Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des A C in G, vertreten durch seine Mutter E C, diese vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Juli 1993, Zl. 4.336.350/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der ehemaligen UdSSR, hat am 31. März 1992 den Antrag gestellt, ihm Asyl zu gewähren. Anläßlich seiner Einvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 2. April 1992 gab er im wesentlichen an, keiner politischen Organisation angehört zu haben. Im August 1991 sei seine Mutter nach Österreich gekommen. Seit dieser Zeit habe er ständig "Probleme" gehabt. Er habe die technische Schule der Bahn in Rovna besuchen wollen, doch sei ihm dies mit der Begründung verwehrt worden, daß sich seine Mutter in Österreich aufhalte. In der Ukraine würde es keinen Schulbesuch auf Staatskosten geben, wenn sich ein Elternteil im Ausland befände. Da der Beschwerdeführer eine russische Schule besucht habe und seine Mutter zur Hälfte russischer Abstammung sei, spreche er ukrainisch nur mit Akzent, weshalb ihm das Leben schwer gemacht worden sei. In der Ukraine herrsche ein "mafiaähnlicher" Zustand; da es in seiner Heimat bekannt geworden sei, daß sich seine Mutter im Ausland befinde und ihm Pakete schicke, sei er auf der Straße überfallen und ausgezogen worden. Da er in seiner Heimat keine Zukunft gesehen habe, habe er sich zur Flucht nach Österreich entschlossen.
Mit Bescheid vom 3. Juni 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei. In seiner Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, daß er sehr wohl sein Heimatland aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen habe. Sein Großvater sei Offizier beim KGB und gleichzeitig Inspektor für Bildungswesen gewesen. Da dieser nicht vom kommunistischen Regime überzeugt gewesen sei, habe er eine ehemalige Professorin an der Universität gewarnt, als diese beim KGB denunziert worden sei. Dieses Gespräch sei aber abgehört worden; er sei als Volksfeind aus den Diensten des KGB entlassen und öffentlich geächtet worden. Schon die Mutter des Beschwerdeführers habe dadurch Probleme gehabt und auch er selbst sei als Nachkomme eines "Volksfeindes" in der Schule von den Lehrern schikaniert worden. Bei dem bereits in erster Instanz erwähnten Vorfall, bei dem der Beschwerdeführer zusammengeschlagen worden sei, habe er eine Gehirnerschütterung und eine Verletzung im Gesicht erlitten, deren Narbe noch immer sichtbar sei.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Flüchtling im Sinne des AsylG 1991 sei, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politschen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befinde und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sei, sich des Schutzes seines Landes zu bedienen. Aus den Angaben des Beschwerdeführers sei eine "begründete Furcht vor Verfolgung" in diesem Sinne nicht zu entnehmen. Die Ereignisse und Umstände, die den Großvater bzw. die Mutter des Beschwerdeführers betroffen hätten, könnten den Asylantrag des Beschwerdeführers selbst nicht begründen, da sie ihn nicht persönlich beträfen. Auch die "mafiaähnlichen Zustände" in seiner Heimat könnten nicht als Verfolgung im dargelegten Sinne angesehen werden. Ebenso sei der behauptete Überfall von Privatpersonen ausgegangen und dem Staat nicht zuzurechnen. Eine Verfolgungsgefahr bestehe aber nur dann, wenn die Staatsmacht selbst den Asylwerber verfolgt habe oder dieser vergeblich versucht habe, Schutz vor anderweitiger Verfolgung bei den Behörden seines Heimatlandes zu erlangen.
In seiner Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhalts des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG - erwogen:
Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon ausgegangen, daß von ihr bereits das AsylG 1991 anzuwenden sei, dies im Hinblick auf die Bestimmung des § 25 Abs. 2 erster Satz dieses Gesetzes, weil das gegenständliche Asylverfahren "am bzw. nach dem 1. Juni 1992 beim Bundesministerium für Inneres anhängig war". Diese Auffassung trifft aber - wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831, auf welches des näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausführlich dargelegt hat - aufgrund der Auslegung der genannten Bestimmung sowie der des § 25 Abs. 1 erster Satz AsylG 1991 nicht zu, da im Fall des Beschwerdeführers das erstinstanzliche Verfahren erst mit Erlassung (Zustellung) des Bescheides vom 3. Juni 1992 am 12. Juni 1992 beendet wurde. Dies führt aber noch nicht zwangsläufig dazu, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt wurde, ist doch die belangte Behörde zu ihrer abweislichen Entscheidung deshalb gelangt, weil sie seine Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 AsylG 1991 verneint hat; diese Bestimmung führte aber zu keiner inhaltlichen Änderung gegenüber dem nach § 1 AsylG (1968) in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention geltenden Flüchtlingsbegriff. Auch danach ist als Flüchtling anzusehen, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen. Ausgehend von den Angaben des Beschwerdeführers hat nun die belangte Behörde im Ergebnis zutreffend erkannt, daß eine Verfolgungsgefahr für den Beschwerdeführer nicht bestand. Er hat nämlich in keiner Weise dargelegt, daß er etwa durch staatliche Behörden aus einem der eben genannten Gründe der Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre oder daß er sich vergeblich an diese gewandt hätte, um Schutz vor einer anderweitigen Verfolgung zu erlangen.
Der Beschwerdeführer führt unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides auch nur aus, er erblicke in der Tatsache, daß ihm der staatlich finanzierte Schulbesuch verwehrt worden sei, eine Verfolgungsmaßnahme; demgemäß "hätte die belangte Behörde feststellen müssen, daß der ungerechtfertigte Ausschluß vom staatlich finanzierten Schulbesuch eine Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes darstellt".
Dem ist entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer angegeben hat, der Umstand, daß ihm der (kostenlose) Schulbesuch an der von ihm gewünschten Schule verwehrt worden sei, sei auf die Tatsache zurückzuführen, daß sich seine Mutter im Ausland befunden habe. Schon aus den Angaben des Beschwerdeführers selbst folgt daher, daß mit dieser staatlichen Maßnahme keine Verfolgung aus einem der genannten Gründe behauptet wurde. Darüber hinaus aber könnte in der Nichtzulassung zum (kostenlosen) Schulbesuch keinesfalls eine Verfolgungsmaßnahme gesehen werden, die nach objektiven Maßstäben eine "begründete Furcht" herbeiführen könnte.
Soweit der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt, daß der Ausdruck "mafiaähnliche" Zustände nicht näher geklärt worden sei, so gibt er selbst nicht an, was eine weitere Befragung seiner Person diesbezüglich ergeben hätte, sodaß die Wesentlichkeit des behaupteten Verfahrensmangels vom Verwaltungsgerichtshof nicht beurteilt werden kann. Darüber hinaus aber durfte die belangte Behörde im gegebenen Zusammenhang der Aussage des Beschwerdeführers den Ausdruck "mafiaähnlich" durchaus als Hinweis auf kriminelles Verhalten verstehen, weshalb eine weitere Beweisaufnahme über den Sinn des gebrauchten Ausdruckes zu Recht nicht geboten schien.
Ebenso konnte die belangte Behörde aus dem Zusammenhang der Angaben des Beschwerdeführers davon ausgehen, daß dieser von "Privatpersonen" auf offener Straße überfallen und ausgezogen worden sei, hat doch der Beschwerdeführer keinen Hinweis darauf gegeben, daß dieser Überfall von staatlichen Stellen ausgegangen sei.
Da sich die Beschwerde somit insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994190179.X00Im RIS seit
20.11.2000