TE Vwgh Erkenntnis 1990/2/20 89/01/0432

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Veröffentlicht am 20.02.1990
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
AVG §13a;
FlKonv Art1 AbschnA;
VwRallg;

Betreff

A gegen Bundesminister für Inneres vom 4. August 1989, Zl. 245.662/2-II/9/89, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 14. Dezember 1988 ab und sprach wie die Verwaltungsbehörde erster Instanz aus, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention ist.

Die belangte Behörde ging bei ihrer Entscheidung im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer, ein rumänischer Staatsangehöriger, sei am 11. September 1988 in das Bundesgebiet eingereist und habe am 15. September 1988 Asyl beantragt. Bei seiner Einvernahme am 25. September 1988 habe er angegeben, er sei seit 1961 Mitglied der kommunistischen Partei Rumäniens. Er hätte mehrmals mit rumänischen Firmen im Ausland gearbeitet. Im Jahre 1980 sei er im Iran anläßlich der Kriegswirren am rechten Bein verletzt worden. Er sei nach Rumänien zurückgekehrt. Da sein Vertrag jedoch für zwei Jahre gegolten habe, sei er aufgefordert worden, nach Iran zurückzukehren. Dies hätte er jedoch verweigert. Sein Angebot, in einem anderen Land zu arbeiten, sei abgelehnt worden. Seine Ehefrau habe mit der Begründung ihren Posten verloren, sie werde erst wieder beschäftigt, wenn sie der Partei beigetreten sei. Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau hätten schließlich ein kleines Gewächshaus gebaut, wo sie Blumen gezüchtet hätten. In der Folge hätten sie "Schwierigkeiten mit dem Volksrat" bekommen, weil dieser immer gratis mit Blumen beliefert habe werden wollen. Im Jahre 1986 habe seine Ehefrau einen politischen Witz erzählt, weshalb der Beschwerdeführer und seine Ehefrau vom Sicherheitsdienst einvernommen worden seien. Nachdem sie erfahren hätten, daß ihr Haus abgerissen werden solle, hätten sie sich entschlossen, Rumänien zu verlassen. In der Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz habe der Beschwerdeführer sein bisheriges Vorbringen wiederholt.

Die belangte Behörde vertrat die Ansicht, daß angesichts der gegenwärtig in Rumänien herrschenden politischen und wirtschaftlichen Umstände kein Anlaß bestehe, an der Richtigkeit der Angaben des Beschwerdeführers zu zweifeln; diese würden daher der Entscheidung zu Grunde gelegt. Konkrete Verfolgungen seiner Person durch die rumänischen Behörden aus einem der in der Konvention taxativ aufgezählten Tatbestände habe der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht behauptet. Die Probleme, die er an seinem Arbeitsplatz gehabt habe, hätte er mit seinem Vorgesetzten und nicht mit den rumänischen Behörden gehabt; sie stellten daher keine Verfolgungshandlung im Sinne der Genfer Konvention dar. Dies und auch die Tatsache, daß der Beschwerdeführer legal mit seinem Reisepaß ausreisen habe können, seien Indizien dafür, daß er keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Eine legale Ausreise wäre nicht möglich gewesen, wenn man ein Interesse an seiner Verfolgung gehabt hätte.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, eine wohlbegründete Furcht liege insbesondere dann nicht vor, wenn der Asylwerber das politische System in seinem Heimatland ablehne, jedoch konkret keinen Verfolgungen im Sinne der Flüchtlingskonvention ausgesetzt gewesen sei. Da der Beschwerdeführer diese Ablehnung nicht öffentlich "bekannt gemacht" habe, könne es auch aus diesem Grunde zu keinen Verfolgungshandlungen im Sinne der Flüchtlingskonvention gekommen sein. Da das Ermittlungsverfahren keine Anhaltspunkte für eine Verfolgung des Beschwerdeführers ergeben habe, sei die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht statthaft.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Asylgewährung verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126 (AsylG), in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974 über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen ist ein Fremder Flüchtling im Sinne des Gesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 55/1955 unter Bedachtnahme auf das Protokoll BGBl. Nr. 78/1974 erfüllt und kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F der Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Der Beschwerdeführer behauptet, der angefochtenen Erledigung fehle der Bescheidcharakter, weil die zugestellte Ausfertigung weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung aufweise und auch nicht zu ersehen sei, daß die Ausfertigung mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt worden sei. Dem ist folgendes entgegenzuhalten:

Ob eine Erledigung mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung hergestellt wurde, ist nicht etwa nur aus der DVR-Nummer, sondern unter anderem auch aus Art und Form, in der Schriftstücke ausgedruckt werden, zu erkennen. Im vorliegenden Fall ist es für den Verwaltungsgerichtshof auf Grund der vorgelegten Akten offenkundig, daß die strittige Ausfertigung (der angefochtene Bescheid) entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung hergestellt wurde. Da solcherart hergestellte Ausfertigungen gemäß § 18 Abs. 4 AVG 1950 weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung bedürfen, stellt die dem Beschwerdeführer zugestellte Ausfertigung einen rechtsgültigen Bescheid dar. Im übrigen wäre, wenn im Sinne der Beschwerdeausführungen kein Bescheid vorläge, die Beschwerde zurückzuweisen.

Als Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, die Behörden des Verwaltungsverfahrens hätten es unterlassen, ihm die nötigen Anleitungen zu erteilen, die gesetzliche Lage zu erklären und Fragen an ihn zu richten, ob eine wohlbegründete Furcht im Sinne des Asylgesetzes oder der Konvention vorliege. Zentrales Entscheidungskriterium im Asylverfahren ist das Vorbringen des Asylwerbers, das von ihm auch (nur) glaubhaft zu machen ist. Die belangte Behörde ist auch nicht verhalten, an jene staatlichen Stellen Anfragen zu richten, deren Schutz der Beschwerdeführer ablehnt. Zu der vom Beschwerdeführer gerügten Unterlassung seiner Befragung zum Vorliegen sonstiger Fluchtgründe hat der Verwaltungsgerichtshof schon zu wiederholten Malen ausgeführt, daß es nicht Aufgabe der Berufungsbehörde ist, Asylwerbern Unterweisungen darüber zu erteilen, wie sie ihr Vorbringen auszuführen und welche Fluchtgründe sie anzugeben haben, damit ihrem Verlangen auf Anerkennung als Konventionsflüchtling entsprochen werden kann (vgl. für viele andere die hg. Erkenntnisse vom 31. Mai 1989, Zl. 89/01/0082, und vom 8. November 1989, Zl. 89/01/0258). Im übrigen vermochte der Beschwerdeführer auch in der Berufung keine neuen Fluchtgründe anzugeben. Soweit der Beschwerdeführer sein bisheriges "Sachvorbringen" in der Beschwerde ergänzt, ist dies eine unbeachtliche Neuerung gemäß § 41 VwGG.

Wenn der Beschwerdeführer seine ablehnende Haltung gegenüber dem in seinem Heimatland herrschenden politischen System zum Ausdruck bringt, bildet dieses keinen Grund, ihn als Konventionsflüchtling anzuerkennen (vgl. unter anderem das hg. Erkenntnis vom 19. März 1989, Zl. 88/01/0338).

Der Beschwerdeführer behauptet schließlich, daß die belangte Behörde zu Unrecht die "Einvernahme" des Beschwerdeführers bei der Miliz im Jahre 1986, die einem Verhör gleichgekommen sei, (nachdem seine Frau einen politischen Witz erzählt hatte) nicht als politische Verfolgung beurteilt habe. Abgesehen davon, daß schon längere Zeit zurückliegende Verfolgungshandlungen keinen Asylanspruch begründen, wenn der Asylwerber bis zu seiner tatsächlichen Flucht nicht ständig in "wohlbegründeter Furcht" vor Verfolgung aus in der Flüchtlingskonvention genannten Gründen gelebt hat und im Falle des Beschwerdeführers ein verfolgungsfreier Zeitraum von immerhin eineinhalb Jahren objektiviert ist (vgl. auch hg. Erkenntnis vom 8. März 1989, Zl. 88/01/0303, 0304), kann in einem bloßen Verhör (Einvernahme) durch die Behörden des Heimatstaates des Beschwerdeführers keine Verfolgungshandlung wegen dessen politischer Gesinnung erblickt werden.

Die belangte Behörde hat daher frei von Rechtswidrigkeit die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers verneint. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

Schlagworte

Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989010432.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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