TE Vwgh Erkenntnis 1994/9/28 91/13/0081

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Veröffentlicht am 28.09.1994
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §240 Abs3;
EStG 1988 §16 Abs1 Z9;
EStG 1988 §26 Z4 litb;
EStG 1988 §26 Z4 litc;
EStG 1988 §67 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 91/13/0082

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden des C in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen 1. den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 21. Februar 1991, Zl. GA 5-1623/1/91, betreffend Erstattung von Lohnsteuer gemäß § 240 BAO für das Kalenderjahr 1989 und 2. den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 13. Februar 1991, Zl. G 1917/1/1-IV/7/90, betreffend Bescheidaufhebung gemäß § 299 Abs. 2 BAO (Lohnsteuererstattung für das Kalenderjahr 1989), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erzielt als Bundesbeamter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Für das Jahr 1989 stellte er einen Antrag gemäß § 240 Abs. 3 BAO auf Rückzahlung von zu Unrecht einbehaltener Lohnsteuer. Er habe aufgrund zweier Dienstreisen Tagesgelder im Sinne des § 26 Z. 4 EStG 1988 erhalten, deren Besteuerung nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechend vorgenommen worden sei. Obwohl in beide Dienstreisen Nächtigungen gefallen seien, habe der Arbeitgeber für den jeweils letzten Tag der Dienstreisen nur ein Tagesgeld von S 240,-- und nicht ein solches von S 300,-- in Ansatz gebracht. Außerdem seien die ersetzten Kosten der Nächtigungen um die Frühstückskosten gekürzt worden, obwohl diese Kosten in einkommensteuerlicher Betrachtung zu den Kosten der Nächtigung gehörten. Der Arbeitgeber des Beschwerdeführers sei aber beim Reisekostenersatz nach der Reisegebührenvorschrift (RGV) davon ausgegangen, daß die Kosten des Frühstücks mit der Tagesgebühr (§ 17 i.V.m. § 13 RGV) abgegolten seien; diese habe S 327,-- betragen. Um die Tagesgebühr nach der Reisegebührenvorschrift mit dem Tagesgeld i.S.d. § 26 Z. 4 lit. b EStG 1988 vergleichbar zu machen, müsse man die Tagesgebühr um die Kosten des Frühstücks kürzen. Eine solche Kürzung (um 15 vH) reduziere die gewährte Tagesgebühr von S 327,-- auf S 277,95, sodaß sie im Tagesgeld von maximal S 300,-- Deckung finde. Die Nächtigungsgebühr wiederum sei um die Frühstückskosten zu erhöhen und in vollem Umfang als nachgewiesene Kosten der Nächtigung im Sinne des § 26 Z. 4 lit. c EStG 1988 anzuerkennen. Schließlich seien jene Teile der Reisegebühren, die steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellten, als sonstige Bezüge im Sinne des § 67 EStG 1988 begünstigt zu besteuern.

Das Finanzamt wies den Rückzahlungsantrag ab. Der Beschwerdeführer erhob Berufung und beantragte nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung die Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Diese gab der Berufung teilweise statt, indem sie auch für den jeweils letzten Tag der Dienstreisen ein Tagesgeld von S 300,-- berücksichtigte und den Frühstückskosten im Rahmen des Nächtigungsgeldes Rechung trug. Ob die verbliebenen steuerpflichtigen Reisegebühren (S 54,--) sonstige Bezüge darstellten, mußte nach Auffassung der Abgabenbehörde zweiter Instanz "nicht entschieden werden", weil die sogenannte Sechstelgrenze (§ 67 Abs. 2 EStG 1988) bereits überschritten war.

Dieser Bescheid wurde vom Bundesminister für Finanzen im Dienstaufsichtsweg gemäß § 299 Abs. 2 BAO aufgehoben, weil das erhöhte Tagesgeld von S 300,-- nur für solche Kalendertage gebühre, für die auch ein Nächtigungsgeld bezahlt werde und weil eine fiktive Erhöhung der Nächtigungsgebühr um die Kosten des Frühstücks nicht in Betracht komme. Zur Frage der Behandlung von steuerpflichtigen Reisegebühren als sonstige Bezüge sei zu sagen, daß Reisegebühren stets als laufender Arbeitslohn anzusehen seien.

Gegen diesen Aufhebungsbescheid wendet sich die unter 91/13/0082 protokollierte Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

In der Folge entschied die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland neuerlich über die Berufung des Beschwerdeführers, wies diese ab und begründete ihre Entscheidung analog der Begründung des Aufhebungsbescheides. Gegen diese Berufungsentscheidung wendet sich die unter 91/13/0081 protokollierte Beschwerde, in der ebenfalls Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beide Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und hierüber erwogen:

1. Ausmaß des Tagesgeldes:

Gemäß § 26 Z. 4 lit. b EStG 1988, in der Stammfassung, darf das Tagesgeld für Inlandsdienstreisen bis zu S 240,-- pro Tag betragen. Dauert eine Dienstreise länger als 3 Stunden, so kann für jede angefangene Stunde ein Zwölftel gerechnet werden. Gebührt Nächtigungsgeld oder fällt eine Nächtigung in die Dienstreise, darf das Tagesgeld bis zu S 300,-- betragen.

Der Beschwerdeführer betont den Vorrang der grammatikalischen Interpretation und weist auf den "klaren Wortlaut" der Bestimmung hin, wonach es genüge, wenn EINE Nächtigung in die Dienstreise falle, um für alle Reisetage das erhöhte Tagesgeld zum Tragen kommen zu lassen. Der Gerichtshof teilt diese Ansicht nicht. Das vom Gesetzgeber gewählte System, den mit einer Dienstreise verbundenen Kosten durch Ansatz von Tages- und Nächtigungsgeldern Rechnung zu tragen, läßt eine tagesbezogene Regelung erkennen: Es werden für jeden einzelnen Dienstreisetag pauschale Höchstbeträge festgelegt, bis zu welchen ein Kostenersatz durch den Arbeitgeber nicht der Einkommen- bzw. Lohnsteuer unterliegt. Sieht der Gesetzgeber bei einer solchen tagweisen Betrachtung zwei verschieden hohe Tagesgelder vor, so muß jenes Tatbestandsmerkmal, mit dem die Unterscheidung getroffen wird, auf den betreffenden Reisetag bezug nehmen. Der Reisetag, für den ein höheres Tagesgeld vorgesehen ist, muß ein Merkmal aufweisen, das es rechtfertigt, für ihn ein höheres Tagesgeld anzusetzen als für andere Reisetage. Ein derartiges Merkmal hat der Gesetzgeber in der Nächtigung erblickt. Dieses Merkmal läßt sich aber vernünftigerweise nur in bezug zu einem Reisetag bringen, der mit einer Nächtigung verbunden ist. Eine bestimmte Nächtigung kann aber nur - mit EINEM bestimmten Tag verbunden sein. Der Gerichtshof geht daher ungeachtet des wenig glücklich formulierten Gesetzestextes davon aus, daß die in der Wortfolge "gebührt Nächtigungsgeld oder fällt eine Nächtigung in die Dienstreise ..." alternativ verwendeten Tatbestandsmerkmale tagesbezogen zu verstehen sind. Bei dem Merkmal "gebührt Nächtigungsgeld" ist dieses Auslegungsergebnis auch grammatikalisch geboten (Verwendung des Begriffes "Nächtigungsgeld" als Einzahlwort); bei dem alternativ vorgesehenen Merkmal "fällt eine Nächtigung in die Dienstreise" gebieten die obigen Ausführungen sowie der offenkundig zum Ausdruck gebrachte Wille des Gesetzgebers, dem Begriff "Nächtigungsgeld" den Begriff "Nächtigung" mit gleicher Konsequenz gegenüberzustellen, ein gleiches Auslegungsergebnis. Der Auffassung des Beschwerdeführers, dem Halbsatz "oder fällt eine Nächtigung in die Dienstreise" wäre in diesem Fall jeder Sinn genommen, kann nicht zugestimmt werden. Es kann nämlich sehr wohl Fälle geben, in denen ein Dienstreisetag mit einer Nächtigung verbunden ist, ohne daß ein Nächtigungsgeld gebührt, z. B. außerhalb des öffentlichen Dienstes.

2. Berücksichtigung der Frühstückskosten:

Gemäß § 26 Z. 4 lit. c EStG 1988 kann - wenn bei einer Inlandsdienstreise keine höheren Kosten für Nächtigung nachgewiesen werden - als Nächtigungsgeld einschließlich der Kosten eines Frühstücks ein Betrag bis zu S 200,-- berücksichtigt werden. Ob und in welchem Ausmaß der Arbeitgeber die Kosten der Nächtigung seines Arbeitnehmers auf einer Dienstreise zu ersetzen hat, wird in dieser Bestimmung nicht geregelt. Das Einkommensteuerrecht knüpft lediglich an einen tatsächlich bezahlten Kostenersatz an und normiert, daß dieser nicht unter die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit fällt. Bezahlt der Arbeitgeber keinen Kostenersatz oder kürzt er diesen, so steht es dem Arbeitnehmer frei, den nicht ersetzten Aufwand als erhöhte Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1988 geltend zu machen. Wählt er diesen vom Gesetzgeber vorgesehenen Weg nicht, so kann in einer darauf zurückzuführenden Steuerbelastung kein als "zu Unrecht" einbehaltener Betrag i.S.d. § 240 Abs. 3 BAO erblickt werden. Dies auch nicht mit der Argumentation, der Arbeitgeber habe einen Teil des Nächtigungsgeldes zu Unrecht dem Tagesgeld zugerechnet und sei so zu einem "überhöhten" und daher auf den steuerlichen Grenzbetrag zu kürzenden Tagesgeld gekommen. Die Bestimmung des § 26 Z. 4 EStG 1988 bietet nämlich keine Handhabe dafür, den Rechtsgrund für die Auszahlung einzelner Lohnbestandteile abweichend vom erklärten Willen des Arbeitgebers in eine steuerlich günstigere Gestaltung umzudeuten. Würde z.B. ein Arbeitgeber anstelle getrennter Tages- und Nächtigungsgelder nur einheitliche Tagesgelder für jeden Dienstreistag gewähren, so wäre dieses Tagesgeld ebenfalls auf das gesetzlich zulässige Höchstausmaß zu kürzen und eine Herausrechnung solcher Komponenten unzulässig, die bei gesonderter Bezahlung als Nächtigungsgeld anzuerkennen gewesen wären.

3. Behandlung von Reisekostenersätzen als sonstiger Bezug:

Gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1988 ist ein sonstiger Bezug ein solcher, den der Arbeitnehmer NEBEN dem laufenden Arbeitslohn von seinem Arbeitgeber erhält. Der laufende Arbeitslohn steht in unmittelbarer Beziehung zu der laufend erbrachten Arbeitsleistung; seine Höhe orientiert sich daher regelmäßig an dieser. So ist etwa die Bezahlung für Mehrarbeit, die in einem bestimmten Lohnzahlungszeitraum geleistet wurde, auch dann laufender Bezug, wenn die Mehrarbeit nur in diesem, nicht aber auch in anderen Lohnzahlungszeiträumen also "laufend" geleistet wurde. Demgegenüber liegt das Wesen der sonstigen Bezüge darin, daß sie der Arbeitgeber neben, also zusätzlich zum laufenden Bezug bezahlt, wobei dies aus äußeren Merkmalen ersichtlich sein muß (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 1989, 86/14/0027). Nach dem Beschwerdevorbringen und der Aktenlage bestehen keine Zweifel daran, daß der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit seinen Dienstreisen jene Arbeitsleistung erbracht hat, für die ihm laufende Bezüge ausbezahlt wurden. Die Reisen waren offensichtlich durch die laufende Dienstverrichtung veranlaßt und daher mit dieser eng verbunden. Erhielt der Beschwerdeführer Reisekostenvergütungen, die als Teile seines steuerpflichtigen Arbeitslohnes anzusehen waren, so können diese mit Rücksicht auf ihren engen Zusammenhang mit den auf den Reisen erbrachten, mit laufenden Bezügen honorierten Dienstleistungen nur ebenfalls als laufende Bezüge gewertet werden. Sie sind nicht neben den laufenden Bezügen bezahlt worden, sondern als Teile jener laufenden Bezüge, die der Beschwerdeführer als Lohn für die auf seinen Dienstreisen entfaltete Tätigkeit erhalten hat.

Die Beschwerden erweisen sich somit insgesamt als unbegründet und waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1991130081.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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