TE Vwgh Erkenntnis 1994/8/12 94/02/0203

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Veröffentlicht am 12.08.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §102 Abs3;
AAV §102 Abs4;
AAV §12 Abs2;
ASchG 1972 §31 Abs2 litp;
AVG §45 Abs1;
AVG §52;
VStG §44a Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 21. Oktober 1993, Zl. UVS-07/20/00923/93, betreffend Übertretungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft "als Vorstandsmitglied und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Arbeitgeberin", einer näher bezeichneten Genossenschaft m.b.H. mit dem Sitz in Wien, schuldig erkannt, es verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten zu haben, daß am 29. Oktober 1990 in einem von der Genossenschaft betriebenen Warenhaus in Salzburg "folgende Arbeitnehmerschutzbestimmungen nicht eingehalten waren:

1. Im Bereich der ständigen Arbeitsplätze in der Sportabteilung betrug die Luftgeschwindigkeit 0,2 m-0,5 m/sec.

2. Im Bereich der ständigen Arbeitsplätze der Parfumerieabteilung betrug die Luftgeschwindigkeit 0,4 m/sec.

3. Im Bereich der ständigen Arbeitsplätze in der Konfektionsabteilung betrug die Luftgeschwindigkeit 0,7 m/sec."

Dadurch habe er drei Übertretungen nach § 12 Abs. 2 erster Satz der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung

BGBl. Nr. 218/1983 (AAV) in Verbindung mit § 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes begangen. Über ihn wurden drei Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 2 erster Satz AAV darf bei Arbeiten mit geringer körperlicher Beanspruchung u.a. die Luftgeschwindigkeit nicht mehr als 0,10 m/s betragen. Gemäß § 102 Abs. 3 AAV findet u.a. § 12 auf bestehende Betriebe, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung den für sie in Betracht kommenden Vorschriften über den Dienstnehmerschutz entsprochen habe, nur insofern Anwendung, als die dadurch bedingten Änderungen ohne wesentliche Beeinträchtigung des Betriebes durchführbar sind, es sei denn, daß es sich um Beseitigung von das Leben, die Gesundheit oder die Sittlichkeit der Arbeitnehmer offenbar gefährdenden Mißständen handelt oder daß die gestellten Anforderungen ohne unverhältnismäßigen Kostenaufwand und ohne größere Betriebsstörung durchführbar sind. Gemäß § 102 Abs. 4 AAV findet u.a. § 12 auf bestehende Betriebe, für die auf Grund einer bundesgesetzlichen Vorschrift eine Bewilligung erteilt wurde, insofern Anwendung, als die dadurch bedingten Änderungen ohne wesentliche Beeinträchtigung der durch den Bewilligungsbescheid erworbenen Rechte durchführbar sind, es sei denn, daß es sich um Beseitigung von das Leben, die Gesundheit oder die Sittlichkeit der Arbeitnehmer offenbar gefährdenden Mißständen handelt oder daß die gestellten Anforderungen ohne unverhältnismäßigen Kostenaufwand und ohne größere Betriebsstörung durchführbar sind. Das gleiche gilt für sonstige Betriebe, insoweit für diese aus Gründen des Dienstnehmerschutzes von der Behörde bestimmte Anordnungen getroffen worden sind.

1. Der Beschwerdeführer rügt einen Verstoß gegen § 44a Z. 1 VStG. Ihm ist diesbezüglich zu erwidern, daß eine nähere Konkretisierung der genauen Stellen in den jeweiligen Abteilungen des Warenhauses, an denen die Luftgeschwindigkeit gemessen worden ist, nicht erforderlich war. Der Beschwerdeführer tut insbesondere nicht dar, daß er wegen der - oben wiedergegebenen - sprachlichen Umschreibung des Ortes der Beanstandungen in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt oder der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt wäre. Im Spruch des Straferkenntnisses bedurfte es ferner entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers keiner Begründung, wieso die Behörde zur Qualifizierung der in Rede stehenden Stellen als ständige Arbeitsplätze kamen; im übrigen wird vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten, daß sich in den genannten Abteilungen solche Arbeitsplätze für Verkaufspersonal befunden hätten.

2. Der Beschwerdeführer bestreitet in der Folge die Richtigkeit der Messungen der Luftgeschwindigkeit. Die festgestellten Luftbewegungen seien bei Verkaufsbetrieb festgestellt worden und könnten die verschiedensten, vom Arbeitgeber nicht beeinflußbaren, Ursachen, wie offene Türen und umhergehende Personen, haben. Es sei auch kein Protokoll über die Messungen angelegt worden, sodaß nicht feststehe, an welchen Stellen der in Rede stehenden Abteilungen die Messungen durchgeführt worden seien.

Mit diesen Ausführungen vermag er die maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen nicht in Zweifel zu ziehen. Das Organ des zuständigen Arbeitsinspektorates, das die Messungen durchgeführt hat, sagte als Zeuge vernommen aus, daß es ein Protokoll über im April 1990 durchgeführte Messungen durch die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in Händen hatte, daß es seine Messungen an den dort angegebenen Stellen (in Augenhöhe) durchgeführt und dabei dieselben Ergebnisse erzielt habe. Es sei ein ganz normaler Arbeitstag gewesen. Dazu kommt, daß - worauf der Beschwerdeführer (freilich in anderem Zusammenhang) hinweist - die Klimaanlage des Warenhauses zum Tatzeitpunkt ca. 20 Jahre alt war und bereits Mängel aufgewiesen hat, die nach Erstattung der Anzeige teilweise behoben worden sind. Es ist daher weder unschlüssig noch sonst mit einem Verstoß gegen Denkgesetze behaftet, wenn die belangte Behörde die im Spruch des angefochtenen Bescheides wiedergegebenen Luftbewegungen als erwiesen annahm und dem angefochtenen Bescheid zugrunde legte. Die festgestellten (Höchst) Werte stellen jeweils ein Vielfaches der nach der AAV höchstzulässigen dar, sodaß jedenfalls - auch bei großen Schwankungen - davon ausgegangen werden konnte, daß die in Rede stehenden Verstöße gegen § 12 Abs. 2 erster Satz AAV stattgefunden haben.

3. Wenn der Beschwerdeführer auf den Umstand hinweist, daß die Klimaanlage im Rahmen der gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung behördlich bewilligt worden sei, und sich dabei auf § 102 AAV beruft, geht dies insoferne fehl, weil Überschreitungen des höchstzulässigen Luftzuges an ständigen Arbeitsplätzen um ein Vielfaches zu Gefährdungen der Gesundheit der Arbeitnehmer führen können. Davon konnte die belangte Behörde entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers ohne Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens ausgehen, weil dies bereits der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht. Es brauchte daher auch nicht auf die Fragen eingegangen zu werden, welche Kosten die Installierung einer den Anforderungen der AAV entsprechenden Klimaanlage erforderte, zu welchen Betriebsbeeinträchtigungen dies führte und welche Auswirkungen eine bloß geringfügige Überschreitung des Wertes von 0,1 m/sec. auf die Gesundheit der Arbeitnehmer hätte.

4. Zur Behauptung des Beschwerdeführers, es läge nur eine Verwaltungsübertretung (und nicht drei) vor, weil die Ursache für die Verstöße in einem einzigen Umstand, nämlich der schadhaften Klimaanlage, zu suchen sei, ist auszuführen, daß es auf die Ursache nicht ankommt, weil die festgestellten Werte im gegebenen Zusammenhang an verschiedenen Stellen des Gebäudes unterschiedlich hoch waren, sich die gemeinsame Ursache also unterschiedlich ausgewirkt hat, und nach der Aktenlage nicht davon auszugehen ist, daß sich die Orte der festgestellten Verstöße in unmittelbarer räumlicher Nähe zueinander befunden hätten, sodaß davon gesprochen werden müßte, sie würden eine Einheit bilden, liegen sie doch insbesondere teilweise in verschiedenen Stockwerken des Gebäudes.

Die Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) Sachverständiger Entfall der Beiziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994020203.X00

Im RIS seit

01.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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