TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/21 93/01/0397

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Veröffentlicht am 21.09.1994
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Staatsbürgerschaft;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
FlKonv;
StbG 1985 §10 Abs3;
StbG 1985 §11;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Bernegger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der E in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 29. März 1993, Zl. 0/92-8531/6-1993, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 29. März 1993 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 18. November 1991 um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und Erstreckung auf die minderjährigen ehelichen Kinder N, I und B, gemäß § 39 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3, § 11, § 17 Abs. 1 und § 18 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 "in der geltenden Fassung" (StbG) abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, von der Beschwerdeführerin NUR IM EIGENEN Namen erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Unbestritten ist, daß die Beschwerdeführerin die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs.1 Z. 1 StbG nicht erfüllt, weil sie noch nicht seit mindestens 10 Jahren ununterbrochen ihren ordentlichen Wohnsitz im Gebiet der Republik Österreich hat. Von dieser Voraussetzung kann aber gemäß § 10 Abs. 3 StbG abgesehen werden, wenn es sich um einen Minderjährigen handelt oder wenn der Fremde seit mindestens vier Jahren ununterbrochen seinen ordentlichen Wohnsitz im Gebiet der Republik hat und ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vorliegt. In solchen Fällen ist vor Verleihung der Bundesminister für Inneres anzuhören.

Soweit die Beschwerdeführerin rügt, von der belangten Behörde nicht belehrt worden zu sein, daß sie für ihre minderjährigen Kinder auch gesonderte Anträge "gemäß § 19 Abs. 2 StbG" stellen hätte können und nicht um Erstreckung der Staatsbürgerschaft ansuchen hätte sollen, da in diesen Fällen der Ausnahmetatbestand des § 10 Abs. 3 StbG für die minderjährigen Kinder zur Anwendung gekommen wäre, wodurch die Behörde "ihre Manuduktionspflicht gemäß § 13 a AVG verletzt habe", verkennt die Beschwerdeführerin die Rechtslage. Aufgrund der ständigen Judikatur ist die Belehrungspflicht der Behörde nach § 13 a AVG auf verfahrensrechtliche Angelegenheiten eingeschränkt und bezieht sich nicht auf die Belehrung in der Sache selbst (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. Jänner 1985, Zlen. 84/03/0394, 0395, und vom 15. Juni 1989, Zl. 87/06/0056). Insbesondere besteht keine Verpflichtung der Behörde, Unterweisungen darüber zu erteilen, wie ein Vorbringen zu gestalten ist, damit dem Antrag allenfalls stattgegeben werden könnte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. September 1986, Zl. 85/01/0150, und vom 20. Februar 1990, Zl. 89/01/0432 u.a.).

Da die von der Beschwerdeführerin gewünschte Manuduktion eine inhaltliche Belehrung betroffen hätte, hat die belangte Behörde ihre Verpflichtung aus § 13 a AVG nicht verletzt.

Ferner rügt die Beschwerdeführerin, daß sie weder anläßlich der Antragstellung noch während des Verfahrens ausreichend darüber belehrt worden sei, daß sie mangels Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG "einen besonders berücksichtigungswürdigen Grund zu bescheinigen habe", noch "was unter besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu verstehen sei". Sie habe daher die rechtlichen Konsequenzen ihrer "Äußerung am 1.3.1993 zum Ermittlungsergebnis nicht begriffen". Aufgrund einer kurzen Befragung durch die belangte Behörde, worin sie "den Grund" sehe, habe sie daher lediglich angeführt, daß der Erwerb der Staatsbürgerschaft für ihre zweitälteste Tochter, die eine Lehre als Bürokauffrau begonnen habe, von Vorteil wäre. Es würden jedoch tatsächlich wesentlich mehr Gründe hiefür vorliegen. Die Beschwerdeführerin hätte ihr Begehren mit Hilfe eines Dolmetschers ausreichend begründet und sehe daher in dessen Nichtbeiziehung einen wesentlichen Verfahrensmangel gemäß § 39 a AVG.

Dem ist entgegenzuhalten, daß die Beschwerdeführerin im Zuge des Verwaltungsverfahrens jederzeit die Beiziehung eines Dolmetschers gemäß § 39 a AVG hätte verlangen können, wenn sie tatsächlich das Gefühl gehabt hätte, der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig zu sein. Es geht jedoch insbesondere aus der am 1. März 1993 vor der belangten Behörde aufgenommenen Niederschrift nicht hervor, daß die Beschwerdeführerin den Eindruck vermittelt hätte, nicht ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache aufzuweisen, um zu erkennen, daß für den Erwerb der Staatsbürgerschaft in einer verkürzten Zeit von vier Jahren besondere Gründe (besonders berücksichtigungswürdige Gründe) erforderlich sind.

Da es der Beschwerdeführerin jederzeit, also auch nach Durchführung des Parteiengehörs am 1. März 1993, möglich gewesen wäre, entsprechende Ergänzungen im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG vorzubringen, unterliegt dieses Vorbringen dem verwaltungsgerichtlichen Neuerungsverbot gemäß § 41 Abs. 1 VwGG. Selbst wenn die Beiziehung eines Dolmetschers gemäß § 39 a AVG erforderlich gewesen wäre, wofür sich jedoch kein Anhaltspunkt aufgrund der Aktenlage ergibt, wird von der Beschwerdeführerin damit die Wesentlichkeit des Verfahrensmangels nicht dargetan, da sie auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - wie noch darzulegen sein wird - keinen "besonders berücksichtigungswürdigen Grund" im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG vorbringt.

Auch durch die Nichtanhörung des Bundesministers für Inneres gemäß § 10 Abs. 3 letzter Satz StbG ist der belangten Behörde kein Verfahrensmangel unterlaufen, da aufgrund des eindeutigen Wortlautes dieser Bestimmung dessen Befassung erst dann in Frage käme, wenn die belangte Behörde bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen im Zuge ihrer Ermessensübung vorgehabt hätte, den Antrag der Beschwerdeführerin einer positiven Erledigung zuzuführen. Dies war jedoch nicht der Fall.

Die belangte Behörde hat in Verkennung der Rechtslage trotz Vorliegens eines rechtskräftigen Bescheides aus dem Jahre 1988, mit dem festgestellt worden war, daß die Beschwerdeführerin Flüchtling im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, im Sinne des Asylgesetzes (1968) ist, eigenständige Ermittlungen hierüber angestellt und kam - unter Außerachtlassung der von diesem Bescheid ausgehenden Bindungswirkung - zu dem Schluß, daß die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführerin nicht mehr vorliege. Es stand somit aber bindend fest, daß die Beschwerdeführerin Flüchtling war. Jedoch stellt das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, BGBl. Nr. 55/1955, aufgrund der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein keinen solchen besonders berücksichtigungswürdigen Grund gemäß § 10 Abs. 3 StbG dar, ist doch ausdrücklich gemäß § 11 zweiter Satz StbG bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft nur "gegebenenfalls besonders auf den Umstand Bedacht zu nehmen, daß der Fremde Flüchtling im Sinne der Konvention ist" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1994, Zl. 93/01/1255, mit weiteren Judikaturnachweisen).

Der Verwaltungsgerichtshof kann in der Annahme der belangten Behörde, es fehle im Beschwerdefall an einem besonders berücksichtigungswürdigen Grund, der die Anwendung des § 10 Abs. 3 StbG zugunsten der Beschwerdeführerin rechtfertigen würde, keine Rechtswidrigkeit erkennen. Weder der seit mehr als vier Jahren vorhandene Wohnsitz der Beschwerdeführerin im Gebiet der Republik Österreich, noch ihre Beschäftigung als Hilfsarbeiterin - insbesondere im Hinblick auf die von der belangten Behörde vorgehaltene Lage auf dem österreichischen Arbeitsmarkt bei "Hilfsberufen" - oder der von der Beschwerdeführerin im Zuge des Parteiengehörs vorgebrachte "vermeinte Vorteil für ihre Tochter N., welche eine Lehre aus Bürokauffrau begonnen hat", stellen einen solchen Grund dar. Dies gilt auch in bezug auf den beabsichtigten Erwerb einer eigenen Wohnung und für Ausländer bestehende Erschwernisse beim Erwerb inländischer Liegenschaften.

Soweit die Beschwerdeführerin erst im Zuge ihres Beschwerdevorbringens als ergänzende Gründe Vorteile für den Schulbesuch bzw. das weitere berufliche und private Fortkommen ihrer beiden anderen minderjährigen Kinder bei der Verleihung bzw. Erstreckung der österreichischen Staatsbürgerschaft, ihre soziale Integration und die Möglichkeit des Erhaltes einer Förderung beim Erwerb einer Eigentumswohnung vorbringt, kann auf diese Ausführungen schon deshalb nicht Bedacht genommen werden, weil sie dem Neuerungsverbot gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unterliegen.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. 416/1994.

Schlagworte

Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993010397.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

13.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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