TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/26 93/10/0001

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Veröffentlicht am 26.09.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
80/02 Forstrecht;

Norm

ForstG 1975 §1 Abs3;
ForstG 1975 §17 Abs1;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 15. September 1992, Zl. VI/4-Fo-272, betreffend Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: O in M, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Am 18. Dezember 1991 beantragte die Mitbeteiligte die Erteilung einer Rodungsbewilligung zur Errichtung einer "Wirtschaftshütte" auf Waldboden auf ihrem Grundstück Nr. 856. Die Hütte sei bereits errichtet worden. Sie liege im Bereich des Umkehrplatzes einer Forststraße. Die Grundfläche betrage 4,4 x 3,3 m. Die Baugenehmigung und die naturschutzbehördliche Bewilligung lägen vor.

Mit Bescheid vom 27. April 1992 wies die BH den Antrag auf Erteilung der Rodungsbewilligung ab und trug der Mitbeteiligten auf, die widerrechtlich errichtete Holzhütte innerhalb von drei Monaten ab Rechtskraft des Bescheides zu entfernen. Die Behörde ging unter anderem von folgendem Sachverhalt aus: Die Beschwerdeführerin besitze eine Waldfläche von insgesamt 10,4682 ha. Die Fläche sei durch eine Forststraße ausreichend erschlossen und mit Mischbeständen von Fichte, Weißkiefer, Lärche, Buche und Eiche, vorwiegend der dritten und vierten Altersklasse, zur Gänze bestockt. Die Waldflächen seien in den letzten Jahren durchforstet worden, wobei Werkverträge mit bäuerlichen Schlägerungsunternehmen abgeschlossen worden seien. Ein Teil der Waldarbeiten sei von der Mitbeteiligten bzw. deren Sohn selbst durchgeführt worden. Die Vergabe von Werkverträgen habe sich vorwiegend auf die Ausformung und -rückung des Holzes, für die schwere Gerätschaften, die die Beschwerdeführerin nicht besitze, erforderlich seien, bezogen. Auf Grund des allgemeinen Waldzustandes seien auch in den nächsten Jahren Durchforstungs- und Pflegearbeiten zweckmäßig. Die Mitbeteiligte beabsichtige, die Durchforstungs- und Pflegearbeiten etwa im bisherigen Umfang weiterzuführen. Bisher seien pro Jahr ca. 40 bis 50 fm Holz gefällt worden, das entspreche etwa einer Fläche von 1 ha. Nach dem eingeholten Sachverständigenguachten stehe fest, daß seit der Fertigstellung der Forststraße im Jahre 1986 der Waldbesitz der Beschwerdeführerin systematisch nach forstfachlichen Grundsätzen durchforstet und gepflegt worden sei. Beim bisherigen Holzanfall sei hiefür ein jährlicher Arbeitsaufwand von etwa 15 Schichten eines Forstarbeiters erforderlich. Hiezu kämen einige Tage für kleinere Pflegenutzungen. Auf Grund des Ausmaßes der Waldfläche sei wohl eine nachhaltige jährliche Bewirtschaftung möglich; von einem forstwirtschaftlichen Betrieb könne jedoch nicht gesprochen werden, da hiezu wesentlich größere Waldflächen und eine intensive Betriebstätigkeit Voraussetzung wären. Für die Bewirtschaftung eines Waldbesitzes des vorliegenden Ausmaßes sei eine ständige betriebliche Tätigkeit nicht erforderlich. Die Forsthütte liege etwa fünf Minuten vom Ortszentrum von G. entfernt und rund 65 km vom Wohnort der Mitbeteiligten. Die von der Mitbeteiligten in Eigenregie benutzten Werkzeuge (Motorsäge, Hacke usw.) fänden im Kofferraum jedes Mittelklasseautos Platz. Eine Hütte zur Aufbewahrung von Gerätschaften sei zur Bewirtschaftung des Waldes nicht erforderlich.

Die Mitbeteiligte erhob Berufung und führte im wesentlichen aus, im naturschutzbehördlichen Verfahren sei die Errichtung der Forsthütte als zur Bewirtschaftung des Waldes erforderlich angesehen worden. Das von der Behörde erster Instanz eingeholte Gutachten sei unschlüssig; der Sachverständige, der einen Arbeitsaufwand von 15 Schichten eines Forstarbeiters angenommen habe, habe nicht darauf Bedacht genommen, daß der Großteil der Forstarbeiten von der Mitbeteiligten selbst bzw. ihrem Sohn durchgeführt werde und ihr Wohnort 65 km vom Waldgrundstück entfernt sei. Es stelle sich auch die Frage, ob der Sachverständige überhaupt beurteilen könne, was für die Mitbeteiligte zumutbar sei.

Die Berufungsbehörde holte ein weiteres Sachverständigengutachten ein. Der Sachverständige führte aus, die Hütte diene zwar faktisch der Bewirtschaftung des Waldes; bei einer Waldfläche von rund 10,5 ha, die durch eine Forststraße gut erschlossen sei, könne aber nicht davon gesprochen werden, daß eine Bewirtschaftungshütte unbedingt erforderlich sei. Die Hütte sei von der öffentlichen Straße aus mit dem Auto in etwa fünf Minuten und zu Fuß in etwa 15 Minuten erreichbar. Die Lage des Wohnsitzes des Waldeigentümers spiele nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle. Für die bei der Bewirtschaftung des Waldes durchzuführenden Arbeiten seien 15 Tagschichten jährlich zu veranschlagen. Die dabei benutzten Werkzeuge, wie Motorsäge, Hacke usw. könnten leicht transportiert werden. Andere Geräte, wie etwa Traktor mit Seilwinde, besitze die Mitbeteiligte nicht. Eine Bewirtschaftungshütte sei somit unter den gegebenen Umständen wohl zweckmäßig, aber nicht unbedingt erforderlich.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Mitbeteiligten Folge und erteilte die beantragte Rodungsbewilligung. Begründend vertrat die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage die Auffassung, eine Bewirtschaftungshütte sei unter den gegebenen Umständen durchaus zweckmäßig, aber nicht unbedingt erforderlich. Es sei jedoch "das öffentliche Interesse an der Walderhaltung dahingehend festzustellen, daß dieses durch die Errichtung einer Bewirtschaftungshütte besser gewährleistet werden kann, insbesondere auch eingedenk der örtlichen Situation, daß die Mitbeteiligte ihren Wohnsitz in M und nicht im Gemeindegebiet von G. hat". Durch die Errichtung der Hütte werde die Waldausstattung nicht beeinträchtigt und die Erhaltung des Waldes eher gefördert. Es bleibe der Forstbehörde unbenommen, auch Zweckmäßigkeitserwägungen miteinzubeziehen, insbesondere, wenn öffentliche Interessen, die von der Forstbehörde wahrzunehmen seien, dadurch nicht gefährdet würden. Daß die Errichtung der Hütte überwiegend im privaten Interesse liege, schließe nach Ansicht der Berufungsbehörde nicht aus, daß dadurch auch öffentliche Interessen, nämlich die Erhaltung und Pflege des Waldes, gefördert würden. Da "keine Inanspruchnahme von Waldgrund befürchtet" werden müsse, sei die Berufungsbehörde der Auffassung, daß der Errichtung der Wirtschaftshütte keine öffentlichen Interessen entgegenstünden, sondern daß diese Bewirtschaftungshütte im öffentlichen Interesse der Erhaltung und Pflege des Waldes gelegen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, gemäß § 170 Abs. 8 FG erhobene Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die Mitbeteiligte hat eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 17 Abs. 1 FG ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten.

Die Darlegungen der Gegenschrift, die für die Errichtung der Hütte in Anspruch genommene Fläche sei zuvor nicht bestockt und nicht einmal mit Sträuchern bewachsen gewesen, weshalb zweifelhaft sei, ob überhaupt eine Rodungsbewilligung erforderlich sei, verkennen den Begriff der Rodung. Rodung ist nach der Begriffsbestimmung des § 17 Abs. 1 FG DIE VERWENDUNG

VON WALDBODEN ZU ANDEREN ZWECKEN ALS FÜR SOLCHE DER WALDKULUTR

(vgl. hiezu das Erkenntnis vom 17. Mai 1993, Zl. 92/10/0374). Maßgebend ist im vorliegenden Zusammenhang somit nicht, ob auf der in Rede stehenden Fläche, deren Waldeigenschaft nicht zweifelhaft ist, Bewuchs entfernt wurde, sondern, ob die in Rede stehende Fläche auch nach Errichtung der Hütte Zwecken der Waldkultur dient.

Dazu vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß die Verwendung einer unbestockten Waldfläche für die Bebauung mit einer Hütte - unter dem Gesichtspunkt der Verwendung des Waldbodens für Zwecke der Waldkultur - nur dann keine Rodung ist, wenn die Hütte allein der forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung dient und hiezu unbedingt notwendig ist. An das Erfordernis der unbedingten Notwendigkeit ist ein strenger Maßstab anzulegen, da ansonsten angesichts der Struktur des Waldeigentums in Österreich, die eine Vielzahl von Kleinbesitzern aufweist (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Forstgesetzes 1975, 1266 Blg. NR. XIII. GP, S. 69 f) eine mit den Zielen des Forstgesetzes nicht zu vereinbarende Waldverhüttelung drohen würde. Unbedingt erforderlich ist eine Hütte daher nur dann, wenn ohne sie eine forstliche Bewirtschaftung nicht möglich wäre (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 30. September 1992, Zl. 91/10/0172, und vom 9. November 1992, Zl. 92/10/0061, und die dort jeweils zitierte Vorjudikatur).

Daß ohne die "Forsthütte" eine forstliche Bewirtschaftung des Waldes der Mitbeteiligten nicht möglich wäre, hat die belangte Behörde nicht angenommen. Soweit die Gegenschrift in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf den entfernten Wohnort der Beschwerdeführerin und das Fehlen eines Kraftfahrzeuges die Auffassung vertritt, ohne die Hütte könne der Wald nicht gepflegt werden, ist darauf zu verweisen, daß es im vorliegenden Zusammenhang, nämlich bei der Lösung der Frage, ob eine Baulichkeit für eine bestimmte Nutzung erforderlich ist, auf subjektive, in der Person des Projektwerbers gelegene Umstände nicht ankommt (vgl. z.B. zu § 19 Abs. 4 NÖ ROG 1976 das Erkenntnis vom 17. November 1981, Slg. 10592/A, zu § 20 Abs. 5 Bgld. RPG das Erkenntnis vom 14. März 1994, Zl. 92/10/0397).

Ausgehend von der nach dem Gesagten nicht rechtswidrigen Feststellung des angefochtenen Bescheides, die Hütte sei für die Waldbewirtschaftung nicht unbedingt erforderlich, liegt in deren Errichtung eine Rodung im Sinne des § 17 Abs. 1 FG.

Nach § 17 Abs. 2 FG kann unbeschadet der Bestimmung des Abs. 1 die gemäß § 19 Abs. 1 zuständige Behörde eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt. Gemäß Abs. 3 leg. cit. sind öffentliche Interessen im Sinne des Abs. 2 insbesondere begründet in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- und Straßenverkehr, im Post- und öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung sowie im Siedlungswesen.

Mit ihrer Auffassung, eine Bewilligung zur Rodung durch Errichtung einer Forsthütte könne auf Grund einer im Rahmen des § 17 Abs. 2 FG vorzunehmenden Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt eines überwiegenden Interesses an der Walderhaltung erteilt werden, hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt. Die Erteilung einer Rodungsbewilligung nach § 17 Abs. 2 FG setzt ein öffentliches Interesse an einer ANDEREN Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche als zur Waldkultur (im Sinne der im § 17 Abs. 3 FG enthaltenen demonstrativen Aufzählung) voraus, das das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt. Die Vorgangsweise der belangten Behörde, die die von der Maßnahme ihrer Ansicht nach ausgehende Förderung des Walderhaltungszweckes dessen Beeinträchtigung durch die Maßnahme gegenübergestellt und ein Überwiegen der ersteren angenommen hat, verkennt, daß das Interesse an der Walderhaltung nicht als Interesse an einer ANDEREN Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche als zur Waldkultur im Sinne des § 17 Abs. 2 angesehen werden kann. Es können auch nicht im Rahmen einer Interessenabwägung öffentliche Interessen der Walderhaltung gegeneinander abgewogen werden (vgl. die Erkenntnisse vom 28. September 1992, Zl. 92/10/0075, und vom 18. Oktober 1993, Zl. 90/10/0197). "Andere" Interessen im Sinne des § 17 Abs. 2, 3 FG, die Grundlage einer nach der erstzitierten Vorschrift erteilten Rodungsbewilligung sein könnten, kommen bei einer Forsthütte, die (nur) der Erleichterung der Waldbewirtschaftung dienen soll, der Sache nach nicht in Betracht.

Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid daher den Inhalt des Gesetzes verkannt. Dieser war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993100001.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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