführer, seien festgenommen und zwei Wochen hindurch in Polizeiarrest in Koforidua angehalten worden. Der Beschwerdeführer sei zur Strafe für den Kampf mit Strom gefoltert worden. Ein Polizist, der den Beschwerdeführer persönlich gekannt habe, habe ihm jedoch die Flucht ermöglicht.
In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid hat der Beschwerdeführer kein weiteres Vorbringen erstattet, sondern lediglich gerügt, daß er nicht als Flüchtling anerkannt worden sei und um eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt ersucht.
Über Veranlassung der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer am 28. Jänner 1992 durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg neuerlich einvernommen. Er gab dabei im wesentlichen an, von 1988 bis zu seiner Flucht im Jahre 1990 bei der Oppositionspartei von Ghana (PNP) Mitglied ohne Funktion gewesen zu sein. Unterlagen hierüber könne er (noch) nicht vorlegen, er habe aber seinen Bruder gebeten, ihm diese zu schicken. Die Mitglieder der PNP würden sich nach Gottesdiensten zu gemeinsamen Gesprächen über caritative Ziele treffen. Die "weißen Machthaber in Ghana" stünden jedoch jeglicher Versammlung schwarzer Menschen mit Mißtrauen gegenüber, da sie um ihre politische Vorherrschaft fürchteten. Es sei aber von der PNP das weiße Regmie niemals politisch angegriffen worden. Vielmehr handle es sich um eine christliche Vereinigung schwarzer Menschen. Die Polizei habe irrtümlich angenommen, daß es sich bei der Versammlung im August 1990 um eine politische gehandelt habe, obwohl es in Wahrheit eine religiöse Versammlung gewesen sei. Sie hätte nicht in der Kirche in Koforidua abgehalten werden können, da diese zwei Wochen zuvor von unbekannten Tätern abgebrannt worden sei. Während dieser Versammlung seien plötzlich fünf uniformierte Polizisten in das Haus gestürmt und hätten begonnen auf den Redner einzuschlagen. Der Beschwerdeführer und sechs weitere Parteimitglieder hätten dem Redner zu Hilfe kommen wollen, woraus sich ein Kampf mit den Polizisten entwickelt habe. Der Redner, der Beschwerdeführer und die sechs weiteren Parteimitglieder seien anschließend festgenommen und zur Polizeistation in Koforidua gebracht worden, wo der Beschwerdeführer eine Woche im Gefängnis verwahrt worden sei. Während dieser Haft sei er zweimal über den Besitz von Waffen und zwar unter Einsatz elektrischer Schlagstöcke vernommen worden. So seien ihm am gesamten Körper Elektroschläge versetzt worden, von denen ihm aber keine Narben geblieben seien. Auch könne er kein ärztliches Attest darüber vorlegen. Am achten Tag seiner Haft hätte der Beschwerdeführer vor Gericht gestellt werden sollen - er habe allerdings flüchten können. Den Grund für seine Festnahme bzw. die gegen ihn erhobene Anklage habe er nie in Erfahrung bringen können. Er nehme jedoch an, daß es sich dabei um "Widerstand gegen die Staatsgewalt" gehandelt habe. Es sei in Ghana nicht verboten, die Religion auszuüben, und es seien auch die Versammlungen der PNP grundsätzlich erlaubt. Es dürften diese Versammlungen aber nur in Gotteshäusern abgehalten werden, was - wie gesagt - im August 1990 wegen der Brandstiftung in der Kirche von Koforidua nicht möglich gewesen sei. Wegen seiner religiösen bzw. politischen Tätigkeit sei der Beschwerdeführer vorher niemals verfolgt worden. Auch sei er nicht vorbestraft.
Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung im wesentlichen damit begründet, das durchgeführte Ermittlungsverfahren habe nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer "Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes" sei, wohl aber, daß er "unter Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention" falle. Zunächst seien nämlich die Angaben des Beschwerdeführers wegen der darin aufscheinenden Divergenzen, wegen des Umstandes, daß der Beschwerdeführer sein Heimatland erst vier Monate nach seiner Flucht aus dem Gefängnis legal verlassen habe, sowie wegen des Umstandes, daß er sich bei der Botschaft Ghanas in Libyen den Reisepaß habe verlängern lassen, "insgesamt absolut unglaubwürdig". Selbst unter der Annahme der Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers würde damit jedoch noch kein Sachverhalt dargetan, der einem der in der Genfer Konvention genannten Fluchttatbestände subsumierbar wäre. Auch die Behörden eines "fiktiven idealen staatlichen Gebildes" des Kulturkreises des Beschwerdeführers wären aufgrund des Vorliegens eines "Verdachtes von Brandstiftung und/oder wegen Verletzung versammlungsrechtlicher Vorschriften bzw. wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt und/oder illegalen Waffenbesitzes in gleicher oder sehr ähnlicher Weise" gegen den Beschwerdeführer vorgegangen. Selbst zu Unrecht erhobene Strafvorwürfe könnten für sich genommen noch nicht die Annahme eines politischen Aspektes des Verfahrens begründen. Vielmehr sei es dem Betroffenen auch in diesem Falle zuzumuten, "sich wie jeder Staatsbürger wie in jedem anderen Staat" dem Gericht zu stellen und die erhobenen Vorwürfe zu entkräften. Schließlich ergebe sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, daß er sich, indem er seinen Reisepaß bei der Botschaft Ghanas in Tripolis habe verlängern lassen, freiwillig unter den Schutz seines Heimatlandes begeben habe, sodaß die Gewährung von Asyl gemäß § 2 Abs. 2 Z. 1 AsylG 1991 auch dann ausgeschlossen wäre, wenn festgestellt hätte werden können, daß er Flüchtling im Sinne des AsylG 1991 sei.
Dem hält der Beschwerdeführer im wesentlichen entgegen, die belangte Behörde hätte nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens zur Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft kommen müssen. Wenn die belangte Behörde nämlich feststelle, daß als Grund für die Divergenzen in den beiden Aussagen des Beschwerdeführers allfällige Verständigungsschwierigkeiten auszuschließen seien, da "bei der erstinstanzlichen Befragung" ein Dolmetscher beigezogen gewesen wäre, so finde dies in den Verwaltungsakten keine Deckung. So sei in der Niederschrift der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 12. September 1991 kein Dolmetscher genannt und es sei auch keine Gebührenfestsetzung erfolgt, wie sich auch eine allfällige Gebührennote eines Dolmetschers in den Verwaltungsakten nicht befinde. Daraus ergebe sich eindeutig, daß entgegen § 11 Abs. 1 AsylG 1991 der Einvernahme des Beschwerdeführers in erster Instanz kein Dolmetscher beigezogen worden sei. Der zweiten, von der belangten Behörde angeordneten Einvernahme sei zwar ein Dolmetscher, nicht jedoch für die "Landes- bzw. Muttersprache" des Beschwerdeführers, sondern für Englisch beigezogen worden, obwohl der Beschwerdeführer nicht einmal der englischen Sprache ausreichend mächtig sei. Da somit ein Dolmetscher für die Muttersprache des Beschwerdeführers im gesamten Verwaltungsverfahren nicht beigezogen worden sei, sei der Beschwerdeführer durch die dadurch bewirkte Verletzung des § 11 Abs. 1 AsylG 1991 in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt und erweise es sich als unzulässig, geringfügige Abweichungen zwischen den beiden Aussagen als Indiz für die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zu werten. Dem Beschwerdeführer sei dadurch weiters die Möglichkeit genommen worden, einen Fluchtgrund im Sinne des Art. I Abschnitt A Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention darzutun und glaubwürdig zu machen. Doch selbst wenn man vom mangelhaft erhobenen Sachverhalt ausgehe, hätte die belangte Behörde aufgrund der Angabe des Beschwerdeführers, in seinem Heimatland Mitglied der PNP gewesen zu sein, davon ausgehen müssen, daß der Beschwerdeführer aufgrund seiner Zugehörigkeit zur PNP der staatlichen Verfolgung in seinem Heimatland ausgesetzt gewesen sei. Wenn die belangte Behörde - im Zusammenhang mit der Beurteilung der Angaben des Beschwerdeführers als unglaubwürdig - auf die "allgemein bekannte Lage in Ghana" verweise, ohne ihre diesbezüglichen Erkenntnisquellen offenzulegen, so stelle dies einen eklatanten "Festellungs- bzw. Begründungsmangel" dar. Schließlich erweise sich die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe sich durch die Verlängerung seines Reisepasses unter den Schutz seines Heimatlandes gestellt, als verfehlt, da der Beschwerdeführer aus Furcht vor drohender Abschiebung in sein Heimatland gezwungen gewesen wäre, seinen Reisepaß verlängern zu lassen.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine zur Aufhebung führende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun:
Zunächst vermag der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung des Beschwerdeführers nicht zu folgen, daß seiner ersten Einvernahme kein Dolmetscher beigezogen worden sei. Zwar trifft es zu, daß die von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 11. September 1991 aufgenommene Niederschrift entgegen den Bestimmungen des § 14 Abs. 2 lit. b AVG den Namen des beigezogenen Dolmetschers nicht enthält, wohl aber ist diese Niederschrift von einer als Dolmetscher bezeichneten Person unterschrieben, woraus auf die Mitwirkung eines Dolmetschers geschlossen werden muß. Hingegen kann aus dem Unterbleiben einer Gebührennote des Dolmetschers und einer entsprechenden Gebührenvorschreibung noch nicht geschlossen werden, daß der Einvernahme kein Dolmetscher beigezogen worden wäre. Als unzutreffend erweist sich auch die Auffassung des Beschwerdeführers, es hätte seiner Einvernahme ein Dolmetscher für seine Muttersprache beigezogen werden müssen. § 18 Abs. 1 des - im vorliegenden Fall anzuwendenden - AsylG 1991 verlangt nämlich die Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers, der den gesamten Verlauf der Vernehmung oder Verhandlung entweder in die Muttersprache des Asylwerbers "oder eine andere ihm ausreichend verständliche Sprache zu übersetzen hat". Daß er neben seiner Muttersprache Twi auch Englisch spreche und die englische Sprache auch gut versteht, hat der Beschwerdeführer in seiner niederschriftlichen Einvernahme am 11. September 1991 angegeben. Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß die englische Sprache eine dem Beschwerdeführer "ausreichend verständliche Sprache" sei, zumal er in der über die genannte Vernehmung aufgenommenen Niederschrift in englischer Sprache handschriftlich vermerkte, daß er alles verstanden und nichts hinzuzufügen habe. Der Beschwerdeführer hat auch im gesamten Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht, er wäre nicht in der Lage gewesen, den beiden Einvernahmen zu folgen oder sich dabei in hinreichendem Maße auszudrücken. Der diesbezüglich geltend gemachte Verfahrensmangel liegt somit nicht vor.
Ausgehend vom Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren kann aber der belangten Behörde im Ergebnis nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie zur Auffassung gelangte, daß dem Beschwerdeführer mangels Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 kein Asyl zu gewähren sei. Voraussetzung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 ist nämlich die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden. Es müssen daher konkrete, den Asylwerber selbst betreffende Umstände behauptet und glaubhaft gemacht werden, aus denen die in § 1 Z. 1 AsylG 1991 geforderte Furcht rechtlich ableitbar ist (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1993, Zl. 92/01/0745). Dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren läßt sich allerdings nicht entnehmen, daß er Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen wäre, die auf seine politische Gesinnung oder einen anderen der im § 1 Z. 1 AsylG 1991 genannten Gründe zurückzuführen gewesen wären. Vielmehr ergibt sich daraus, daß die Maßnahmen, die gegen ihn ergriffen wurden, ihre ausschließliche Ursache in einer tätlichen Auseinandersetzung u.a. des Beschwerdeführers mit im Zuge einer Versammlung einschreitenden Polizisten hatten. So räumt der Beschwerdeführer selbst ein, daß er den Grund für seine Festnahme bzw. für seine Anklage in dem gegen die Staatsgewalt geleisteten Widerstand sehe. Aus seinen Angaben ergibt sich insbesondere nicht, daß er - wie in der Beschwerde (freilich ohne nähere Begründung) behauptet wird - aufgrund seiner Zugehörigkeit zur "PNP", deren Versammlungen "grundsätzlich erlaubt" seien, staatlicher Verfolgung in seinem Heimatland ausgesetzt gewesen sei.
Bei diesem Ergebnis erübrigte es sich, auf die Frage einzugehen, ob die belangte Behörde den Angaben des Beschwerdeführers zu Recht die Glaubwürdigkeit versagen durfte. Selbst wenn ihr nämlich diesbezüglich Fehler unterlaufen sein sollten, hätten diese zu keinem anderen Bescheid führen können und wären daher nicht wesentlich. Ebenso erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob die belangte Behörde die Verlängerung des Reisepasses durch die Botschaft Ghanas in Tripolis als Ausschließungsgrund im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 1 AsylG 1991 werten durfte.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Im Hinblick auf die Erledigung der Beschwerde erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994190757.X00Im RIS seit
20.11.2000