TE Vwgh Erkenntnis 1990/4/24 89/07/0162

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Veröffentlicht am 24.04.1990
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Index

L66454 Landw Siedlungswesen Oberösterreich;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/01 Land- und forstwirtschaftliches Organisationsrecht;

Norm

AgrBehG 1950 §7 Abs1;
AgrBehG 1950 §7 Abs2;
AVG §2;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §68 Abs2;
AVG §68 Abs4;
AVG §68 Abs7;
AVG §70 Abs3;
AVG §71 Abs1;
AVG §72 Abs4;
LSLG OÖ 1970 §4 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

H gegen Landesagrarsenat beim Amt der oberösterreichischen Landesregierung vom 29. Juni 1989, Zl. Bod-4118/9-1989, betreffend Wiedereinsetzung und Fristverlängerung in einem Siedlungsverfahren

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Übergabsvertrag vom 10. Juli 1984 hat der Beschwerdeführer von J verschiedene Grundstücke und Grundstücksanteile in Oberösterreich erworben. Mit Bescheid vom 19. April 1985 hat die Agrarbezirksbehörde Gmunden (ABB) gemäß § 4 Abs. 4 des oberösterreichischen Gesetzes über das landwirtschaftliche Siedlungswesen, LGBl. Nr. 29/1970 i.d.g.F. (LSG), festgestellt, daß dieser Vertrag unter zwei auflösenden Bedingungen unmittelbar der Zielsetzung des § 1 Abs. 2 LSG entspreche und einen Vorgang gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 LSG zum Gegenstand habe. Die zweite dieser auflösenden Bedingungen (die erste ist für den Beschwerdefall ohne Bedeutung) besagte, daß die Übersiedlung des Beschwerdeführers auf die übernommene Liegenschaft sowie die Aufnahme der Bewirtschaftung bei ansonsten eintretender Nichtigkeit dieses Bescheides bis längstens 1. Mai 1986 zu erfolgen habe.

Gegen diesen Bescheid hat eine andere Kaufinteressentin Berufung erhoben, welcher jedoch mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. Juni 1985 nicht Folge gegeben wurde.

In der Folge entwickelten sich zivilrechtliche Streitigkeiten, welche dem Beschwerdeführer die Einhaltung der Frist per 1. Mai 1986 unmöglich machten. Über jeweils rechtzeitig gestellte Fristverlängerungsanträge hat hierauf die belangte Behörde diese Frist unter Anwendung der §§ 1 AgrVG 1950, 56, 59 und 68 AVG 1950 sowie 1 und 7 LSG mit Bescheid vom 24. April 1986 bis zum 1. Mai 1987, mit Bescheid vom 23. April 1987 bis zum 1. Mai 1988 und schließlich mit Bescheid vom 14. April 1988 bis zum 1. März 1989 verlängert. Hinsichtlich ihrer Zuständigkeit zur Entscheidung über diese Fristverlängerungsanträge verwies die belangte Behörde jeweils darauf, daß die Anträge des Beschwerdeführers auf eine Änderung eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides abzielten, wobei zur Handhabung des Abänderungs- und Behebungsrechtes gemäß § 68 AVG 1950 jene Behörde zuständig sei, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen habe.

Mit Schreiben vom 25. Februar 1989, welches am 8. März 1988 bei der ABB und am 14. März 1989 bei der belangten Behörde einlangte, teilte der Beschwerdeführer mit, daß der anhängige Zivilprozeß noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sei. Er stelle daher den Antrag, die ihm "bis 1.5.1989 gewährte Frist" bis zur Beendigung des Zivilprozesses, zumindest jedoch für ein weiteres Jahr, zu verlängern.

Mit Schreiben vom 16. März 1989 machte die belangte Behörde den Beschwerdeführer darauf aufmerksam, daß die zuletzt mit 1. März 1989 bemessene Frist bereits vor der Eingabe des Beschwerdeführers abgelaufen und damit die rechtskräftig verfügte Resolutivbedingung eingetreten sei.

Mit einer weiteren Eingabe vom 20. März 1989, bei der belangten Behörde eingelangt am 21. März 1989, stellte der Beschwerdeführer nun einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung, daß ihm bis jetzt nicht aufgefallen sei, daß die Frist zuletzt mit 1. März 1989 und nicht wie von ihm angenommen mit 1. Mai 1989 festgesetzt worden sei. Gleichzeitig holte er seinen innerhalb dieser Frist versäumten Antrag auf neuerliche Fristerstreckung für die Dauer eines weiteren Jahres nach.

Diese Anträge hielt der Beschwerdeführer in der von der belangten Behörde am 29. Juni 1989 abgehaltenen mündlichen Verhandlung aufrecht.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29. Juni 1989 lehnte die belangte Behörde unter Bezugnahme auf die §§ 1 AgrVG 1950 sowie 56, 59, 68 und 71 AVG 1950 den Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers ab und wies seinen Fristerstreckungsantrag als unzulässig zurück.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer stütze seinen Wiedereinsetzungsantrag im wesentlichen darauf, daß er der Meinung habe sein dürfen, es sei zuletzt eine Fristverlängerung bis zum 1. Mai 1989 ausgesprochen worden; sein diesbezüglicher Irrtum sei auf ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis zurückzuführen gewesen. Dieser Argumentation könne sich die belangte Behörde nicht anschließen. Die Fristverlängerung sei mit Bescheid vom 14. April 1988 bis zum 1. März 1989 ausgesprochen und dieses Datum im Bescheidspruch sogar unterstrichen worden. Ein Irrtum darüber stelle keinen Wiedereinsetzungsgrund dar. Zum Antrag auf Fristerstreckung sei auf § 68 Abs. 7 AVG 1950 hinzuweisen, wonach niemandem ein Anspruch auf eine Abänderung oder Aufhebung rechtskräftiger Bescheide zustehe; die Frage, ob die Behörde von ihren Rechten nach § 68 AVG 1950 Gebrauch machen wolle, sei vielmehr in das freie Ermessen der Behörde gestellt. Nach der Aktenlage sei die rechtskräftig ausgesprochene Resolutivbedingung am 1. März 1989 eingetreten; unter welchen Begleitumständen, sei nicht entscheidungswesentlich. Damit seien die mit dem Bescheid der ABB vom 15. April 1985 verbundenen Rechtsfolgen automatisch weggefallen. Schon deshalb komme eine weitere Fristverlängerung nicht in Betracht. Zur bloßen Information setzte die belangte Behörde noch hinzu, daß der Beschwerdeführer im Falle eines für ihn günstigen Ausganges der Zivilprozesse die Möglichkeit habe, die Durchführung eines neuerlichen Verfahrens nach dem LSG zu beantragen.

Diesen Bescheid bekämpfte der Beschwerdeführer mit einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher jedoch die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 26. September 1989 ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er erklärte dazu, er erachte sich über seine vor dem Verfassungsgerichtshof geltend gemachten Rechtsverletzungen hinaus "in seinen Rechten gem. §§ 68, 71, 56, 59 AVG sowie §§ 1 und 2 (2) AgrVG verletzt, zumal der Instanzenzug zum Obersten Agrarsenat nicht zugelassen wurde, wobei für Fristverlängerungsanträge die Agrarbezirksbehörde zuständig ist".

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird geltend gemacht, der angefochtene Bescheid wäre entgegen der in ihm enthaltenen Rechtsmittelbelehrung mit Berufung an den Obersten Agrarsenat beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft (OAS) anfechtbar gewesen. Träfe dies zu, dann wäre die vorliegende Beschwerde wegen Nichterschöpfung des Instanzenzuges gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. Die Rechtsmittelbelehrung der belangten Behörde entsprach jedoch der Rechtslage.

Gegen die Ablehnung eines Antrages auf Wiedereinsetzung steht dem Antragsteller gemäß § 72 Abs. 4 AVG 1950 das Recht der Berufung an die im Instanzenzug übergeordnete Behörde zu. In Angelegenheiten der Bodenreform, zu welchen die vorliegende Angelegenheit des landwirtschaftlichen Siedlungswesens zu zählen ist, endet der Instanzenzug gemäß § 7 Abs. 1 des Agrarbehördengesetzes 1950, BGBl. Nr. 1/1951 in der Fassung gemäß BGBl. Nr. 476/1974 (AgrarBehG 1950), mit den in Abs. 2 bezeichneten Ausnahmen beim Landesagrarsenat. Unter den Fällen, in denen gemäß § 7 Abs. 2 AgrarBehG 1950 die Berufung an den OAS zulässig ist, scheinen Angelegenheiten des landwirtschaftlichen Siedlungswesens nicht auf. In diesen Fällen ist daher der OAS nicht als den Landesagrarsenaten im Instanzenzug übergeordnete Behörde eingerichtet (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Juli 1988, Zl. 88/07/0019, und vom 28. Februar 1989, Zl. 88/07/0094). Da verfahrensrechtliche Bescheide grundsätzlich denselben Vorschriften unterliegen, die für den Instanzenzug in der den Gegenstand des Verfahrens bildenden Angelegenheit maßgebend sind (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 3. Auflage, auf S. 397 angeführte Rechtsprechung), war gegen den im Beschwerdefall angefochtenen Bescheid eine Berufung an den OAS nicht zulässig. Der administrative Instanzenzug ist somit erschöpft, weshalb der Verwaltungsgerichtshof zur Sachentscheidung über die vorliegende Beschwerde zuständig ist.

Gemäß § 71 Abs. 1 AVG 1950 ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn a) die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen, oder b) die Partei die Berufungsfrist versäumt hat, weil der Bescheid fälschlich die Angabe enthält, daß keine Berufung zulässig sei. Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist gemäß § 71 Abs. 4 AVG 1950 die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung wahrzunehmen war oder die die versäumte Handlung angeordet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

Nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung (vgl. dazu Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetzes I, S. 736; Hauer-Leukauf aaO, S. 496; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes, 4. Auflage, S. 220 f) muß es sich bei der im Sinne des § 71 Abs. 1 AVG 1950 versäumten Frist um eine verfahrensrechtliche Frist handeln; eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung materiellrechtlicher Fristen ist nicht vorgesehen. Um eine solche materiellrechtliche Frist aber handelt es sich im Beschwerdefall: Ihr Ablauf bedeutet nicht den Eintritt der Unmöglichkeit, eine Verfahrenshandlung zu setzen, sondern den Eintritt der von der belangten Behörde in ihrem Berufungsbescheid vom 13. Juli 1985 bestätigten Resolutivbedingung und damit den Verlust der Ansprüche des Beschwerdeführers aus der ebenfalls mit diesem Bescheid bestätigten Anwendung der Bestimmungen des LSG auf den vom Beschwerdeführer geschlossenen Übergabsvertrag. Mit Rücksicht darauf, daß somit im Beschwerdefall eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugunsten des Beschwerdeführers wegen Versäumung der ihm gesetzten Frist gar nicht in Betracht kam, ist dem nur der Vollständigkeit halber hinzuzufügen, daß ein Irrtum des Beschwerdeführers über den Termin des Fristablaufes mit 1. März 1989, welcher im betreffenden Fristerstreckungsbescheid vom 14. April 1988 sogar durch Unterstreichung besonders hervorgehoben worden ist, keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund gebildet hätte.

Bei dieser Rechtslage konnte der Beschwerdeführer dadurch, daß die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid seinen Wiedereinsetzungsantrag "abgelehnt" hat, in seinen Rechten nicht verletzt werden.

Aber auch durch die Zurückweisung des Fristerstreckungsantrages ist der Beschwerdeführer, ganz abgesehen vom rechtlichen Schicksal seines Wiedereinsetzungsantrages, in seinen Rechten nicht verletzt worden. Mit Recht ist die belangte Behörde bei den bisher vorgenommenen Fristverlängerungen davon ausgegangen, daß damit die Fristsetzung im jeweils vorangegangenen, in Rechtskraft erwachsenen Bescheid unter Anwendung des § 68 AVG 1950 abgeändert worden ist, und zwar jeweils durch die dafür zuständige Oberbehörde. Gemäß § 68 Abs. 7 AVG 1950 steht auf die Ausübung dieses der Behörde gemäß Abs. 2 und 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechtes niemandem ein Anspruch zu.

Wenn der Beschwerdeführer schließlich in seiner Beschwerde noch geltend macht, die Aufnahme der auflösenden Bedingung in den Bescheid der ABB vom 19. April 1985 stelle einen ungesetzlichen Willkürakt dar, dann ist ihm zu erwidern, daß dieser Bescheid vom Beschwerdeführer nicht bekämpft worden und durch seine Bestätigung im Instanzenzug längst in Rechtskraft erwachsen ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter VerfahrensanordnungenOffenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Allgemein Allgemeine VerwaltungsverfahrensgesetzeInstanzenzug Zuständigkeit Besondere Rechtsgebiete Verfahrensrechtliche Bescheide Zurückweisung Kostenbescheide Ordnungs- und Mutwillensstrafen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1989070162.X00

Im RIS seit

25.01.2001

Zuletzt aktualisiert am

22.04.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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