TE Vwgh Erkenntnis 1994/7/5 91/14/0174

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Veröffentlicht am 05.07.1994
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
32/04 Steuern vom Umsatz;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
BAO §167 Abs2;
EStG 1972 §4 Abs4;
StGB §127;
StGB §133;
UStG 1972 §1 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Hutter, über die Beschwerde der B in K, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, Berufungssenat I, vom 28. Juni 1991, 5/15/2-BK/Hö-1988, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für das Jahr 1984, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betreibt einen Papierhandel, für den sie den Gewinn im Streitjahr gemäß § 4 Abs 1 EStG 1972 ermittelte.

Anläßlich einer für die Jahre 1983 bis 1985 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer fest, die Buchhaltung der Beschwerdeführerin sei formell nicht ordnungsgemäß geführt worden. Unter anderem seien die Registrierkassastreifen nicht aufbewahrt worden. Auf Grund einer Nachkalkulation erhöhte der Prüfer den von der Beschwerdeführerin für das Streitjahr erklärten Umsatz um 400.000 S. Den von der Beschwerdeführerin erstmals bei der Schlußbesprechung erhobenen Einwand, eine ehemalige Verkäuferin habe Geld aus der Kassa im von der Beschwerdeführerin geschätzten Ausmaß von ca 250.000 S "gestohlen", berücksichtigte der Prüfer insoweit, als er den Nachweis des "Gelddiebstahles" dem Grund nach anerkannte, jedoch nur einen "Diebstahl" von 50.000 S als glaubhaft gemacht ansah. Den Ertrag des Jahres 1984 erhöhte der Prüfer um 430.000 S (400.000 S + 20 % USt abzüglich 50.000 S). Die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage sei nicht zu vermindern, weil der Leistungsaustausch zwischen der Beschwerdeführerin und ihren Kunden bereits vor dem "Gelddiebstahl" erfolgt sei.

Bei Erlassung der Bescheide betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer für das Streitjahr folgte das Finanzamt den Feststellungen des Prüfers, wobei es zur Begründung auf den gemäß § 150 BAO erstatteten Bericht verwies.

In der gegen diese Bescheide erhobenen Berufung begehrte die Beschwerdeführerin die Anerkennung des gesamten von ihr behaupteten "Gelddiebstahles" (inklusive Umsatzsteuer) als Betriebsausgabe.

In der über den Verlauf der mündlichen Verhandlung aufgenommenen Niederschrift ist unter anderem festgehalten, der Steuerberater habe beantragt, "dem Ergebnis der Schlußbesprechung in der Weise zu folgen, daß 50.000 S als Diebstahl anerkannt werden".

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die "eingeschränkte" Berufung als unbegründet ab und sprach aus, die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der in den angefochtenen Bescheiden angeführten Abgaben blieben unverändert. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde unter anderem aus, Diebstahl und Unterschlagung führten nach Lehre und Rechtsprechung zu einer Minderung des Betriebsvermögens und damit des steuerpflichtigen Gewinnes. Voraussetzung sei jedoch die Geltendmachung des Ersatzanspruches. Ein allgemeiner Hinweis auf Verluste durch Diebstahl genüge für die steuerliche Anerkennung nicht. Es müßten die näheren Tatumstände angeführt und insbesondere auch Beweismittel beigebracht werden. Die Beschwerdeführerin habe jedoch aus dem von ihr geschilderten Vorfall (Kassasturz, der einen Überbestand an Bargeld von 5.000 S ergab und Auffinden einer 500 S-Note in einer Schachtel in einem Regal) keine weiteren Folgen gezogen. Sie habe die verdächtigte Verkäuferin weder zur Gänze vom Kassazugang ausgeschlossen, noch habe die Beschwerdeführerin weitere unvermutete Kassastürze vorgenommen. Unverständlich sei auch, warum nicht sofort eine Anzeige der verdächtigten Verkäuferin bei der Sicherheitsbehörde erfolgt sei. Überdies hätte der Beschwerdeführerin ein "fortgesetzter Diebstahl" in der von ihr behaupteten Größenordnung (Gesamtabgang im Streitjahr von 250.000 S) auffallen müssen. Da auch die Einvernahme der verdächtigten Verkäuferin sowie zweier weiterer Verkäuferinnen keinen Anhaltspunkt für den behaupteten "Diebstahl" ergeben hätte, sei dieser nicht als erwiesen anzusehen. Damit fehlten aber auch die Voraussetzungen für die Anerkennung eines "Diebstahls" in der Größenordnung von nur 50.000 S als Betriebsausgabe.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Anerkennung eines "Diebstahls" im Betrag von 250.000 S als Betriebsausgabe verletzt. Insbesondere bringt sie vor, ihre Berufung nie dahingehend eingeschränkt zu haben, daß wenigstens ein "Diebstahl" in der Größenordnung von 50.000 S anerkannt werde. Zur Bekräftigung dieses Vorbringens legt die Beschwerdeführerin eine entsprechende eidesstattliche Erklärung des Steuerberaters bei, der laut Niederschrift über den Verlauf der mündlichen Verhandlung die Berufung eingeschränkt habe.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Umsatzsteuer

Der Sachverhalt des vorliegenden Falles ist mit jenem, der dem hg Erkenntnis vom 5. August 1992, 90/13/0167, zugrunde liegt, insoweit vergleichbar, als die jeweilige Beschwerdeführerin behauptet, eine ihrer Verkäuferinnen habe Geld aus der Kassa genommen. Auch im vorliegenden Fall handelt es sich bei den von der Beschwerdeführerin genannten strafbaren Handlungen daher nicht um Diebstähle gemäß § 127 StGB, sondern um Veruntreuungen gemäß § 133 StGB. Im genannten Erkenntnis hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Fehlbeträge Entgelte für der Beschwerdeführerin zuzurechnende Umsätze, also für Lieferungen gemäß § 1 Abs 1 Z 1 UStG 1972, darstellen, und hat diese Frage bejaht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher gemäß § 43 Abs 2 zweiter Satz VwGG auf das genannte Erkenntnis verwiesen.

Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall ebenso wie in dem, dem genannten Erkenntnis zugrunde liegenden Fall insofern als sie im angefochtenen Bescheid eine gesonderte Begründung für die Abweisung der Berufung, soweit sie sich gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer richtete, nicht gegeben hat, Verfahrensvorschriften verletzt. Die Vermeidung dieses Begründungsmangels hätte aber bei der dargestellten Sach- und Rechtslage zu keinem anders lautenden Bescheid betreffend Umsatzsteuer führen können.

2. Einkommen- und Gewerbesteuer

Als Betriebsausgabe im Sinn des § 4 Abs 4 EStG 1972 kommen auch finanzielle Einbußen in Betracht, die der Beschwerdeführerin dadurch erwachsen sind, daß sich ihre Verkäuferin durch Diebstahl, Veruntreuung etc widerrechtlich bereichert hat (vgl das bereits erwähnte hg Erkenntnis vom 5. August 1992).

Nach § 167 Abs 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es hiebei, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewißheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen läßt. Die Beweiswürdigung muß den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen (vgl beispielsweise das hg Erkenntnis vom 28. November 1991, 89/16/0023).

In diesem Sinn kann die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht als unschlüssig erkannt werden, wenn sie unter Berücksichtigung der unbestrittenen Tatsachen, daß die Beschwerdeführerin die verdächtige Verkäuferin nicht vom Kassazugang ausgeschlossen, keine unvermuteten Kassastürze vorgenommen und die verdächtige Verkäuferin NICHT bei der Sicherheitsbehörde angezeigt hat, weiters der Beschwerdeführerin bei der Größenordnung des behaupteten "Diebstahls" von 250.000 S dieser Fehlbetrag auffallen hätte müssen und schließlich auch die Einvernahme der verdächtigen Verkäuferin sowie zweier weiterer Verkäuferinnen durch das Finanzamt keinen Anhaltspunkt für den behaupteten "Diebstahl" ergeben hat, zu dem Schluß gelangt ist, daß der behauptete "Diebstahl" als nicht erwiesen anzusehen ist. Konnte doch die belangte Behörde hiebei auch berücksichtigen, daß die Beschwerdeführerin die Registrierkassastreifen nicht aufbewahrt hat und somit die Nachprüfung der Richtigkeit des täglichen Kassastandes anläßlich der abgabenbehördlichen Prüfung nicht möglich gewesen ist, offensichtlich nie Kassastürze vorgenommen worden sind und die Beschwerdeführerin ERSTMALS bei der Schlußbesprechung wegen der festgestellten Kalkulationsdifferenzen den Einwand erhoben hat, eine ehemalige Verkäuferin habe Geld aus der Kassa im geschätzten Ausmaß von ca 250.000 S "gestohlen", wobei sie es im gesamten Verfahren unterlassen hat, für diese Behauptung taugliche Beweismittel beizubringen. An der Schlußfolgerung der belangten Behörde vermögen auch die Beschwerdeausführungen über die Höhe der getätigten Entnahmen nichts zu ändern, weil deren Höhe - wie bereits aufgezeigt - von der belangten Behörde keineswegs unschlüssig gegen die Wahrscheinlichkeit von "Diebstählen" ins Treffen geführt wurde. Mit der nicht konkretisierten Behauptung, die belangte Behörde hätte für die Beschwerdeführerin günstige Beweisergebnisse nicht berücksichtigt, wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt. Was die behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften durch das Finanzamt betrifft, genügt es darauf hinzuweisen, daß nur der angefochtene Bescheid der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof unterliegt, somit allein von der Abgabenbehörde erster Instanz zu vertretende Verletzungen von Verfahrensvorschriften nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen können. Wenn die Beschwerdeführerin schließlich aus "menschlichen Gründen (ansonsten war die Angestellte fleißig)" und mangels "100 %igen Nachweises" des "Diebstahls" auf eine Anzeige der verdächtigen Verkäuferin bei der Sicherheitsbehörde verzichtet und daher auch keinen Ersatzanspruch in ihr Rechenwerk eingestellt hat, ist ihr zu entgegnen, daß dieses Unterlassen nicht betrieblich veranlaßt war, sondern ihrer privaten Sphäre zuzurechnen ist, weil sie alle ihr zumutbaren Maßnahmen ergreifen hätte müssen, um durch deliktische Handlungen verursachte Minderungen ihres Betriebsvermögens und damit des steuerpflichtigen Gewinnes hintanzuhalten oder durch Ersatzansprüche auszugleichen.

Bei dieser Sach- und Rechtslage kann es dahingestellt bleiben, ob der Steuerberater der Beschwerdeführerin im Zug der mündlichen Verhandlung die Berufung insofern eingeschränkt hat, als wenigstens ein "Diebstahl" in der Größenordnung von 50.000 S anerkannt werden solle.

Wie bereits ausgeführt ist die belangte Behörde zu Recht zu dem Schluß gelangt, daß der behauptete "Diebstahl" als nicht erwiesen anzusehen ist. Sie hat daher die Berufung zur Gänze - somit auch hinsichtlich der Anerkennung eines "Diebstahls" in der Größenordnung von nur 50.000 S - als unbegründet abgewiesen. Dennoch hat die belangte Behörde ausgesprochen, die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der in den angefochtenen Bescheiden angeführten Abgaben blieben unverändert. In den angefochtenen Bescheiden (das sind die im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Bescheide des Finanzamtes) ist das Finanzamt aber den Feststellungen des Prüfers gefolgt und hat den von der Beschwerdeführerin für das Streitjahr erklärten Gewinn lediglich um 430.000 S (somit abzüglich einer Betriebsausgabe von 50.000 S für den "Diebstahl") erhöht.

Durch den Umstand, daß die belangte Behörde trotz gänzlicher Abweisung der Berufung eine Betriebsausgabe aus dem behaupteten "Diebstahl" von 50.000 S anerkannt hat, ist die Beschwerdeführerin in dem als Beschwerdepunkt geltend gemachten Recht nicht verletzt worden.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

Schlagworte

freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1991140174.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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