TE Vfgh Erkenntnis 1992/2/27 G126/91

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Veröffentlicht am 27.02.1992
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Index

61 Familienförderung, Jugendfürsorge
61/04 Jugendfürsorge

Norm

B-VG Art12 Abs1 Z1
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
KindRÄG ArtVI §2
Oö JWG 1955 §9
JWG 1989 §33
JWG 1989 §40
JWG 1989 §42
JWG 1989 §46

Leitsatz

Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung des (ganzen) JWG 1989 mangels Präjudizialität sowie des Antrags auf Aufhebung einer Bestimmung des Oö JWG 1955 wegen zu eng gefaßtem Antrag; Aufhebung einer Bestimmung des JWG 1989 betreffend das Inkrafttreten dieses Gesetzes wegen Verstoßes gegen Art18 Abs1 B-VG infolge widersprüchlicher bzw undeutlicher Formulierung; Abweisung des Antrags auf Aufhebung weiterer Bestimmungen über das Inkrafttreten des JWG 1989 bzw das Außerkrafttreten des JWG 1954; verfassungskonforme Auslegung möglich; Abweisung des Antrags auf Aufhebung einer Bestimmung des JWG 1989 betreffend die Kostentragung für Maßnahmen der öffentlichen Jugendwohlfahrtspflege; kompetenzgemäße Erlassung als unmittelbar anwendbares Bundesrecht

Spruch

§46 des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989, BGBl. Nr. 161, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Der Antrag auf Aufhebung der §§40 und 42 Abs1 und 2 des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989 sowie des ArtVI §2 des Kindschaftsrecht-Änderungsgesetzes wird abgewiesen.

Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Das Kreisgericht Steyr stellt den Antrag, das Jugendwohlfahrtsgesetz 1989, BGBl. 161 (JWG 1989), in eventu die §§40, 42 Abs2 und 46 dieses Gesetzes sowie ArtVI §2 des Kindschaftsrecht-Änderungsgesetzes, BGBl. 162/1989 (KindRÄG), oder §40 JWG 1989 allein, allenfalls §9 des oberösterreichischen Jugendwohlfahrtsgesetzes, LGBl. 82/1955, idF LGBl. 69/1979 (O.ö. JWG), als verfassungswidrig aufzuheben. Es hat über einen Rekurs gegen einen Beschluß des Bezirksgerichtes Kirchdorf an der Krems als Pflegschaftsgericht zu entscheiden, worin die Mutter einer in einem Kinderheim untergebrachten Minderjährigen auf Antrag des Magistrates Linz (Jugendamt) gemäß §40 JWG 1989 zur Leistung von Kostenersatz in der Höhe von 650 S monatlich ab 1. November 1990 verpflichtet wird, was im Rekurs insoweit bekämpft wird, als die Verpflichtung 500 S übersteigt.

1. Der im zweiten, unmittelbar anwendbares Bundesrecht enthaltenden Teil des JWG 1989 eingereihte §40 bestimmt unter der Rubrik "Gerichtliches Verfahren zur Bestimmung der Kosten der vollen Erziehung":

"§40. Soweit eine Vereinbarung über das Tragen und den Ersatz der Kosten der vollen Erziehung (§33) nicht zustande kommt, entscheidet darüber, unabhängig vom Alter des Kindes, auf Antrag des Jugendwohlfahrtsträgers das Pflegschafts(Vormundschafts)gericht im Verfahren Außerstreitsachen. Der §183 AußStrG ist hiebei sinngemäß anzuwenden."

Im ersten, die Grundsatzbestimmungen enthaltenden Teil des JWG 1989 bürdet §32 die vorläufige Tragung der Kosten von Maßnahmen der öffentlichen Jugendwohlfahrt dem Jugendwohlfahrtsträger auf. Sodann bestimmt §33, daß die Kosten der vollen Erziehung der Minderjährige und seine Unterhaltspflichtigen nach bürgerlichem Recht zu tragen und gegebenenfalls rückwirkend für drei Jahre zu ersetzen haben, soweit sie nach ihren Lebensverhältnissen dazu imstande sind. Die volle Erziehung umfaßt nach §28 Pflege und Erziehung des Minderjährigen in einer Pflegefamilie, in einem Heim oder in einer sonstigen Einrichtung; sie ist eine Form der Hilfe zur Erziehung (§26) wie auch die Unterstützung der Erziehung (§27: Beratung, Förderung, Betreuung) und die Erziehungshilfe (§§29, 30).

Nach der grundsatzgesetzlichen Vorschrift des §4 Abs1 JWG 1954 hatten die Kosten von Maßnahmen der öffentlichen Jugendwohlfahrtspflege der Minderjährige, im Falle seines Unvermögens die unterhaltspflichtigen Angehörigen im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht zu tragen; im letzten Satz dieser Vorschrift war bestimmt, daß über die Tragung der Kosten im Verwaltungsweg zu entscheiden ist. Gleiches fand sich im Zeitpunkt der vorliegenden Antragstellung in §9 O.ö. JWG (dessen Stammfassung niemals geändert wurde).

Über sein Inkrafttreten enthält das JWG 1989 folgende Bestimmungen:

"§42. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Juli 1989 in Kraft.

(2) Das Jugendwohlfahrtsgesetz, BGBl. Nr. 99/1954, in der geltenden Fassung tritt, sofern es nicht durch das Bundesgesetz über die Änderung des Kindschaftsrechts (Kindschaftsrecht-Änderungsgesetz - KindRÄG) außer Kraft gesetzt wird, mit 30. Juni 1989 außer Kraft.

(3) Die Ausführungsgesetze der Länder sind innerhalb eines Jahres, vom Tag des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes an gerechnet, zu erlassen."

"§46. In den einzelnen Ländern treten mit Wirksamkeitsbeginn des jeweiligen Ausführungsgesetzes die §§1 bis 17, der §18 bezüglich der Z1, 3, 4, 6 und 7, die §§19 bis 35, dann die §§37 bis 42 des Jugendwohlfahrtsgesetzes, BGBl. Nr. 99/1954, in der geltenden Fassung außer Kraft."

Das in §42 Abs2 genannte und nach seinem ArtVI §1 Abs1 mit 1. Juli 1989 in Kraft getretene KindRÄG bestimmt in ArtVI §2:

"§2. Mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes treten der Zweite Teil und der §42 Abs2 des Jugendwohlfahrtsgesetzes, BGBl. Nr. 99/1954, in der geltenden Fassung außer Kraft."

2. Das antragstellende Kreisgericht trägt gegen die angefochtenen Bestimmungen jeweils verschiedene Bedenken vor:

a) Dem JWG 1989 im ganzen, in eventu §42 Abs1 und 2 und §46 sowie ArtVI §2 KindRÄG lastet es einen Verstoß gegen Art18 Abs1 B-VG an, weil nicht erkennbar sei, ob und wann das JWG 1989 in Kraft und des JWG 1954 außer Kraft trete. Nur "mit subtiler Sachkenntnis, außerordentlichen methodischen Fähigkeiten und einer gewissen Lust zum Lösen von Denksport- Aufgaben" (VfGH G82/90 u.a. vom 29. Juni 1990) könne überhaupt verstanden werden, welche Anordnungen hier getroffen sind. So trete das JWG 1989 nach seinem §42 Abs2 iVm ArtVI §2 KindRÄG im zweiten Teil (und der dazu gehörigen Vollzugsklausel) mit 1. Juli 1989, im übrigen mit 30. Juni 1989 außer Kraft, wogegen §46 bestimme, daß das JWG 1954 in allen dort aufgezählten, zusammen aber wieder beide Teile vollständig umfassenden Umfang in den einzelnen Ländern (erst) mit Wirksamkeitsbeginn des jeweiligen Ausführungsgesetzes außer Kraft trete. Denkbar sei aber auch, daß das KindRÄG als die (im Bundesgesetzblatt) nachfolgende Norm dem §46 JWG 1989 für den zweiten Teil des Gesetzes derogiert hat. Ferner ordne §42 Abs1 JWG 1989 das Inkrafttreten des neuen Gesetzes zwar mit 1. Juli 1989 an, gleichzeitig halte §46 JWG 1989 aber das JWG 1954, und zwar nicht nur im grundsatzgesetzlichen Teil, sondern - wegen der dort zitierten §§16ff - ausdrücklich auch bezüglich des unmittelbar anzuwendenden Bundesrechts bis zum Inkrafttreten der Ausführungsgesetze in Wirksamkeit, was nur einen Sinn ergebe, wenn in den einzelnen Ländern bis zum Wirksamkeitsbeginn des jeweiligen Ausführungsgesetzes das JWG 1989 noch nicht gelten solle. Oberösterreich habe noch kein Ausführungsgesetz auf der Grundlage des JWG 1989 erlassen. Könne aber nicht eindeutig gesagt werden, ob ein Gesetz in Geltung sei oder nicht, verstoße es zur Gänze gegen das rechtsstaatliche Prinzip.

Für die Verfassungsmäßigkeit der §§42 Abs2 und 46 JWG 1989 und des ArtVI §2 KindRÄG sei selbst aus einem Blick auf die seinerzeitigen Übergangsvorschriften des JWG 1954 (nach dessen §40 das Gesetz gegenüber den Ländern für die Ausführungsgesetzgebung mit dem Tag der Kundmachung, im übrigen in jedem Land gleichzeitig mit dem im betreffenden Land erlassenen Ausführungsgesetz in Kraft trat, zu welchem Zeitpunkt nach §41 auch die früheren Vorschriften außer Kraft traten) nichts zu gewinnen:

"Auch wenn die §§42 Abs1 und 2 und 46 JWG 1989 so verstanden würden, daß das JWG 1989 nur für die Ausführungsgesetzgebung der Länder mit dem 1.7.1989 in Kraft tritt, in den einzelnen Ländern aber erst mit Wirksamkeitsbeginn des jeweiligen Ausführungsgesetzes, und daß zu diesem gleichen Zeitpunkt das JWG 1954 außer Kraft tritt (allerdings entgegen dem zunächst im §42 Abs2 JWG und auch in ArtVI §2 KindRÄG Normierten), wäre auch dies nicht nur in sich widersprüchlich, sondern auch dem Art15 Abs6 B-VG widerstreitend. Diesfalls wäre nämlich davon auszugehen, daß nur die im §42 Abs3 JWG 1989 bestimmte Einjahresfrist für die Ausführungsgesetzgebung der Länder mit dem 1.7.1989 in Lauf gesetzt wird, im übrigen aber gemäß §46 JWG 1989 das JWG 1954 bis zum Wirksamkeitsbeginn der jeweiligen Ausführungsgesetze der Länder in Kraft bleibt. ...

... da aber in der hier angezogenen Betrachtungsweise das JWG 1954 bis zum Wirksamkeitsbeginn der jeweiligen Ausführungsgesetze ohnehin in Kraft bleibt, hätte dies zur Folge, daß trotz Überschreitens der Einjahresfrist ein Ausführungsgesetz - zufolge Inkraftbleibens des JWG 1954 - grundsatzgemäß bliebe, obwohl es im Sinne des Art15 Abs6 B-VG nunmehr, was seine Grundsatzgemäßheit betrifft, nicht mehr am JWG 1954, sondern nur noch am JWG 1989 zu messen ist. Damit wäre aber den Ländern anheimgestellt, ihre Ausführungsgesetzgebung nach Belieben nach dem bisherigen JWG 1954 ausgerichtet zu belassen, oder erst im Falle eines Ausführungsgesetzes auf der Grundlage des JWG 1989 nach eben diesem Bundesgesetz. Dem Sinn des Art15 Abs6 B-VG entspricht es aber, daß - im konkreten Fall - positivrechtlich dem Bundesgrundsatzgesetz widersprechende Ausführungsregelungen des Landes nicht bloß als Unterlassung der Ausführung zu qualifizieren sind, sondern daß sie grundsatzgesetzwidrig und daher verfassungswidrig sind (VfSlg. 4093; vgl. auch VfSlg. 3744). Dem entspräche, daß nach Ablauf der hier in Rede stehenden Einjahresfrist mit dem JWG 1989 nicht in Einklang stehende (bisherige) Ausführungsgesetze der Länder verfassungswidrig werden, was aber - Art15 Abs6 B-VG widersprechend - dann nicht der Fall ist, wenn das bisherige Grundsatzgesetz ohnehin in Kraft bleibt. Diese Thematik ist relevant, weil - nur beispielsweise angeführt - die Abschnitte VI und VII des O.ö. JWG mit den §§26 bis 31 JWG 1989 unvereinbar sind. Es müßte ja eine Fürsorgemaßnahme im Sinne der vollen Erziehung vorliegen, damit überhaupt eine Entscheidung im Sinne des §40 JWG 1989 getroffen werden könnte."

b) §40 JWG 1989 hält das antragstellende Kreisgericht für kompetenzwidrig, weil es sich um eine Angelegenheit der Säuglings- und Jugendfürsorge nach Art12 Abs1 Z1 B-VG handle, sodaß der Bund nur zur Grundsatzgesetzgebung zuständig sei (Hinweis auf das Erkenntnis VfSlg. 6532/1971). Selbst wenn man §40 entgegen seiner Plazierung im zweiten Teil des Gesetzes als grundsatzgesetzliche Norm ansehe, würde er durch Berufung der Gerichte zur Vollziehung unzulässigerweise in die Vollziehungskompetenz der Länder eingreifen. Es bestünde dann auch ein Widerspruch zu §9 O.ö. JWG, wonach über die Kostentragung im Verwaltungsweg zu entscheiden sei. Die Geltung dieses Gesetzes werde durch die Änderung des Grundsatzgesetzes nicht berührt. Unmittelbar anwendbares Bundesrecht könne an der Geltung des Ausführungsgesetzes gleichfalls nichts geändert und es auch nicht verfassungswidrig gemacht haben. Die Grundsatzbestimmungen des JWG 1989 ließen die Frage aber unberührt, sodaß die Ausführungsgesetzgebung (bei Bestimmung der Vollzugsbehörde) nunmehr frei sei. Sei freilich §40 JWG bloß eine Grundsatzbestimmung, so sei §9 O.ö. JWG nach Verstreichen der Frist für die Ausführungsgesetzgebung verfassungswidrig geworden.

3. Die Bundesregierung hält den Antrag nur in bezug auf die §§40, 42 Abs1 und 2 und 46 JWG 1989 sowie ArtVI §2 KindRÄG für präjudiziell. Andere Bestimmungen habe das antragstellende Gericht nicht anzuwenden und gegen andere Bestimmungen habe es auch keine Bedenken dargelegt. In der Sache verteidigt die Bundesregierung die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes:

a) Art18 Abs1 B-VG hält sie nicht für verletzt, weil ohne Mühe und aus demselben Stück des Bundesgesetzblattes erkannt werden könne, daß das JWG 1954 mit Ausnahme seines zweiten Teils und des §42 Abs2 mit 30. Juni 1989, der zweite Teil und §42 Abs2 jedoch einen Tag später, nämlich mit 1. Juli 1989 außer Kraft und das JWG 1989 mit 1. Juli 1989 in Kraft getreten sei. Was §46 JWG 1989 betreffe, sei zu bedenken,

"... daß der Gesetzgeber bei Erlassung des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989 offensichtlich bestrebt war, einen verfassungskonformen Übergang von den bestehenden Ausführungsgesetzen der Länder zum JWG 1954 zu den neu zu erlassenden Ausführungsgesetzen sicherzustellen. Er hielt es für notwendig, in §46 des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989 ausdrücklich zu normieren, daß die grundsatzgesetzliche Grundlage für die bestehenden Ausführungsgesetze der Länder bis zur Erlassung von neuen Ausführungsgesetzen weiterhin aufrecht bleiben soll. Damit sollte offensichtlich sichergestellt werden, was sich ohnehin schon aus Art15 Abs6 B-VG ergibt: daß nämlich innerhalb der vom Bundesgrundsatzgesetzgeber den Landesgesetzgebern zur Anpassung bestimmten Frist bestehende Ausführungsgesetze verfassungskonform sind (hiezu VfSlg. 10176/1984, Auckenthaler, Der Zusammenhang von Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung, ÖJZ 1984, 57, 87; Mayer, Zur Devolutionskompetenz nach Art15 Abs6 B-VG, ÖJZ 1985, 545). §42 Abs3 des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989 bestimmt für die Anpassung der Ausführungsgesetze der Länder eine Frist von einem Jahr. Daher kann auch dem §46 leg.cit. in dieser Hinsicht, der auf eine innerhalb dieser Frist vorgenommene Anpassung abstellt, nur für diesen Zeitraum eine Bedeutung beigemessen werden. Dies wird im übrigen auch am Wortlaut dieser Bestimmung deutlich, welcher auf das Außerkrafttreten des JWG 1954 'in den einzelnen Ländern' abstellt. Somit kann auch §46 des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989 nicht als eine Ermächtigung zur Überschreitung der im Art15 Abs6 B-VG vorgesehenen, und im §42 Abs3 JWG näher festgelegten Frist verstanden werden.

§46 JWG kann nicht so verstanden werden, daß der Zweite Teil des JWG 1954, also dessen als unmittelbar anzuwendendes Bundesrecht geltende Bestimmungen (die §§16 - 39), erst mit Wirksamkeitsbeginn des jeweiligen Ausführungsgesetzes in den einzelnen Ländern außer Kraft treten sollen. Damit wäre nämlich der Zeitpunkt des Inkrafttretens bundesgesetzlicher Vorschriften im Ergebnis von einem Akt des Landesgesetzgebers abhängig gemacht, was bei einer Betrachtung des §46 JWG für sich allein genommen verfassungsrechtlich bedenklich erschiene (VfSlg. 6290/1970, 7085/1973, 7241/1973). Angesichts der eindeutigen Regelungen betreffend das Außerkrafttreten des JWG 1954 sowie das Inkrafttreten des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989 in den §42 Abs1 und 2 JWG sowie im ArtVI §2 KindRÄG kann dem Gesetzgeber jedoch nicht unterstellt werden, daß er ein solches verfassungswidriges - und zudem widersprüchliches - Ergebnis erzielen wollte.

In der Regierungsvorlage zum Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 (171 BlgNR 17.GP) war eine dem §42 Abs2 JWG entsprechende Regel nocht nicht enthalten. Hingegen war darin ein §46 - welcher im übrigen nach dem Vorbild des §41 JWG 1954 gestaltet ist - bereits vorgesehen. §42 Abs2 JWG wurde erst im Zuge der Ausschußberatungen eingefügt (872 BlgNR 17.GP). Daraus kann geschlossen werden, daß der Gesetzgeber das Problem erkannt hat, daß das Außerkrafttreten des JWG 1954 in eindeutiger und verfassungskonformer Weise zu bestimmen sei. Aus den dargelegten Gründen dürfte jedoch das Ergebnis vertretbar sein, daß §46 JWG eine teils überflüssige und teils widersprüchliche, nicht aber eine verfassungswidrige Bestimmung ist, dessen Ziel die Vermeidung der Geltung alter Grundsätze nach Erlassung der betreffenden Ausführungsgesetze ist."

Auch die Gerichte hätten bisher einheitlich den Standpunkt vertreten, daß das JWG 1989 am 1. Juli 1989 in Kraft getreten sei:

"So hat der Oberste Gerichtshof gerade in bezug auf das Inkrafttreten des im vorliegenden Zusammenhang relevanten §40 JWG erkannt, daß diese Bestimmung mit 1. Juli 1989 in Kraft getreten ist (Beschluß vom 15. Februar 1990, 8 Ob 718/89, ÖA 1990, 81, mit kritischer Anmerkung von Pichler; siehe auch die Entscheidungen des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 14. November 1989, 44 R 672/89, ÖA 1990, 82 und des Landesgerichts Klagenfurt vom 31. Jänner 1990, 2 R 41/90, ÖA 1990, 54). Auffassungsunterschiede bestanden bloß bezüglich des Bedeutungsinhaltes des §40 JWG. Während nämlich der OGH in seinem oben zitierten Beschluß angenommen hat, daß §40 JWG bloß auf Ansprüche abstellt, die aufgrund von Ausführungsbestimmungen der Länder zu §33 des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989 entstanden sind, vertraten das LG für Zivilrechtssachen Wien und das LG Klagenfurt die Auffassung, §40 JWG beziehe sich auf all jene Kosten von Maßnahmen der öffentlichen Jugendwohlfahrtspflege, über welche bis 30. Juni 1989 im Verwaltungswege noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist."

b) Zu §40 JWG hält die Bundesregierung dem Hinweis auf das nur die Entscheidung VfSlg. 3111/1956 bekräftigende Erkenntnis VfSlg. 6532/1971 die jüngere Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs entgegen,

"..., wonach durch den Jugendwohlfahrtsträger gemäß §26 Abs2 JWG 1954 (nunmehr §§27 ff JWG und §§176a, 176b und 215 Abs1 ABGB) gesetzte Maßnahmen der Erziehungshilfe als Akte der Privatwirtschaftsverwaltung zu qualifizieren sind und der Jugendwohlfahrtsträger in dieser Hinsicht in verfassungskonformer Weise der Aufsicht der Gerichte untersteht (VfSlg. 11492/1987, siehe auch VfSlg. 11939/1988).

Auch jene Maßnahmen, für welche gemäß §§33 und 40 JWG ein Ersatzanspruch des Jugendwohlfahrtsträgers entsteht, erfolgen in Form der Privatwirtschaftsverwaltung. Sind diese Maßnahmen der Erziehungshilfe aber als privatrechtliche Akte zu qualifizieren, so folgt daraus auch, daß das Verhältnis zwischen Jugendwohlfahrtsträger und ersatzpflichtigem Minderjährigen bzw. Unterhaltspflichtigem als ein Rechtsverhältnis von Privaten unter sich und damit als eine Angelegenheit des Zivilrechtswesens im Sinne des Art10 Abs1 Z6 B-VG zu qualifizieren ist.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist eine Regelung nämlich dann dem Zivilrechtswesen gemäß Art10 Abs1 Z6 B-VG zuzuordnen, wenn die Norm ein Verhältnis zwischen Privaten untereinander regelt und - unabhängig davon - kein öffentliches Interesse oder Bezugnahme auf dieses Verhältnis zur Geltung bringt (VfSlg. 6862/1972, 9580/1982, 11178/1986). Dies ist aber bei §40 JWG der Fall.

Für eine Qualifikation des in den §§33 und 40 JWG geregelten Anspruches als Angelegenheit des Zivilrechtswesen spricht auch Art6 MRK, nach dem zur Entscheidung über zivilrechtliche Ansprüche die Zuständigkeit eines unabhängigen Tribunals gesetzlich vorzusehen ist (siehe auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu den §§32 und 40 JWG, 171 BlgNR 17.GP, 27f und 29ff). Es dürfte nämlich in verfassungsrechtlicher Hinsicht dem Art6 MRK widersprechen, wenn über Ersatzansprüche für Aufwendungen, die im Rahmen privatrechtlicher Tätigkeit entstanden sind, weisungsgebundene Organe jenes Rechtsträgers zu entscheiden haben, dessen Ersatzansprüche geltend gemacht werden. Dies würde im Ergebnis dazu führen, daß die Verwaltung in 'eigener Sache' entscheidet.

Angesichts des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 11492/1987 dürfte es sich bei Ersatzansprüchen gemäß §40 JWG daher um Ansprüche handeln, welche jenem 'Kernbereich' des Zivilrechts zuzuordnen sind, den der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 11500/1987 umschrieben hat. Die Regelung dieses Kernbereiches dürfte aber auch - unbeschadet der Kompetenz der Länder gemäß Art15 Abs9 B-VG - der Gesetzgebungskompetenz des Bundes vorbehalten sein."

4. Die Oberösterreichische Landesregierung ist der Auffassung, §40 JWG 1989 gelte nur für die in §33 geregelten Ersatzansprüche und könne daher mangels eines Ausführungsgesetzes nicht in Betracht kommen. Nach §46 JWG 1989 träten die für die Ausführungsgesetzgebung maßgebenden Bestimmungen des JWG 1954 (erst) mit Wirksamkeit des (neuen) Ausführungsgesetzes außer Kraft. Für die in Rede stehenden Ersatzansprüche sei nach wie vor §9 O.ö. JWG heranzuziehen. Er sei aber - offenbar: seines Inhaltes wegen - für das Gericht nicht präjudiziell.

II. Der Antrag ist zulässig, soweit er die §§40, 42 Abs1 und 2 sowie 46 JWG 1989 und ArtVI §2 KindRÄG betrifft, im übrigen aber als unzulässig zurückzuweisen (zum Eventualantrag siehe unten IV.).

Das antragstellende Kreisgericht hat als Rekursgericht über einen Anspruch auf Kostentragung zu entscheiden und im Falle der Geltung des zweiten Teiles des JWG 1989 dessen §40 anzuwenden. Nur aus dieser Bestimmung kann das Gericht entnehmen, ob es zur Entscheidung über den geltend gemachten Ersatzanspruch für eine Maßnahme nach dem O.ö. JWG zuständig ist. Zur Beantwortung der Frage, ob §40 JWG 1989 in Geltung steht, hat es unter anderem die Übergangsbestimmungen der §§42 Abs1 und 2 und 46 JWG 1989 und wegen §42 Abs2 auch ArtVI §2 KindRÄG heranzuziehen. Andere Bestimmungen des JWG 1989 kommen hingegen für das antragstellende Gericht nicht in Betracht. Mit der Behauptung, die Unbestimmtheit seiner Geltung mache das ganze Gesetz verfassungswidrig, kann deren Präjudizialität nicht begründet werden.

III. Der Antrag ist in bezug auf §46 auch begründet, im übrigen aber als unbegründet abzuweisen.

1. Es bedarf keiner näheren Darlegung, daß die angegriffenen Übergangsvorschriften in sich mehrfach widersprüchlich oder doch nicht folgerichtig formuliert sind.

a) Es ist gewiß nicht möglich, daß das JWG 1989 insgesamt "mit 1. Juli 1989" in Kraft tritt (§42 Abs1), der zweite Teil des JWG 1954 und die dazu gehörige Vollzugsklausel aber erst "mit 1. Juli 1989" (wie anscheinend das antragstellende Gericht, jedenfalls aber die Bundesregierung ArtVI §2 KindRÄG wegen des Gegensatzes zu der in §42 Abs2 verwendeten Formulierung "mit 30. Juni 1989" versteht) außer Kraft tritt. Hält man sich den Wortlaut des ArtVI §2 KindRÄG indessen für sich allein vor Augen, so ist klar, daß die Wortfolge "Mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes ..." den in ArtVI §1 genannten Beginn (und nicht etwa den Ablauf) des 1. Juli 1989 und damit zugleich den Ablauf des 30. Juni 1989 als Zeitpunkt des Außerkrafttretens festlegt. ArtVI §2 kann im bloßen Zusammenhang des KindRÄG vernünftigerweise - und ohne jede Schwierigkeit - so verstanden werden, daß er (in bezug auf den zweiten Teil des JWG 1954) dasselbe anordnet wie §42 Abs2 JWG 1989 (sodaß die unerklärliche Überschneidung von einem Tag vermieden wird): mit (Ablauf des) 30. Juni verliert der zweite Teil des JWG 1954 seine Wirksamkeit, weil mit (Beginn des) 1. Juli 1989 das KindRÄG wirksam wird. Daß sich solcherart das "mit" in ArtVI §2 KindRÄG auf ein anderes Ereignis (nämlich den Beginn eines Tages) bezieht als in §42 Abs2 JWG (wo es an das Ende eines Tages anknüpft), mag den Wechsel in der Betrachtungsweise nicht gerade als glücklich erscheinen lassen, belastet die Formulierungen aber keineswegs mit einem in die Verfassungssphäre reichenden Mangel.

Insoweit ist der Antrag daher als unbegründet abzuweisen.

b) Es ist aber auch nicht möglich, daß das JWG 1954 mit 30. Juni 1989 außer Kraft tritt (§42 Abs2 und ArtVI §2 KindRÄG), in den einzelnen Ländern aber erst mit Wirksamkeitsbeginn des jeweiligen Ausführungsgesetzes (§46). Der bei pauschaler Nennung des Gesetzes vielleicht mögliche Ausweg, §46 nur für den grundsatzgesetzlichen Teil gelten zu lassen (sodaß §42 Abs1 insoweit nur gegenüber den Ländern für die Ausführungsgesetzgebung Bedeutung hätte, im übrigen das Grundsatzgesetz aber erst nach Ausführung außer Kraft träte), ist hier deshalb nicht gangbar, weil §46 ausdrücklich (durch Aufzählung der einzelnen Paragraphen) auch den zweiten, unmittelbar anwendbares Bundesrecht enthaltenden Teil des JWG 1954 mit einbezieht und so für die in §42 Abs2 und ArtVI §2 KindRÄG angeordnete Rechtsfolge keinen Raum läßt.

Es handelt sich also offenbar um ein Redaktionsversehen. Die Bundesregierung bezeichnet §46 JWG 1989 selbst als eine "teils überflüssige und teils widersprüchliche" Bestimmung und will mit Überlegungen zur Verfassungslage in bezug auf die Besonderheiten des Verhältnisses von Grundsatzgesetzgebung und Ausführungsgesetzgebung zu einer Lösung kommen. Auch ihr gelingt aber kein überzeugender Nachweis, daß nicht etwa doch das JWG 1989 insgesamt - wie seinerzeit des JWG 1954 - für die Vollziehung erst gleichzeitig mit dem Ausführungsgesetz wirksam werden soll. Den angegriffenen Vorschriften liegen nämlich ganz unterschiedliche Konzepte zugrunde. Deshalb muß das Redaktionsversehen nicht in §46 liegen, der den Übergangsvorschriften des JWG 1954 nachgebildet ist, es kann auch §42 betreffen, so zwar, daß die Vorschrift über das Außerkrafttreten des alten Gesetzes in Abs2 und im KindRÄG nur als formale Kehrseite jener über das Inkrafttreten des neuen Gesetzes in Abs1 zu lesen wäre, die tatsächliche Bedeutung beider Vorschriften sich aber erst aus §46 ergibt. Die Überlegungen der Bundesregierung zeigen damit - wohl gegen ihre Absicht -, daß bei Einbeziehung aller in Betracht kommenden Vorschriften - wenn überhaupt - nur "mit subtiler Sachkenntnis, außerordentlichen methodischen Fähigkeiten und einer gewissen Lust am Lösen von Denksport-Aufgaben" verstanden werden kann, welche Anordnungen hier getroffen werden sollen. Damit liegt aber der Verstoß gegen Art18 Abs1 B-VG offen zutage.

Eine verfassungsmäßige - nämlich eindeutige - Rechtslage ist jedoch herstellbar, wenn durch Aufhebung des §46 JWG 1989 die Unklarheit über die Bedeutung des §42 beseitigt wird. Das JWG 1989 tritt dann zur Gänze ohne Vorbehalt an die Stelle des JWG 1954. Daß die Ausführungsgesetze der Länder bis zum Ablauf der ihnen nach §42 Abs3 gesetzten Frist ihre grundsatzgesetzliche Deckung nicht verlieren, ergibt sich aus der Bundesverfassung und bedarf keiner einfachgesetzlichen Regelung. Die sofortige Ablösung des JWG 1954 durch das JWG 1989 erübrigt auch eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob das Inkrafttreten des unmittelbar anwendbaren Bundesrechts an die Anpassung des AusführungsG geknüpft werden darf.

Eine Aufhebung des §46 bewirkt den geringsten Eingriff in das Gesetz. Sie scheint dem Gerichtshof auch am ehesten dem Willen des Gesetzgebers zu entsprechen. Daß noch im Familienausschuß des Nationalrates ein gleichzeitiges Inkrafttreten der an das neue Grundsatzgesetz angepaßten Ausführungsgesetze und des unmittelbar anwendbaren Bundesrechts beabsichtigt gewesen sei, behauptet die Bundesregierung nicht. Der Verfassungsgerichtshof kann dafür auch keine Gründe finden. Die in Anbetracht des primären Anfechtungsantrages offenbar bloß prozeßtaktisch eingesetzte Annahme des antragstellenden Gerichtes, die Anwendung des §40 setze die Ausführung der grundsatzgesetzlichen Bestimmungen über die "volle Erziehung" voraus, trägt zur Lösung dieser Frage nichts bei. Auch wenn §40 JWG 1989 erst auf die Kosten für Maßnahmen anzuwenden ist, die nach dem (durch das jeweilige Land ausgeführten) JWG 1989 gesetzt werden (OGH ÖAV 1990, 81), ist das keine Frage seiner Geltung, sondern des sachlichen Anwendungsbereiches.

§46 JWG 1989 ist also wegen Verstoßes gegen Art18 Abs1 B-VG aufzuheben.

2. Was §40 JWG 1989 betrifft, ist davon auszugehen, daß es sich bei der Regelung der Kostentragung für Maßnahmen der öffentlichen Jugendwohlfahrtspflege um eine Angelegenheit der Jugendfürsorge handelt (VfSlg. 3111/1956 und 6532/1971). Es obliegt daher dem Bund als Grundsatzgesetzgeber zu bestimmen, ob er diesen Anspruch als einen öffentlich-rechtlichen (und daher von Verwaltungsbehörden zu entscheidenden) oder als einen privatrechtlichen gestaltet haben will. Auch die privatrechtliche Gestaltung eines Kostenersatzanspruchs ändert nichts daran, daß es sich um eine Maßnahme der Jugendfürsorge handelt. Der Kompetenztatbestand der Jugendfürsorge in Art12 Abs1 Z1 B-VG umfaßt diese Maßnahme ohne Rücksicht auf ihre öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Struktur. Richtigerweise ist daher der Kostenersatzanspruch seinem Inhalt nach in §33, also wie bisher im grundsatzgesetzlichen Teil geregelt, sodaß die Länder den Anspruch in Ausführung der Grundsätze noch näher gestalten können.

Anders als nach den Vorschriften des JWG 1954 (vgl. VfSlg. 3111/1956 und 6532/1971) ist der Anspruch im JWG 1989 aber nicht mehr als öffentlich-rechtlicher gestaltet. Vielmehr ergibt sich aus dem Zusammenhalt des verwiesenen §33 mit dem verweisenden §40, daß darüber Vereinbarungen geschlossen werden können und im Streitfall die Gerichte entscheiden. Wenngleich beides auch bei öffentlich-rechtlichen Ansprüchen nicht ausgeschlossen wäre (vgl. VfSlg. 9226/1981 und 5008/1965), sprechen diese Umstände doch im Zweifel dafür, daß der Ersatzanspruch nunmehr privatrechtlicher Natur und daher ebenso der Entscheidung der Gerichte unterworfen ist, wie die Maßnahmen der Pflege und Erziehung, zu deren Durchführung in Formen des Privatrechts die Länder nach den grundsatzgesetzlichen Bestimmungen verpflichtet sind, der gerichtlichen Kontrolle unterliegen (VfSlg. 11492/1987; vgl. auch VfSlg. 11939/1988). Verfassungsrechtliche Grundsätze stehen dieser Einordnung unter den gegebenen Umständen nicht entgegen. Ist aber der Ersatzanspruch privatrechtlicher Natur, so ist die Regelung der Zuständigkeit der Gerichte und des Verfahrens zurecht als unmittelbar anwendbares Bundesrecht erlassen worden.

Die Bedenken des antragstellenden Gerichtes gegen §40 JWG 1989 treffen also nicht zu.

Was sich aus dem Umstand, daß der Anspruch selbst im grundsatzgesetzlichen Teil zu regeln ist und geregelt wird, für den Anwendungsbereich des §40 JWG 1989 ergibt, ist nicht in diesem Verfahren zu klären.

IV. Für den Fall, daß die gegen §40 JWG 1989 geäußerten Bedenken nicht zutreffen, macht das antragstellende Gericht nun allerdings die Verfassungswidrigkeit des §9 O.ö. JWG geltend:

Diese - in Ausführung des §4 Abs1 JWG ergangene - Vorschrift bestimmte in ihrer zum Zeitpunkt der Antragstellung noch geltenden Stammfassung, LGBl. 82/1955, unter der Rubrik "Entscheidung im Verwaltungswege":

"Über die Höhe der Kosten und über die Verpflichtung, sie zu tragen bezw. zu erstatten, ist im Verwaltungswege zu entscheiden."

Nach §7 des Gesetzes trug die Kosten von Maßnahmen der Jugendfürsorge der Minderjährige, im Falle seines Unvermögens die zu seinem Unterhalt gesetzlich verpflichteten Personen im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht; nach §8 waren die Kosten der Fürsorgeerziehung dem Land auf Verlangen vom Minderjährigen oder von den zu seinem Unterhalt verpflichteten Personen zu erstatten. Während des vorliegenden Gesetzesprüfungsverfahrens ist das O.ö. JWG 1955 freilich mit Wirkung vom 1. Oktober 1991 durch das O.ö. JWG 1991 ersetzt worden.

Gegen §9 O.ö. JWG 1955 hat das antragstellende Gericht unter der Annahme, daß §40 JWG 1989 eine Grundsatzbestimmung darstelle, das Bedenken, daß das Ausführungsgesetz nicht innerhalb der gesetzlichen Frist an diese Bestimmung angepaßt worden sei.

Die Prämisse dieser Bedenken trifft nach dem Gesagten nicht zu; §40 JWG 1989 ist keine grundsatzgesetzliche Norm, gegen welche §9 O.ö. JWG verstoßen könnte. Gleichwohl kann der Verfassungsgerichtshof den daraus in der Sache selbst folgenden Schluß - Nichtzutreffen der Bedenken - nicht ziehen. Handelt es sich nämlich um unmittelbar anwendbares Bundesrecht, das auf einen grundsatzgesetzlich geregelten Anspruch Bezug nimmt, so erweist sich der Eventualantrag überhaupt als unzulässig. Geht man davon aus, daß das antragstellende Gericht im Eventualantrag in bezug auf §40 JWG 1989 der Auffassung des Obersten Gerichtshofs folgt, daß nach dieser Bestimmung nur über die in §33 (bisher bloß durch Grundsatzbestimmung) neu geregelten Ersatzansprüche zu entscheiden ist, die erst nach Wirksamwerden eines Ausführungsgesetzes entstehen können (OGH ÖAV 1990, 81) - und nur dann scheint für eine Anwendung des §9 O.ö. JWG (auf vorher entstandene Ersatzansprüche) überhaupt noch Raum zu sein (vgl. LG Klagenfurt ÖAV 1990, 54 - dort fälschlich KG - und LGZ Wien ÖAV 1990, 82) -, so kommt eine isolierte Aufhebung bloß des §9 O.ö. JWG nicht in Betracht. Denn dann würde ein Anspruch, den der dafür zuständige Ausführungsgesetzgeber noch nicht an das neue - die privatrechtliche Ausgestaltung vorsehende - Grundsatzgesetz angepaßt hat, (scheinbar) dem Verwaltungsweg entzogen, obwohl durch keine Bestimmung, insbesondere auch nicht den darauf weiterhin unanwendbar bleibenden §40 JWG 1989 bewirkt würde, daß er nunmehr privatrechtlich einzuordnen (und mangels Vereinbarung im Außerstreitverfahren zu erledigen) wäre.

Ein die Regelung des Anspruches selbst nicht mit umfassender Antrag ist daher zu eng und gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (VfSlg. 8155/1977 und vice versa G170/88 vom 27. September 1990) zurückzuweisen.

Die Aussprüche über die Kundmachungspflicht und das Nichtwiederinkrafttreten früherer Bestimmungen stützen sich auf Art140 Abs5 und 6 B-VG.

Schlagworte

Jugendfürsorge, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Novellierung, Übergangsbestimmung, Determinierungsgebot, Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung, Kompetenz Bund - Länder Jugendfürsorge, Privatrecht - öffentliches Recht, Zuständigkeit der Gerichte, Gericht Zuständigkeit - Abgrenzung von Verwaltung, VfGH / Prüfungsgegenstand, Verständlichkeit einer Norm

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:G126.1991

Dokumentnummer

JFT_10079773_91G00126_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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