TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/20 94/05/0109

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Veröffentlicht am 20.09.1994
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;

Norm

BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §60 Abs1 lita;
BauO Wr 1883;
BauRallg impl;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 21. März 1994, Zl. MD-VfR-B IV-10 u. 11/93, betreffend einen baupolizeilichen Beseitigungsauftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 21. März 1994 wurde dem Beschwerdeführer als "Eigentümer der Baulichkeit auf der Liegenschaft Gst. Nr.: 96/3 in EZ 231, hinter P-Straße ONr. 28" unter Berufung auf § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien der nachstehende Auftrag erteilt:

"Das nicht unterkellerte ebenerdige Gebäude mit den Maßen

14,58 m x 4,54 m, an der rechten Grundgrenze ... ist binnen

6 Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides abtragen und entfernen zu lassen."

In der Begründung ihres Bescheides führte die Berufungsbehörde aus, sie habe auf Grund des Rechtsmittels des Beschwerdeführers versucht, die Entstehungsgeschichte des Gartenhauses zu rekonstruieren. Es sei richtig, daß auf der Liegenschaft P-Straße 28 bis zum Jahre 1960 ein Palais bestanden habe, das dann abgerissen und durch einen Neubau ersetzt worden sei. Im Archiv der Behörde seien die Pläne dieses Palais nicht mehr vollständig vorhanden, doch ergebe sich aus den Unterlagen immerhin, daß die Stammbewilligung im Jahre 1877 erwirkt worden sei. Ein noch in diesem Jahr verfaßter Plan zeige auch den Garten hinter dem Palais, doch sei in diesem kein Bauwerk dargestellt. Besonders aufschlußreich sei der Plan zu einem Bescheid vom 29. Mai 1922, als der Magistrat die Bewilligung erteilt habe, die bestehenden Gartenmauern umzugestalten bzw. zu erhöhen und die noch bestehenden Holzplanken durch Abfriedungsmauern zu ersetzen. Dieser Plan zeige im Garten außer den Einfriedungsmauern keinerlei baulichen Altbestand. Hingegen sei auf der linken Nachbarliegenschaft ein Gartenhaus als Bestand sehr wohl vermerkt. In dem Bereich, in dem sich nunmehr das Gartenhaus befinde, sei die Neuherstellung einer Mauer vorgesehen gewesen, die auch in einem Schnitt dargestellt sei. Irgendein Hinweis darauf, daß die Neuherstellung die Beseitigung eines vorhandenen Bestandes erfordert habe oder ein vorhandener Baubestand bei der Umgestaltung der Gartenmauer berücksichtigt worden sei, finde sich im Bauplan nicht. Flugaufnahmen aus den Jahren 1977, 1988 und 1991 ließen das Vorhandensein eines Gebäudes an der rechten Grundgrenze im Gartenbereich erkennen. Der bautechnische Sachverständige, welcher auch die Erhebungen an Ort und Stelle durchgeführt habe, habe bei der mündlichen Berufungsverhandlung erklärt, bei der ersten Erhebung den Eindruck gewonnen zu haben, daß eine Konstruktion gleicher Art und Größe vorhanden gewesen und lediglich renoviert worden sei. Unter dem neuhergestellten Holzboden habe sich ein alter Betonboden befunden. Die in diesem Bereich bestehenden Außenwände aus Holz und Glas seien neu. Das Dach sei anläßlich der Renovierung mit Blech eingedeckt worden. Bei der Erhebung hätten Hausbewohner dem baubehördlichen Organ gegenüber behauptet, im Bereich der Holzwände habe immer eine Pergola bestanden. Auf Grund des Materialzustandes der Mauern und der ursprünglichen Holzbalken habe der bautechnische Sachverständige angeführt, daß das Alter der Baulichkeit mit etwa 50 Jahren anzusetzen sei. Eine Beweisführung durch Vernehmung des als Zeugen angebotenen Baurates

h. c. Ing. Egon M. sei nicht versucht worden, weil der Genannte nach dem Wissen der Behörde vor längerer Zeit verstorben sei. Vom Beschwerdeführer hätten Unterlagen über Baulichkeiten auf der Liegenschaft P-Straße 28 nicht beigebracht werden können. Auf Grund des ermittelten Sachverhaltes gehe die Behörde davon aus, daß das in Rede stehende Gartenhaus im Jahre 1922 noch nicht bestanden habe. Es sei jedoch nicht auszuschließen, daß es zwar nach 1922, aber noch vor dem Inkrafttreten der Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/1930, errichtet und später bloß renoviert worden sei. Damit sei für den Beschwerdeführer jedoch nichts gewonnen. Selbst wenn die Errichtung des Gartenhauses unter der Geltung der Bauordnung für Wien aus dem Jahre 1883 erfolgt wäre, hätte die aus einem 2,60 m x 4,54 m großen gemauerten Teil und einem 11,98 m x 4,54 m großen, in Holzständerbauweise errichteten Teil bestehende Baulichkeit einer Bewilligung nach § 14 dieses Gesetzes bedurft. Wäre die Baulichkeit aber erst nach dem Inkrafttreten der Bauordnung für Wien aus dem Jahre 1929 errichtet worden, dann wäre sie gemäß § 60 Abs. 1 lit. a der Bauordnung als Neubau bewilligungspflichtig gewesen, zumal das Gesetz im § 81 Abs. 2 der Stammfassung solche Anlagen als Nebengebäude bezeichnet habe. Angesichts seiner Dimensionen sei das Gartenhaus auch nicht von der Verordnung der Wiener Landesregierung vom 6. Mai 1930, LGBl. Nr. 43, über bloß anzeigepflichtige Bauherstellungen erfaßt gewesen. Diese Verordnung habe die Herstellung von hölzernen Lusthäuschen im Höchstausmaß von 5 m2 und einer Höhe von nicht mehr als 4 m von der Erwirkung einer Baubewilligung befreit. Auch nach der geltenden Fassung der Bauordnung für Wien sei das Gartenhaus ein Gebäude im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. a der Bauordnung. Eine Baubewilligung sei nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens niemals erteilt worden, sodaß das Gartenhaus einen konsenslosen Bestand darstelle, zu dessen Beseitigung der Beschwerdeführer als Eigentümer gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien verpflichtet sei.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien sind Abweichungen von den Bauvorschriften zu beheben und es ist der vorschriftswidrige Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist, zu beseitigen.

Den gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde gerichteten Beschwerdeausführungen ist entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde aus dem Umstand, daß das in Rede stehende Gebäude in einem zu einer Baubewilligung aus dem Jahre 1922 gehörenden Plan nicht eingezeichnet ist, nicht die Schlußfolgerung gezogen hat, es sei für dieses Gebäude niemals eine Baubewilligung erteilt worden, sondern auf Grund des "ermittelten Sachverhaltes" davon ausgegangen ist, daß das Gebäude "im Jahre 1922 noch nicht bestanden hat". Anhaltspunkte dafür, daß dieses Gebäude jemals baubehördlich bewilligt worden ist, haben sich während des Ermittlungsverfahrens nicht ergeben, wobei nicht unerwähnt bleiben soll, daß der Beschwerdeführer als Eigentümer des Gebäudes in der Beschwerde Derartiges auch nicht einmal behauptet. Unter diesen Umständen hatte die belangte Behörde auch nicht von einer Rechtsvermutung der Konsensmäßigkeit des Baues auszugehen, weil dies voraussetzt, daß der Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes so weit zurückliegt, daß die Erteilung der Baubewilligung fraglich erscheint, oder bestimmte Indizien dafür sprechen, daß trotz des Fehlens behördlicher Unterlagen von der Erteilung einer Baubewilligung auszugehen ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1986, Zl. 86/05/0062, BauSlg. Nr. 777, und die darin zitierte Vorjudikatur). Auch der Beschwerdeführer hat keine Anhaltspunkte dafür geliefert, daß aus irgendwelchen besonderen Gründen ausgerechnet für das in Rede stehende Gebäude in den Archiven der Baubehörde keine Unterlagen über eine schriftliche Baubewilligung aufzufinden sind. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, es sei "durchaus nicht auszuschließen, daß das Gebäude in der Zeit zwischen 1877 und

1883 ... errichtet wurde", muß erwidert werden, daß die

belangte Behörde in der Begründung des Bescheides auf Grund schlüssiger Erwägungen von einer Entstehungszeit des Gebäudes nach dem Jahre 1922 ausgegangen ist. Warum "nicht auszuschließen" sein soll, daß das Gebäude wesentlich früher errichtet worden ist, hat der Beschwerdeführer nicht einmal angedeutet. Daß das Gebäude auch vor dem Jahre 1930 einer Baubewilligung bedurfte, hat die belangte Behörde in der vorstehend wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend begründet (vgl. auch dazu das eben zitierte hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1986).

Ob das Gebäude "seinerzeit ... genehmigungsfähig war",

braucht nicht untersucht zu werden, weil es im Verfahren nach § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien nicht auf die BewilligungsFÄHIGKEIT eines Baues und somit auch nicht auf die Bewilligungsfähigkeit im Zeitpunkt seiner Errichtung ankommt (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 1970, Slg. Nr. 7813/A).

Zu dem vom Beschwerdeführer bemängelten Unterbleiben einer Einvernahme des Ing. Egon M. ist zu bemerken, daß der Genannte entsprechend dem wiedergegebenen Teil der Begründung des angefochtenen Bescheides "nach dem Wissen der Behörde vor längerer Zeit verstorben ist". Nach den Ausführungen in der Gegenschrift ist Ing. M., "welcher seinerzeit als Ingenieurkonsulent für das Vermessungswesen den Teilungsplan für die Liegenschaft verfaßt hat, am 30. 7. 1979 verstorben (Standesamt Innere Stadt, Sterbebuchnummer nnnn/79)". Im übrigen hätte dieser Zeuge, wie die belangte Behörde in diesem Zusammenhang zutreffend bemerkt hat, auch nur bestätigen können, daß ein Gartenhaus vorhanden war, als er den Teilungsplan vorbereitet hat.

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht vorliegt, weshalb sich die Beschwerde als unbegründet erweist. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2Konsens vermuteter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994050109.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

29.03.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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