TE Vwgh Erkenntnis 1994/10/13 94/09/0056

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Veröffentlicht am 13.10.1994
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Index

63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

BDG 1979 §123;
BDG 1979 §43 Abs1;
BDG 1979 §43 Abs2;
BDG 1979 §44 Abs1;
BDG 1979 §91;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des R in S, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 19. Jänner 1994, Zl. 1/12-DK/45/94, betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens nach § 123 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Bezirksinspektor der Gendarmerie in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist ein Gendarmerieposten.

Mit dem angefochtenen Bescheid leitete die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 123 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz (BDG 1979) ein Disziplinarverfahren ein. Der Beschwerdeführer wird beschuldigt, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben beeinträchtigt zu haben, weil er am 6. Dezember 1993 um ca. 15.45 Uhr - zwar außer Dienst und in Zivil - ein näher bezeichnetes Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand auf verschiedenen Bundes-, Landes- und Gemeindestraßen von K. zu seinem Wohnhaus in E. gelenkt, wiederholt während dieser Fahrt Übertretungen nach der StVO begangen und nach seiner Ausforschung den von ihm geforderten Alkotest sowie die Herausgabe seines Führerscheins verweigert habe. Der Beschwerdeführer stehe im Verdacht, über seine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung hinaus seine Dienstpflichten nach den §§ 43 Abs. 2 sowie 44 Abs. 1 BDG 1979 hinsichtlich der Verpflichtung zur Erhaltung des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben sowie zur Befolgung von Weisungen - angeführt werden hier § 8 Abs. 2 Gendarmeriedienstinstruktion (GDI), der Erlaß des Bundesministers für Inneres vom 17. Februar 1960, Zl. 223846, der LGK-Befehl vom 25. März 1960, E.Nr. 16.590/60, GZ. 6520, der Erlaß des Bundesministers für Inneres vom 18. Dezember 1979, Zl. 5900/30-II/4/79, E.Nr. 46/131/79 vom 3. Jänner 1980, GZ. 6520, sowie der LGK-Befehl vom 28. April 1987, GZ. 5520/3-2/87, GZ. 6520 - im Sinne des § 91 BDG 1979 schuldhaft verletzt zu haben. In der Begründung des angefochtenen Bescheides werden hiezu die Anzeige eines anderen PKW-Lenkers, der Verlauf einer Amtshandlung beim Beschwerdeführer und die Aussagen von Zeugen geschildert. Gegen den Beschwerdeführer sei wegen Übertretungen nach der StVO 1960 an die Bezirkshauptmannschaft Anzeige erstattet worden. In rechtlicher Hinsicht sei zu erwägen, daß gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen habe, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibe. Nach § 44 Abs. 1 BDG 1979 habe der Beamte Weisungen seiner Vorgesetzten zu befolgen. Abs. 2 des § 8 GDI verpflichte den Gendarmeriebeamten, alles zu vermeiden, was ihn einer abfälligen Bemerkung oder gar der üblen Nachrede der Bevölkerung aussetzen könnte. Auch die sonstigen im Spruch angeführten Erlässe und Befehle brächten zum Ausdruck, daß Dienstvergehen, die unter Einfluß von Alkohol gesetzt würden, in allen Fällen eine schwere Verletzung des Standesansehens der Gendarmerie darstellten, daß solche Vorfälle in der Öffentlichkeit berechtigte Kritik auslösten und dies umso bedauerlicher und verwerflicher sei, als die Organe der Bundesgendarmerie aufgrund der ihnen übertragenen gesetzlichen Aufgaben und Befugnisse dazu berufen seien, dem Alkoholmißbrauch entgegenzutreten. Die von Gendarmeriebeamten in alkoholisiertem Zustand begangenen Delikte brächten nicht nur für die Beamten und ihre Angehörigen schwerwiegende Folgen, sondern schädigten im besonderen Maße das Ansehen der Bundesgendarmerie.

Die Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 91 BDG 1979 ist der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, nach diesem Abschnitt (d.h. dem 9. Abschnitt des BDG 1979) zur Verantwortung zu ziehen.

Nach § 123 Abs. 1 BDG 1979 hat der Vorsitzende der Disziplinarkommission nach Einlangen der Disziplinaranzeige die Disziplinarkommission zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen, so ist dieser Beschluß nach Abs. 2 der genannten Bestimmung dem beschuldigten Beamten, dem Disziplinaranwalt und der Dienstbehörde zuzustellen. Gegen die Einleitung des Disziplinarverfahrens ist kein Rechtsmittel zulässig.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die dem Einleitungsbeschluß nach § 123 BDG 1979 zukommende rechtliche Bedeutung in erster Linie darin gelegen, dem einer Dienstpflichtverletzung beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird. Die abschließende rechtliche Beurteilung des dem Beamten zur Last gelegten Verhaltens ist im Einleitungsbeschluß nicht erforderlich (vgl. z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 1985, 84/09/0143, u.v.a.). Für die Einleitung des Disziplinarverfahrens ist es ausreichend, wenn genügend Verdachtsmomente vorliegen, welche die Annahme einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen.

Der angefochtene Bescheid entspricht den dargelegten Anforderungen. Es ist klar ersichtlich, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden ist, und auch die Verdachtsmomente sind ausreichend konkretisiert, um nach der Lebenserfahrung auf das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung schließen zu können. Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sieht der Beschwerdeführer (allein) darin, daß sein Verhalten nicht gegenüber der Allgemeinheit ("gegenüber der Bevölkerung") in Erscheinung getreten sei. Aus diesem Grund sei eine Erschütterung des Vertrauens der Allgemeinheit nicht möglich und keine Dienstpflichtverletzung erfüllt. Dabei übersieht der Beschwerdeführer, daß es für den Tatbestand des § 43 Abs. 2 BDG 1979 nur darauf ankommt, ob das vorgeworfene Verhalten SEINEM OBJEKTIVEN INHALT nach geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben durch den Beamten in Frage zu stellen. Es kommt weder auf die öffentliche Begehung der Tat noch darauf an, ob das Verhalten des Beamten in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist (vgl. Schwabl/Chilf, Disziplinarrecht der Bundesbeamten, Landeslehrer und Soldaten, Wien 1989, Seite 8, sowie die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 1985, 84/09/0143, und vom 18. Oktober 1989, 89/09/0017). Dasselbe gilt für den vorgeworfenen Weisungsverstoß nach § 44 Abs. 1 BDG 1979. Auch generelle, abstrakte oder konkrete Normen, die an einen oder an eine Gruppe von dem Weisungsgeber unterstellten Organwaltern ergehen, sind als "Weisungen" zu verstehen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Februar 1991, 90/09/0064, 0080). Die im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen internen Vorschriften verbieten bestimmte Verhaltensweisen, wobei auch hier lediglich die abstrakte Diskriminierungsmöglichkeit durch die Allgemeinheit von Bedeutung ist (vgl. z.B. § 8 Abs. 2 GDI, wonach der Gendarmeriebeamte "alles zu vermeiden hat, was ihn ... aussetzen KÖNNTE"). Die Nichtbefolgung welcher Weisung dem Beschwerdeführer im einzelnen vorzuwerfen sein wird, wird im weiteren Disziplinarverfahren zu klären sein.

Aus den genannten Gründen erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war daher nach § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Kostenzuspruch stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG i.V.m. der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994090056.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

29.06.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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