TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/27 94/07/0035

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.09.1994
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §69 Abs4;
AVG §70 Abs3;
B-VG Art102 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
WRG 1959 §98 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde

1) des August A und 2) der Maria A, beide in W, beide vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 9. Februar 1994, Zl. 513.341/03-I 5/94, betreffend Wiederaufnahme eines wasserrechtlichen Verfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft (BH) vom 30. März 1993 wurden die Beschwerdeführer verpflichtet, bis zu einem bestimmten Termin den Ansaugstutzen für ein in ihrem Eigentum stehendes Haus in einem auf einer fremden Liegenschaft gelegenen Brunnen in einer bestimmt bezeichneten Weise auszubilden; gleichzeitig wurde das Ansuchen der Beschwerdeführer abgewiesen, diese Absaugvorrichtung (Ansaugstutzen) in der bestehenden Form wasserrechtlich zu genehmigen und hiefür eine "Benützungsbewilligung" zu erteilen.

Der gegen diesen Bescheid von den Beschwerdeführern erhobenen Berufung blieb ein Erfolg im wesentlichen versagt. Die gegen den Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich (LH) von den Beschwerdeführern erhobene Beschwerde ist zur Zl. 93/07/0147 beim Verwaltungsgerichtshof anhängig.

Mit ihrem an den LH gerichteten Antrag vom 13. Oktober 1993 begehrten die Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des Verfahrens und führten zur Begründung ihres Antrages folgende Sachverhalte ins Treffen:

Die Beschwerdeführer hätten zum einen am 29. September 1993 erstmals in den Bescheid der BH vom 25. Februar 1965 Einsicht genommen und dabei festgestellt, daß die im bisherigen Verfahren immer als bescheidmäßig festgesetzt angenommene Auflage der Höhe des Ansaugstutzens vom Spruch des Bewilligungsbescheides gar nicht erfaßt und für die Beschwerdeführer nicht in verbindlicher Weise wirksam sei. Zum anderen hätten die Beschwerdeführer "nunmehr" durch Zufall erfahren, daß die Pumpvorrichtung für die öffentliche Wasserversorgungsanlage schon seit über sechs Jahren nicht mehr funktionsfähig sei, welcher Umstand das von der Wasserrechtsbehörde im Verfahren gebrauchte Argument, wonach durch den von den Beschwerdeführern angebrachten Ansaugstutzen die öffentliche Wasserversorgung gefährdet sei, rechtlich entkräfte.

Mit Bescheid vom 21. Dezember 1993 wies der LH den Wiederaufnahmeantrag, soweit er sich auf die nunmehrige Kenntnis von der Funktionsunfähigkeit der Pumpvorrichtung für die öffentliche Wasserversorgungsanlage stützte, zurück und im übrigen ab.

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der maßgeblichen Rechtsvorschriften im wesentlichen aus, daß die als erster Wiederaufnahmegrund ins Treffen geführte Kenntnis vom Inhalt des den Beschwerdeführern erteilten wasserrechtlichen Bewilligungsbescheides keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund darstellen könne. Dieser Bewilligungsbescheid sei den Beschwerdeführern zugestellt worden und gehöre seit damals dem Rechtsbestand an, weshalb weder von einer neuen Tatsache noch von einem Mangel an Verschulden der Beschwerdeführer gesprochen werden könne. Für den zweiten Wiederaufnahmegrund aber hätten die Beschwerdeführer in der Verwendung des Ausdrucks "nunmehr" nicht in der von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geforderten Weise jenen Zeitpunkt benannt, zu dem sie vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hätten. Das Fehlen der Angaben über die Rechtzeitigkeit des Wiederaufnahmeantrages sei einer Behandlung als Formgebrechen nicht zugänglich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf Bescheidaufhebung; die Beschwerdeführer erachten sich erkennbar in ihrem Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens bei Vorliegen der dafür normierten gesetzlichen Voraussetzungen als verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 erster Satz VwGG in die inhaltliche Prüfung des Bescheides nur dann einzutreten hat, wenn er nicht schon die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde gegeben findet, erübrigt sich im Beschwerdefall ein Eingehen auf das Sachvorbringen der Beschwerdeführer. Die belangte Behörde war zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nämlich unzuständig, weil gegen den die begehrte Wiederaufnahme ablehnenden Bescheid des LH - entgegen der beigesetzten Rechtsmittelbelehrung - eine Berufung nicht offenstand; die Zuständigkeit der belangten Behörde hätte nur so weit gereicht, die dennoch erhobene Berufung zurückzuweisen.

Wohl steht gegen die Ablehnung eines Antrages auf Wiederaufnahme dem Antragsteller nach § 70 Abs. 3 AVG das Recht der Berufung an die im Instanzenzug übergeordnete Behörde zu. Unter dieser Behörde ist nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes jedoch nur jene zu verstehen, die nach Lage des Falles der den Gegenstand des Verfahrens bildenden Angelegenheit auch in der Sache selbst als Berufungsbehörde zur Entscheidung berufen ist (vgl. etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. März 1974, VfSlg. Nr. 7273, sowie die hg. Erkenntnisse vom 4. Juni 1971, 739, 740/71, vom 28. Oktober 1981, Slg. N.F. Nr. 10.573/A, vom 15. Oktober 1986, 85/01/0345, und vom 24. April 1990, 89/07/0162, ebenso wie die hg. Beschlüsse vom 13. Jänner 1987, 86/07/0276, vom 21. Jänner 1988, 87/08/0296, und vom 28. April 1992, 92/07/0045). Da in der dem Beschwerdefall zugrundeliegenden Verwaltungsangelegenheit der Rechtszug über die gemäß § 98 WRG 1959 in die Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde fallenden Sache beim Landeshauptmann endete, kam der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft als Berufungsbehörde in der Hauptsache nicht in Betracht. Er konnte demnach auch mit der gegen den verfahrensrechtlichen Bescheid der Ablehnung der Wiederaufnahme des Verfahrens erhobenen Berufung nicht rechtens angerufen werden.

Die belangte Behörde hat in der meritorischen Erledigung der an sie gerichteten Berufung somit eine ihr nach dem Gesetz nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994; die Abweisung des Kostenmehrbegehrens beruht darin, daß die verzeichnete Umsatzsteuer im Pauschbetrag bereits enthalten ist und deshalb nicht gesondert zugesprochen werden konnte, sowie in überhöht verzeichnetem Stempelgebührenaufwand insofern, als die Beschwerde in lediglich zweifacher Ausfertigung zu überreichen war.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994070035.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten