TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/8 92/12/0212

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Veröffentlicht am 08.06.1994
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Index

L24009 Gemeindebedienstete Wien;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §69 Abs2;
DO Wr 1966 §52 Abs2;
VwGG §45 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des Dr. J in W, gegen den Bescheid des Wiener Stadtsenates vom 22. September 1992, Pr.Z. 3231/92, betreffend Wiederaufnahme eines Ruhestandsversetzungsverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Magistratsrat i.R. in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zur Stadt Wien und ist rechtskundig im Sinne des § 24 Abs. 2 VwGG.

Mit Bescheid des Wiener Stadtsenates vom 11. Juli 1989 wurde der 1941 geborene Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 2 lit. a der Dienstordnung 1966 (DO) wegen Dienstunfähigkeit auf Grund psychischer bzw. habitueller Ursachen (insbesondere wegen mangelnder Einordnungs- und Einsichtsfähigkeit in rechtliche Zusammenhänge, die zu einer Störung des Dienstbetriebes führten) in den Ruhestand versetzt.

Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene und unter Zl. 89/12/0143 protokollierte Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof am 17. Dezember 1990 als unbegründet abgewiesen.

Zur Frage der Rechtmäßigkeit der Ruhestandsversetzung des Beschwerdeführers führte der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis zusammenfassend aus:

"Entscheidend für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist die Frage der Dienstfähigkeit bzw. Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers und ob eine Wiedererlangung seiner Dienstfähigkeit ausgeschlossen werden kann. Rechtlich zutreffend und unter Angabe der Rechtsprechung hat die belangte Behörde dargelegt, daß der Schluß der Dienstunfähigkeit nicht nur auf ärztlichen Feststellungen, sondern auch aus der Art der Dienstleistung selbst zulässig ist, wobei insbesondere auch habituelle Charaktereigenschaften bzw. geistige Mängel eine ordnungsgemäße Führung der Amtsgeschäfte ausschließen können. Unter Habitus im psychischen Sinn sind zum Charakter gewordene, verhaltenseigene, gewohnheitsmäßige Besonderheiten im Erscheinungsbild bzw. Verhalten eines Menschen zu verstehen (vgl. in diesem Sinne Duden, Fremdwörterbuch).

Da der Beschwerdeführer eine fachärztliche Untersuchung seines psychischen Gesundheitszustandes verweigerte, ging die belangte Behörde den vorher dargestellten Überlegungen entsprechend vor und gelangte nach umfangreichen, praktisch die gesamte A-Laufbahn des Beschwerdeführers umfassenden Erhebungen zu dem Schluß, daß der Beschwerdeführer durch mangelnde Einsicht und Einordnung durch längere Zeit hindurch gegen Dienstpflichten verstoßen hat; durch die auf Grund dieser Fakten erkennbare Haltung des Beschwerdeführers ist der Dienstbetrieb wesentlich gestört worden. Die Nachhaltigkeit dieses Verhaltens des Beschwerdeführers gegen viele seiner Vorgesetzten in verschiedenen Dienststellen zeigt, daß der Grund hiefür auf seiten des Beschwerdeführers in psychischen bzw. habituellen Ursachen zu suchen ist.

Bereits diese abgehandelten und nicht als rechtswidrig befundenen Feststellungen und Überlegungen der belangten Behörde zeigen, daß die Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers nicht in der Summe der dargestellten Einzelfakten, sondern in der auf Grund dieser Fakten erkennbaren Haltung des Beschwerdeführers gesehen worden ist, der gerade als rechtskundiger Beamter bei Ausübung seines Dienstes vernünftige Einsicht in rechtliche Zusammenhänge haben muß. Die Entscheidung der belangten Behörde erweist sich, ausgehend von dem bereits bisher Dargelegten - trotz umfangreichen Vorbringens des Beschwerdeführers, das auch ein weiteres Indiz für die besondere Eigenart des Beschwerdeführers darstellt - nicht als rechtswidrig, sondern ist auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes rechtlich zutreffend und in den Ermittlungsergebnissen gedeckt.

Das weitere umfangreiche Vorbringen des Beschwerdeführers in der großen Zahl der von ihm unaufgefordert eingebrachten Schriftsätze geht am wesentlichen Verfahrensgegenstand, nämlich der Frage seiner Dienstfähigkeit, vorbei. Immer wieder beschäftigt den Beschwerdeführer die Frage des seinerzeit abgegebenen "Dienstgutachtens", das ungerechtfertigt abgeändert worden sein soll, worin die Ursache für die von ihm erstatteten Disziplinar- und Strafanzeigen zu suchen seien."

Gegen die mit dem vorher genannten Bescheid vom 11. Juli 1989 erfolgte Ruhestandsversetzung des Beschwerdeführers richten sich, genauso wie gegen die zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes eine Vielzahl von Anträgen des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24. Oktober 1990 wurde der Beschwerdeführer vom Vorwurf des Verbrechens der Verleumdung, der im Zusammenhang mit verschiedenen Maßnahmen in seinen Dienstrechtsangelegenheiten erhoben worden war, mangels subjektiver Einsichts- und Erkenntnisfähigkeit freigesprochen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde wie folgt

abgesprochen:

"Dem Antrag des Magistratsrates i.R. Dr. J vom 6. April 1992 sowie seinem damit verknüpften Ergänzungsantrag vom 13. Juli 1992 auf Wiederaufnahme des mit Bescheid des Wiener Stadtsenates vom 11. Juli 1989, Pr.Z. 2013/89, abgeschlossenen Verfahrens bezüglich der Versetzung in den Ruhestand wird gemäß § 69 Abs. 2 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG keine Folge gegeben."

Zur Begründung wird nach zusammengefaßter Darstellung des Verfahrensablaufes und der Vielzahl der Wiederaufnahmeanträge des Beschwerdeführers weiter ausgeführt, den neuerlichen Antrag vom 6. April 1992 auf Wiederaufnahme des Ruhestandsversetzungsverfahrens habe der Beschwerdeführer mit der Behauptung des "Verdachtes der Täuschung und darauf gerichteten Weisungserteilung an Beamte des Magistrates der Stadt Wien, begangen durch den Magistratsdirektor Dr. A" begründet. Abgesehen von den Schwierigkeiten bei der Nachvollziehung der vom Einschreiter in diesem Zusammenhang vorgetragenen Argumente sei jedoch vor Eingehen in die meritorische Prüfung zu untersuchen gewesen, inwieweit der gegenständliche Antrag der Vorschrift des § 69 Abs. 2 AVG, wonach der Wiederaufnahmewerber in seinem Antrag auch den Nachweis für die Einhaltung der zweiwöchigen Frist ab Kenntnisnahme für die Geltendmachung eines Wiederaufnahmegrundes zu erbringen habe, entspreche. In diesem Zusammenhang habe der Beschwerdeführer versucht, den geforderten Nachweis dadurch zu erbringen, daß er angebe, am 1. April 1992 von der Oberstaatsanwaltschaft Wien eine Ablichtung eines vom Magistratsdirektor unterfertigten Schreibens vom 6. April 1988 an die Oberstaatsanwaltschaft Wien erhalten zu haben, worin dieser des Beschwerdeführers Unzurechnungsfähigkeit angebe. Eine Prüfung des vom Magistratsdirektor gefertigten Schreibens vom 6. April 1988 habe aber ergeben, daß in diesem lediglich eine Ablichtung eines Schreibens des Beschwerdeführers vom 28. März 1988 im Zusammenhang mit einem früheren Schreiben an die Oberstaatsanwaltschaft Wien dieser zur Kenntnis gebracht worden sei. Dem Inhalt nach habe es sich dabei um ein bloßes Begleitschreiben gehandelt, das in knapper Form eine Beilagenübermittlung ausweise; ein weitergehender Inhalt könne diesem Schreiben vom 6. April 1988 nicht beigemessen werden.

Wenn nun § 69 Abs. 2 AVG verlange - so die belangte Behörde weiter in der Begründung des angefochtenen Bescheides -, daß in einem Wiederaufnahmeantrag auch der Nachweis der zweiwöchigen Frist für die Antragstellung ab Kenntnisnahme des Wiederaufnahmegrundes zu erbringen sei, so könne dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Schreiben des Magistratsdirektors vom 6. April 1988, ausgehend von dessen Inhalt, diese Qualifikation nicht zugesprochen werden, weil der zu fordernde Zusammenhang zwischen Beweisthema und Beweismittel nicht gegeben sei. Angesichts des Charakters des in Rede stehenden Schreibens als reiner Begleitbrief könne der Beschwerdeführer aus diesem Schreiben keine Informationen oder Kenntnisse über die von ihm immer wieder behauptete Rolle des Magistratsdirektors im Rahmen seines Ruhestandsversetzungsverfahrens gewonnen haben, sodaß schon der vom Wiederaufnahmewerber geforderte Nachweis im Sinne des § 69 Abs. 2 AVG als nicht erbracht anzusehen sei und daher auch keine Veranlassung bestanden habe, auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen.

Was weiters den Ergänzungsantrag des Beschwerdeführers vom 13. Juli 1992 anlange, sei schon fraglich, ob er sich überhaupt als eigenständiger Wiederaufnahmeantrag qualifizieren lasse. Werde er nur als Ergänzung angesehen, so sei aus den bereits zum Antrag vom 6. April 1992 selbst geäußerten Gründen auf seinen Inhalt nicht weiter einzugehen; stelle er aber einen eigenständigen Antrag dar, dann mangle es ihm genauso am Nachweis der Einhaltung der zweiwöchigen Kenntnisnahmefrist wie der Eingabe des Beschwerdeführers vom 6. April 1992. Was das Schreiben des Beschwerdeführers vom 23. April 1992 und seine, bloß als "ergänzende Äußerung" bezeichneten Eingaben vom 17. August, 31. August und 1. September 1992 im Zusammenhang mit dem Wiederaufnahmeantrag vom 6. April 1992 betreffe, so sei bereits auf Grund des ausgeführten formalen Mangels des zugrunde liegenden Antrages kein Anlaß gegeben gewesen, auf die weiteren Ausführungen des Beschwerdeführers inhaltlich einzugehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Beschwerdeführer hat unaufgefordert eine Äußerung zur Gegenschrift eingebracht und den Antrag auf ergänzende Aktenvorlage gestellt.

Diesem Antrag wurde im Zusammenhang mit dem unter Zl. 92/12/0138 durchgeführten verwaltungsgerichtlichen Verfahren (vgl. das Erkenntnis vom heutigen Tage) entsprochen und von der belangten Behörde die Akten des Pensionierungsverfahrens eingeholt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 69 Abs. 2 des gemäß § 1 DVG in Verbindung mit dem gemäß § 14 DVG anwendbaren AVG ist der Antrag auf Wiederaufnahme - soweit dem für das vorliegende Verfahren Bedeutung zukommt - binnen zwei Wochen vom Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich vom Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muß der Wiederaufnahmewerber schon im Antrag angeben, wann er von dem Vorhandensein des von ihm geltend gemachten Beweismittels Kenntnis erlangt hat; ein Fehlen dieser Angaben über die Rechtzeitigkeit der Antragstellung kann nicht nach § 13 Abs. 3 AVG als Formgebrechen behandelt werden (vgl. beispielsweise Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Jänner 1971, Slg. N. F. Nr. 7944/A). Der Wiederaufnahmeantrag hat den Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Wiederaufnahmegrundes datumsmäßig oder sonst genau zu enthalten, ebenso wie die Anbietung von Beweisen hiefür (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. November 1981, Zl. 81/03/0168).

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Antrag des Beschwerdeführers in Verbindung mit seinem Ergänzungsantrag auf Wiederaufnahme seines Ruhestandsversetzungsverfahren keine Folge gegeben, weil der Beschwerdeführer als Nachweis der Rechtzeitigkeit seines Wiederaufnahmeantrages folgendes, ihm angeblich erst am 1. April 1992 zur Kenntnis gelangtes Schreiben des Magistratsdirektors angegeben hat:

"Sehr geehrter Herr Oberstaatsanwalt

Unter Hinweis auf den letzten Absatz in meinem Schreiben vom 10. März 1988 übersende ich Ihnen die Kopie eines Schreibens des MR Dr. J vom 28. März 1988, aus der hervorgeht, daß dieser Beamte neuerlich die Erteilung der Zeichnungsberechtigung und eine teilweise "Weisungsfreistellung" beantragt.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Der Magistratsdirektor:"

Diesem bloßen Begleitschreiben wird von der belangten Behörde der vom Beschwerdeführer unterstellte Informationsgehalt für seinen Wiederaufnahmeantrag "auf Grund einer Tatsache, bestehend in einer beeinflussenden Intervention durch den Magistratsdirektor verbunden mit einer rechtswidrigen Weisung im Jahre 1988" abgesprochen.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nur, ob die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen durfte, daß das vorher wiedergegebene Schreiben des Magistratsdirektors bezogen auf den geltend gemachten Grund für den Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers von vornherein nicht als Kenntnisnahme des von ihm geltend gemachten Wiederaufnahmegrundes zu werten ist. Alle auf die Frage der Dienstfähigkeit, die Rechtmäßigkeit des Pensionierungsverfahrens bzw. die Motive hiefür abzielenden Ausführungen des Beschwerdeführers gehen davon ausgehend von vornherein an diesem Verfahrensgegenstand vorbei und werden daher nicht näher behandelt.

Weder das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde noch in der Beschwerdeergänzung gehen überhaupt auf den Verfahrensgegenstand ein. Der Beschwerdeführer erhebt zwar eine Vielzahl von Vorwürfen, legt aber nicht dar, inwiefern ihm erst durch die Kenntnis des vorher wiedergegebenen Schreibens des Magistratsdirektors im konkreten der behauptete Wiederaufnahmegrund bekannt geworden ist.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der belangten Behörde, daß der vom Beschwerdeführer in seinem Antrag angebotene Nachweis für die Einhaltung der zweiwöchigen Frist für die Erhebung seines Wiederaufnahmeantrages nicht als ausreichend anzusehen ist, weil diesem Schreiben von vornherein kein hinreichender Zusammenhang zwischen dem Beweisthema und den Angaben des Beschwerdeführers zugemessen werden kann. Wenn die Angaben des Wiederaufnahmewerbers hinsichtlich der Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmeantrages nahezu in keinem Zusammenhang mit dem Wiederaufnahmevorbringen stehen, kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie diesen Umstand dem Fehlen von Angaben über die Rechtzeitigkeit im Ergebnis gleichhält und dem Wiederaufnahmeantrag nach § 69 Abs. 2 AVG nicht stattgegeben hat.

Die vorstehenden Überlegungen zeigen, daß die Beschwerde unbegründet ist; sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992120212.X00

Im RIS seit

21.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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