TE Vwgh Erkenntnis 1994/6/28 92/05/0066

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Veröffentlicht am 28.06.1994
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L80003 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Umgebungslärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs1;
AVG §13 Abs3;
AVG §56;
AVG §73 Abs2;
BauO NÖ 1976 §10;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §23;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in B, gegen den Gemeinderat der Marktgemeinde P, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Bausache, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in Verbindung mit § 62 Abs. 2 VwGG und § 73 AVG wird der Antrag der Beschwerdeführerin vom 4. Oktober 1991 auf Übergang der Entscheidungspflicht an die belangte Behörde zur Entscheidung über den Teilungsantrag vom 8. März 1991, abgewiesen.

Die Marktgemeinde P hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der staatlich befugte und beeidete Ingenieurkonsulent für Vermessungswesen, Dipl. Ing. J., richtete am 8. März 1991 nachstehendes Schreiben an das Gemeindeamt P:

"Betrifft: GZ. 5373/85-Teilungsentwurf

Gst. 176/1 (M)

Sehr geehrter Herr Bürgermeister

Wie mit Herrn Amtsrat besprochen, liegt das Grundstück Nr. 176/1 bis zum Trafo im Bauland. Ich ersuche daher um Genehmigung des beiliegenden Parzellierungsentwurfes.

Mit freundlichen Grüßen"

Diesem Schreiben war ein Teilungsplan angeschlossen, der eine Abtrennung von fünf Parzellen im Ausmaß von je 757 m2 vom bisherigen Grundstück 176/1 sowie eine Abtretung von Randflächen ins öffentliche Gut vorsieht.

In ihrer Sitzung vom 10. April 1991 beschloß die belangte Behörde eine Verordnung, wonach gemäß § 34 Abs. 1 des Nö Raumordnungsgesetzes 1976 für die Grundstücke Nr. 131/2, 131/3, 176/1 und 181/5 eine Bausperre erlassen wurde. Dies teilte der Bürgermeister mit Schreiben vom 29. April 1991 dem Dipl. Ing. J. mit und führte aus, daß die Bausperre am 25. April 1991 in Kraft getreten sei. Eine Parzellierung für Bauplätze sei daher im zitierten Areal derzeit nicht möglich.

Mit Schreiben vom 6. Mai 1991 beantragte die Beschwerdeführerin die unverzügliche Entscheidung über ihren Antrag vom 8. März 1991; die Bausperre sei erst am 11. April 1991 zur Kundmachung ausgehängt worden.

Mit Eingabe vom 13. Mai 1991 erhob die Beschwerdeführerin Berufung; ihr sei das Schreiben der Marktgemeinde P vom 29. April 1991 an Dipl. Ing. J zur Kenntnis gelangt, welchem Bescheidcharakter zukomme. Anläßlich des Zeitpunktes des gegenständlichen Antrages habe es noch keine Bausperre gegeben; außerdem lägen die Voraussetzungen gemäß § 22

Nö Raumordnungsgesetz für die Abänderung eines örtlichen Raumordnungsprogammes nicht vor. Gemäß § 22 Abs. 2 dieses Gesetzes würden Verfahren, die vor der Kundmachung der Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes bereits anhängig waren, durch die Änderung nicht berührt werden.

Am 4. Oktober 1991 richtete die Beschwerdeführerin einen Devolutionsantrag gemäß § 73 AVG an die belangte Behörde, die sich in ihrer Sitzung vom 25. Februar 1992 mit der Angelegenheit befaßte, aber keine Entscheidung traf. Mit Schreiben vom 2. März 1992 teilte der Bürgermeister der Beschwerdeführerin mit, daß auch der Gemeinderat die Meinung vertrete, es sei von Dipl. Ing. J für die Beschwerdeführerin kein Antrag im Sinne des AVG eingebracht worden, weil wesentliche Kriterien für einen Antrag gefehlt hätten. Eine Bescheidausfertigung und -zustellung erfolgte nicht.

In ihrer auf Art. 132 B-VG gestützten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, sie habe infolge Untätigkeit der Baubehörde erster Instanz nach Ablauf der sechsmonatigen Frist des § 73 AVG den Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung an die belangte Behörde als Baubehörde zweiter Instanz und somit sachlich in Betracht kommende Oberbehörde gerichtet. Auch diese Behörde sei untätig gewesen.

Nach Aufforderung durch den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 36 Abs. 2 VwGG wiederholte die belangte Behörde ihren Standpunkt, daß von der Beschwerdeführerin ein Antrag gemäß den Verwaltungsverfahrensbestimmungen nicht eingebracht worden sei. Über Aufforderung durch den Verwaltungsgerichtshof legten beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens Unterlagen vor; die Beschwerdeführerin gab über Vorhalt in ihrem Schreiben vom 15. April 1994 an, daß sie keinen Antrag auf Bauplatzerklärung gestellt habe; falls sich aus den vorliegenden Aktenunterlagen und dem Teilungsplan kein derartiger Antrag ableiten lasse, werde er hiermit nachgeholt und die Erklärung aller durch die Grundabteilung laut Teilungsplan entstehender Grundstücke zu Bauplätzen beantragt. Der Bürgermeister der Marktgemeinde P teilte im Schreiben vom 14. Mai 1994 mit, daß ein Antrag auf Bauplatzerklärung nicht gestellt worden sei.

Gemäß § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht nach Art. 132 B-VG erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Beschwerdeführerin hat am 4. Oktober 1991 einen Devolutionsantrag an die belangte Behörde gestellt, welche auch die Nachholungsmöglichkeit des § 36 Abs. 2 VwGG ungenützt ließ.

Über die somit zulässige Säumnisbeschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Geltend gemacht wird die Säumnis der belangten Behörde, die darin besteht, daß sie nicht über den zuletzt genannten Devolutionsantrag entschieden hat; nicht hingegegen geltend gemacht wird eine Säumnis der belangten Behörde, weil sie nicht über die Berufung vom 13. Mai 1991 entschieden hätte. Das Schreiben des Bürgermeisters vom 29. April 1991 an

Dipl. Ing. J. erfüllt nicht nur die formellen Voraussetzungen eines Bescheides nicht (§§ 58 ff AVG), es ist auch nicht der Wille der Behörde erkennbar, in förmlicher Weise über konkrete Rechtsverhältnisse abzusprechen (vgl. die bei Ringhofer, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, 511 f wiedergegebenen Nachweise aus der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts). Vielmehr läßt sich diesem Schreiben nur entnehmen, daß der Bürgermeister den Inhalt der Verordnung vom 10. April 1991 zur Kenntnis bringen wollte und daß sich daraus die "Unmöglichkeit der Parzellierung" ergäbe. Aber auch deshalb, weil der Bürgermeister den "Entwurf" nicht als "Antrag" ansah, kann von einem nach außen erkennbaren Bescheidwillen, also von einem Willen der Behörde, über einen Antrag abzusprechen, keine Rede sein.

Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Formgebrechen schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr dem Einschreiter die Behebung der Formgebrechen mit der Wirkung aufzutragen, daß das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird das Formgebrechen rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht. Was unter dem Begriff "Formgebrechen schriftlicher Anbringen" zu verstehen ist, muß der in Betracht kommenden Verwaltungsvorschrift entnommen werden (ständige hg. Rechtsprechung; zuletzt hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1992, Zl. 92/05/0069, mwN).

§ 10 der Nö Bauordnung 1976 in der Fassung LGBl. 8200-6 (im folgenden: BO) lautet u.a.:

"Grundabteilung

(1) im Bauland bedarf die Grundabteilung (Teilung oder Vereinigung von Grundstücken oder jede sonstige Veränderung von Grundstücksgrenzen) einer Bewilligung der Baubehörden; hievon ausgenommen sind Veränderungen, welche gemäß § 15 des

Liegenschaftsteilungsgesetzes ... vorgenommen werden.

(2) Der Antrag auf die Bewilligung einer Grundabteilung bedarf der Zustimmung der Eigentümer aller von ihr betroffenen Grundstücke. Dem Antrag sind anzuschließen:

1.

Ein höchstens sechs Monate alter Grundbuchsauszug oder beglaubigter Auszug aus der Grundbuchsdatenbank und

2.

ein Teilungsplan in vierfacher Ausfertigung.

Die Zahl weiterer Ausfertigungen des Teilungsplanes richtet sich nach der Zahl der betroffenen Grundeigentümer, die jedoch auf eine mit dem Hinweis auf die Bewilligung versehene Ausfertigung des Teilungsplanes verzichten können. Für die Vereinigung ganzer Grundstücke ist kein Plan erforderlich, wenn dadurch nicht nach § 13 die Verpflichtung zu einer Straßengrundabtretung entsteht.

(3) Der Teilungsplan muß den Vorschriften über Pläne für die grundbücherliche Teilung, insbesondere der

Vermessungsverordnung, ... entsprechen. Die Straßen- und

Baufluchtlinien, die Breite der Verkehrsfläche sowie deren Niveau sind einzutragen, wenn und wie sie im Bebauungsplan festgelegt sind. Der Teilungsplan ist vom Verfasser mit dem Hinweis auf die Verpflichtung zur Erwirkung der baubehördlichen Bewilligung zu versehen.

(4) Betrifft die Änderung der Grenzen Grundstücke, die noch nicht zu Bauplätzen erklärt worden sind und auch nicht nach § 2 Z. 7 lit. b oder c als solche gelten, dann ist gleichzeitig wenigstens für eines der neu entstehenden Grundstücke auch die Erklärung zum Bauplatz zu beantragen.

(5) ..."

Das gegenständliche Verwaltungsverfahren wurde von Dipl.Ing.J.namens der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 8. März 1991 eingeleitet. Er verwies darin einerseits darauf, daß das Grundstück im Bauland liege und legte andererseits einen ausgearbeiteten Teilungsplan vor. Damit verband er das Ersuchen um GENEHMIGUNG des Parzellierungsentwurfes; die Verwendung des Wortes "Entwurf" nimmt der Eingabe keineswegs den Charakter als Antrag, weil erst die behördliche Genehmigung die Abteilung ermöglicht. Aufgrund der Worte "Ich ersuche daher um Genehmigung" konnte kein Zweifel bestehen, daß ein ANTRAG gestellt wurde.

Gemäß § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden aber verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen einen Bescheid zu erlassen. Dieser Entscheidungspflicht ist weder die Baubehörde erster Instanz, noch nach zeitgerechtem Antrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde nachgekommen.

Aus dem vorliegenden Akteninhalt ergibt sich zunächst, daß dem Antrag vom 8. März 1991 verschiedene Formgebrechen anhafteten. Während der ursprüngliche Mangel der nicht nachgewiesenen Bevollmächtigung des Dipl. Ing. J. durch das spätere Auftreten des auch im Verwaltungsverfahren bevollmächtigten Beschwerdeführervertreters saniert wurde, kann dem Akt nicht entnommen werden, daß die Beschwerdeführerin jemals die als fehlend monierten Unterlagen gemäß § 10 Abs. 2 BO (Teilungsplan vierfach, Grundbuchsauszug) nachgereicht hätte. Auf diese Mängel wurde zwar in den Schreiben des Bürgermeisters vom 29. April 1991, 13. Mai 1991, 2. März 1992 (global) und 10. März 1992 (global) hingewiesen, allerdings wurde nie eine Frist gemäß § 13 Abs. 3 AVG gesetzt.

§ 73 Abs. 2 AVG lautet:

"(2) Wird der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt, so geht auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen die ausständige Entscheidung die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, auf diesen über. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Der Antrag ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist."

Davon, daß die Verzögerung der Erledigung AUSSCHLIEßLICH auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist, kann dann keine Rede sein, wenn der Erlassung des Bescheides der Umstand entgegensteht, daß das von der Partei eingebrachte Ansuchen mit einem Formgebrechen behaftet ist. Der Umstand, daß ein Formgebrechen der Erledigung des Antrages im Wege steht, schließt das ALLEINIGE Verschulden der Behörde an der Verzögerung aus, auch wenn kein Verbesserungsauftrag im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG erteilt wurde (siehe die bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 792, wiedergegebenen Nachweise aus der hg. Rechtsprechung).

Die belangte Behörde war somit verpflichtet, über den Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht fristgerecht zu entscheiden und wurde insoferne säumig; der Antrag war aber abzuweisen, weil das alleinige Verschulden an der Verzögerung nicht bei der Baubehörde erster Instanz lag.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 55 Abs. 1 VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art.III Abs 2. Keiner der Gründe des § 55 Abs. 2 oder 3 VwGG lag vor.

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete Baurecht PlanungswesenPlanung Widmung BauRallg3Formgebrechen behebbareOffenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff AllgemeinBescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Belehrungen MitteilungenVerschulden der Behörde §73 Abs2 letzter Satz AVG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992050066.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

06.04.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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