TE Vwgh Erkenntnis 1994/10/11 94/05/0097

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Veröffentlicht am 11.10.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §18 Abs4;
AVG §56;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des P in X, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in N, gegen den Gemeinderat der Marktgemeinde Gols, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG und § 66 Abs. 4 AVG wird die Berufung des Beschwerdeführers gegen den "Bescheid" des Bürgermeisters der Marktgemeinde Gols vom 1. Juli 1993, Zl. BS-B/6-1993, zurückgewiesen.

Die Marktgemeinde Gols hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der am 18. April 1994 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Säumnisbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, der belangte Gemeinderat der Marktgemeinde Gols habe über die von ihm am 8. Oktober 1993 zur Post gegebene Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters dieser Gemeinde vom 1. Juli 1993, mit welchem unter Berufung auf § 104 Abs. 3 der Burgenländischen Bauordnung die Fortsetzung der Arbeiten an einem bewilligungspflichtigen Vorhaben untersagt worden sei, bisher nicht entschieden, weshalb der Antrag gestellt werde, der Verwaltungsgerichtshof wolle über die Berufung in der Sache selbst entscheiden und den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos aufheben.

Mit hg. Verfügung vom 27. April 1994, Zl. 94/05/0097-2, wurde daraufhin das Vorverfahren eingeleitet und die belangte Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG aufgefordert, binnen 3 Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt, und dazu gemäß § 36 Abs. 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen. Gleichzeitig wurde die belangte Behörde auf die Bestimmung des § 38 Abs. 2 VwGG hingewiesen, wonach der Verwaltungsgerichtshof im Falle des Unterbleibens einer fristgerechten Aktenvorlage berechtigt ist, allein aufgrund der Behauptungen des Beschwerdeführers zu erkennen.

Diese Verfügung ist bei der belangten Behörde am 10. Mai 1994 eingelangt.

Da die belangte Behörde in der Folge weder den versäumten Bescheid nachholte, noch die Akten des Verwaltungsverfahrens vorlegte, erging die mit 23. August 1994 datierte Urgenz des Verwaltungsgerichtshofes, in welcher neuerlich auf die Rechtsfolgen des § 38 Abs. 2 VwGG aufmerksam gemacht worden ist. Da sohin die Akten des Verwaltungsverfahrens nicht vorgelegt worden sind, ist der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 38 Abs. 2 VwGG berechtigt, in der vorliegenden Beschwerdesache allein aufgrund der Behauptungen des Beschwerdeführers zu erkennen.

Gemäß § 18 Abs. 4 AVG müssen alle schriftlichen Ausfertigungen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der unter leserlicher Beifügung des Namens abgegebenen Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, daß die Ausfertigung mit der Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist.

Die vom Beschwerdeführer vorgelegte Ablichtung des als "Bescheid" bezeichneten erstinstanzlichen Verwaltungsaktes, gegen welchen der Beschwerdeführer seinem Vorbringen nach Berufung erhoben hat, enthält eine Fertigungsklausel, welche neben einem Abdruck des Amtssiegels der Marktgemeinde Gols die Worte "Der Bürgermeister" sowie ein Handzeichen aufweist, welches keinen Namen erkennen läßt und daher nicht als leserliche Beifügung des Namens des die Erledigung Genehmigenden im Sinne der wiedergegebenen verfahrensrechtlichen Bestimmung angesehen werden kann. Auch einen Beglaubigungsvermerk enthält diese Erledigung nicht. Diesem erstinstanzlichen Verwaltungsakt fehlt daher der Bescheidcharakter, woran auch der Umstand nichts ändern kann, daß für den Beschwerdeführer allenfalls die Möglichkeit bestanden hätte, mit Hilfe der in der Erledigung erwähnten Bezeichnung der den Verwaltungsakt erlassenden Behörde den Namen des Bürgermeisters zu ermitteln, der diese Erledigung genehmigt hat (vgl. dazu das bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, auf Seite 197 unter Z. 22 wiedergegebene hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1987, Zl. 87/18/0095).

Die Berufung des Beschwerdeführers hat sich daher nicht gegen einen Bescheid gerichtet, was zur Folge hat, daß die belangte Behörde dieses Rechtsmittel gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückzuweisen gehabt hätte. Da sie den versäumten Bescheid jedoch nicht nachgeholt hat, hatte der Verwaltungsgerichtshof an ihrer Stelle die Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers auszusprechen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Behördenbezeichnung Amtssiegel Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Fertigungsklausel Unterschrift des Genehmigenden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994050097.X00

Im RIS seit

25.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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