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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/01/0154Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerden 1) des EH und 2) der LH, beide in W und vertr durch Dr. E, RA in W, gegen die Bescheide des BMI vom 5. 1. 1994, Zl. 4.293.666/2-III/13/90 (hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers, hg. Zl. 94/01/0153) und Zl. 4.293.665/2-III/13/90 (hins der Zweitbf, hg. Zl. 94/01/0154), betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von je S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 5. Jänner 1994 wurde in Erledigung der Berufungen der Beschwerdeführer gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. November 1990 ausgesprochen, daß Österreich den Beschwerdeführern - rumänischen Staatsangehörigen, die am 25. Jänner 1990 in das Bundesgebiet eingereist sind und am 29. Jänner 1990 Asylanträge gestellt haben - kein Asyl gewähre.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, vom jeweiligen Beschwerdeführer in Ansehung des ihn betreffenden Bescheides erhobenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges - erwogen hat:
Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführern, ohne sich mit ihrer Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 auseinanderzusetzen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihnen der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben der Beschwerdeführer bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung am 12. bzw. 13. März 1990, daß sie sich vor ihrer Einreise nach Österreich in Ungarn aufgehalten hätten, aus und befaßte sich in rechtlicher Hinsicht näher mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle, wobei sie im wesentlichen - im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256, und vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357), auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - die Rechtslage richtig erkannt hat.
Nach dieser Rechtsprechung ist - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer - rechtlich ohne Bedeutung, warum sie "nach Österreich gefahren" seien und nicht in Ungarn um Asyl angesucht hätten. Die von ihnen ins Treffen geführten Umstände, daß ihre Mutter in Wien lebe, hier politisches Asyl habe und sie gemeinsam mit ihren Geschwistern eine Ausreisegenehmigung aus Anlaß der Familienzusammenführung mit ihrer Mutter gehabt hätten, vermöchten im Sinne dieser Rechtsprechung daran nichts zu ändern, daß - sollte dies auch in tatsächlicher Hinsicht zutreffen - die Beschwerdeführer keiner Gefahr einer Verfolgung in Ungarn ausgesetzt waren und dort auch nicht befürchten mußten, in ihr Heimatland abgeschoben zu werden. Das Vorbringen der Beschwerdeführer, die Stellung eines Asylantrages in Ungarn sei ihnen schon deshalb "nicht möglich und nicht zumutbar" gewesen, weil sie durch Ungarn nur ein Transitvisum gehabt hätten und damit ihr "Reiseziel, nämlich Wien, feststand", ist nicht nachvollziehbar. Wenn sich die Beschwerdeführer darauf berufen, sie hätten "auf Grund der Familienzusammenführung ein Recht auf Weiterreise nach Österreich" gehabt, so ist ihnen entgegenzuhalten, daß ihnen die Einreise nach Österreich nicht verwehrt wurde und lediglich bei Anwendung des § 4 Asylgesetz 1991 auf derartige Umstände Bedacht zu nehmen ist (vgl. das offenbar die Schwester der Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juni 1994, Zl. 94/01/0152).
Die Beschwerdeführer machen aber der belangten Behörde gleichlautend überdies zum Vorwurf, es unterlassen zu haben, "sich von der tatsächlichen Situation in Ungarn im Jänner 1990 ein Bild zu machen". Sie bringen dazu vor, daß "es wohl richtig" sei, "daß Ungarn zu diesem Zeitpunkt bereits der Genfer Konvention beigetreten war (14.03.1989) und die Genfer Konvention im Oktober 1989 ratifiziert hat" (siehe BGBl. Nr. 260/1992, woraus sich mit Rücksicht auf Art. 43 der Konvention deren Inkrafttreten schon am 12. Juni 1989 ergibt), "es jedoch noch kein ungarisches Ausführungsgesetz" und "ebenso in Ungarn keinen stellvertretenden UNO-Hochkommissär für Flüchtlingswesen gab". Im Jänner 1990 habe es in Ungarn "noch die alte kommunistische Regierung" gegeben, die ersten freien Wahlen in Ungarn hätten erst im Mai 1990 stattgefunden. "Die kommunistische Regierung, die sehr wohl - sowohl vor als auch nach dem Beitritt zur Genfer Konvention - Flüchtlinge aus Rumänien nach Rumänien zurückgeschickt hat", sei für die Beschwerdeführer "kein Garant für eine Verfolgungssicherheit" gewesen, weshalb sie "nicht gewillt" gewesen seien, "in Ungarn zu verbleiben". Die Beschwerdeführer gehörten zwar der ungarischen Volksgruppe an, seien jedoch "vor einer Zurückweisung nach Rumänien trotzdem keineswegs sicher" gewesen. Es sei bekannt gewesen, "daß rumänische Staatsbürger an die Grenze in Gyula gebracht und von dort den rumänischen Behörden übergeben worden waren", und habe "das damalige Ungarische Demokratische Forum, das damals eine illegale außerparlamentarische Opposition war, gegen diese Verstöße der ungarischen Behörden wiederholt protestiert"; ebenso seien "wiederholt Proteste von diversen Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen, insbesondere Amnesty International" erfolgt. Ein Verbleib in Ungarn sei den Beschwerdeführern daher weder möglich noch zumutbar gewesen und hätten sie auch in Ungarn Angst gehabt, verfolgt bzw. an die rumänischen Behörden "rücküberstellt" zu werden.
Würden diese Behauptungen zutreffen, so könnte nicht mehr ohne weiteres davon die Rede sein, daß - entsprechend der Begründung der angefochtenen Bescheide - nichts dafür spreche, daß Ungarn seine sich aus seiner Mitgliedschaft zur Genfer Flüchtlingskonvention ergebenden Verpflichtungen, insbesondere das in deren Art. 33 verankerte Refoulement-Verbot, etwa vernachlässige, und anzunehmen sei, daß Ungarn von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz biete, dies jeweils bezogen auf den hiebei allein maßgebenden Zeitpunkt des Aufenthaltes der Beschwerdeführer in diesem Land (vgl. auch dazu das bereits zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juni 1994, Zl. 94/01/0152, mit weiteren Judikaturhinweisen). Die Beschwerdeführer haben zwar diese Behauptungen erstmals in der Beschwerde aufgestellt, doch wurde ihnen im Verwaltungsverfahren nicht Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen, weshalb dieses Vorbringen nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt. Damit haben die Beschwerdeführer die Wesentlichkeit eines Verfahrensmangels aufgezeigt.
Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde jeweils zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994010153.X00Im RIS seit
03.04.2001