TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/1 94/18/0272

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Veröffentlicht am 01.06.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §20 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des I in W, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 22. März 1994, Zl. SD 256/94, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 22. März 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 2 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei mit Straferkenntnis vom 15. Juli 1993 wegen Lärmerregung und Anstandsverletzung (Art. VIII EGVG), wegen Störung der öffentlichen Ordnung und aggressiven Verhaltens gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht (§ 81 Abs. 1, § 82 Abs. 1 SPG), wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges mit einer unzulässigen Lenkerberechtigung (§ 64 Abs. 5 KFG) sowie wegen Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt (§ 5 Abs. 2 StVO) zu einer Geldstrafe in der Höhe von insgesamt S 13.200,-- bestraft worden. Der Beschwerdeführer bestreite diese Übertretungen nicht, meine jedoch, daß es sich nicht um schwerwiegende Verwaltungsübertretungen handle. Dem sei entgegenzuhalten, daß Verstöße gegen § 5 StVO und gegen § 64 KFG aufgrund der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes schwerwiegende Verwaltungsübertretungen i.S. des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG darstellten. Hinsichtlich der weiteren dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Tatbestände sei auszuführen, daß er am 17. Juni 1993 wegen Verdachtes des Einbruchsdiebstahls, des Suchtgifthandels und des Suchtgiftbesitzes festgenommen worden sei. Vorher habe er versucht, sich der Festnahme zu entziehen; danach habe er sich den Beamten gegenüber aggressiv verhalten und habe sie auf das Gröblichste beschimpft. Daß ein derartiges Verhalten, vor allem auch die Verstöße gegen das SPG, die öffentliche Ordnung gefährde, liege auf der Hand. Das Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers, der überdies am 14. September 1993 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt worden sei, rechtfertige die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme.

Daß ein (relevanter) Eingriff i.S. des § 19 FrG vorliege, habe der Beschwerdeführer nicht darzulegen vermocht. Der Aufenthalt zweier Geschwister sowie seiner Lebensgefährtin im Bundesgebiet reichten dazu jedenfalls nicht aus. Abgesehen davon erscheine ein Eingriff i.S. des § 19 FrG angesichts der Zahl der wenn auch in engem zeitlichen Zusammenhang stehenden strafbaren Handlungen und des Verhaltens des Beschwerdeführers gegenüber den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (Verteidigung der Ordnung, Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte Dritter) dringend geboten.

Aber auch die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers seien im Hinblick auf die noch nicht allzu lange Dauer des Aufenthaltes in Österreich und die keineswegs beträchtliche Integration sowie die Art der Bindungen, wobei der Beschäftigung keine Relevanz zukomme, nicht so erheblich, daß demgegenüber die öffentlichen Interessen und die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht schwerer wögen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde hätte die Festnahme des Beschwerdeführers wegen des Verdachtes diverser strafbarer Handlungen nicht zur Begründung des Aufenthaltsverbotes heranziehen dürfen, geht ins Leere. Die bezughabende Passage in der Begründung des angefochtenen Bescheides läßt keinen Zweifel daran, daß die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot nicht (auch) auf die Tatsache der Festnahme gestützt hat. Vielmehr handelt es sich bei dem Hinweis auf die Festnahme lediglich um eine Illustration der Begleitumstände, unter denen der Beschwerdeführer die Übertretungen der Lärmerregung, der Anstandsverletzung, der Ordnungsstörung und des aggressiven Verhaltens gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht begangen hatte.

1.2. Der Beschwerdeeinwand, bei den vorgenannten Gesetzesverstößen handle es sich um keine schwerwiegenden Verwaltungsübertretungen, geht schon deshalb fehl, weil die belangte Behörde eine derartige rechtliche Beurteilung nicht vorgenommen hat. Sollte mit dem weiteren Einwand, es habe sich bei diesen Gesetzesverstößen um eine "einmalige" Übertretung gehandelt, der enge zeitliche Zusammenhang der Begehung der einzelnen Verstöße angesprochen worden sein, so genügt der Hinweis, daß die belangte Behörde in der angefochtenen Entscheidung auf diesen Umstand Bedacht genommen hat. Aus welchen Überlegungen der Beschwerdeführer es unterlassen hat, die gerichtliche Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu bekämpfen, ist im gegebenen Zusammenhang unerheblich.

2. Unbekämpft bleibt in der Beschwerde die Ansicht der belangten Behörde, daß die dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Verstöße in ihrer Gesamtheit - Übertretung nach § 5 Abs. 2 StVO, Lenken eines Kraftfahrzeuges unter Mißachtung des § 64 Abs. 5 KFG, Störung der öffentlichen Ordnung, Lärmerregung, Anstandsverletzung und Vergehen der vorsätzlichen Körperverletzung - die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige. Der Gerichtshof hegt gegen diese rechtliche Beurteilung keine Bedenken; dies auch dann nicht, wenn man in dem Verstoß gegen § 64 Abs. 5 KFG - sollte er nicht vorsätzlich begangen worden sein - keine schwerwiegende Verwaltungsübertretung i.S. des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erblicken könnte (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 4. Mai 1994, Zl. 94/18/0093).

3. Auch wenn man - anders als die belangte Behörde - zu dem Ergebnis gelangte, daß aufgrund des (laut Beschwerdeangaben) dreijährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich, seines aufrechten Beschäftigungsverhältnisses und des Zusammenlebens mit einer Lebensgefährtin mit dem Aufenthaltsverbot ein im Grunde des § 19 FrG relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden wäre, stünde dieser Eingriff der Zulässigkeit dieser Maßnahme nicht entgegen: Der jedenfalls als schwerwiegende Verwaltungsübertretung i.S. des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG zu wertende Verstoß gegen § 5 Abs. 2 StVO (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1994, Zl. 93/18/0587) mit der damit verbundenen beträchtlichen Gefährdung der Allgemeinheit, das Vergehen der vorsätzlichen Körperverletzung sowie die durch "besonders rücksichtsloses Verhalten" gekennzeichnete Störung der öffentlichen Ordnung durch den Beschwerdeführer (§ 81 Abs. 1 SPG) ließen die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zum Schutz der öffentlichen Ordnung und zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen notwendig erscheinen. Die weiteren dem Beschwerdeführer zur Last liegenden, für sich gesehen zwar nicht sehr gewichtigen, aber bei gesamthafter Betrachtung durchaus nicht zu vernachlässigenden Gesetzesverletzungen würden diese Notwendigkeit unterstreichen.

4. Soweit sich die Beschwerde gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung wendet, ist ihr entgegenzuhalten, daß im Grunde dieser Bestimmung ein Aufenthaltsverbot immer dann erlassen werden darf, wenn die für diese Maßnahme sprechenden maßgeblichen öffentlichen Interessen zumindest gleich schwer wiegen wie die gegenläufigen privaten Interessen. Daß im Beschwerdefall die maßgebenden öffentlichen Interessen, nämlich die Wahrung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit wie auch die Verhinderung strafbarer Handlungen, von großem Gewicht sind, hat die belangte Behörde zutreffend dargetan. Daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie (Lebensgefährtin) von größerem Gewicht wären als jene öffentlichen Interessen, vermag der Gerichtshof nicht zu erkennen. Weder ist das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers aufgrund seines (behauptetermaßen) dreijährigen Aufenthaltes in Österreich als besonders groß einzustufen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1994, Zl. 93/18/0595) noch hat der Beschwerdeführer - sieht man von der Lebensgemeinschaft ab - intensive familiäre oder sonstigen Bindungen auch nur behauptet, wozu ergänzend festzuhalten ist, daß die Beziehungen des Beschwerdeführers zu seinen im Bundesgebiet aufhältigen - nicht mit ihm zusammenlebenden - Geschwistern nicht vom Schutzbereich des § 20 Abs. 1 FrG umfaßt sind (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0491).

5. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994180272.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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