TE Vwgh Erkenntnis 1994/10/19 93/03/0252

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Veröffentlicht am 19.10.1994
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973 §87 Abs1 Z2 idF 1993/029;
GewO 1973 §87 Abs2 idF 1993/029;
GewO 1973 §87 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, DDr. Jakusch, Dr. Gall und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 16. August 1993, Zl. MA 63 - Sch 139/93, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführerin wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 16. August 1993 gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 iVm § 13 Abs. 3 GewO 1973 die Gewerbeberechtigung "Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen, deren höchste zulässige Nutzlast 600 kg nicht übersteigt" entzogen. Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom November 1992 sei ein Antrag der Wiener Gebietskrankenkasse auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Beschwerdeführerin mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen worden. Die Beschwerdeführerin habe zwar die seinerzeitigen Verbindlichkeiten gegenüber der Wiener Gebietskrankenkasse mittlerweile beglichen. Auf Anfrage der belangten Behörde habe die Wiener Gebietskrankenkasse aber mit Schreiben vom 1. Juli 1993 mitgeteilt, die Beschwerdeführerin komme der laufenden Beitragsverpflichtung nicht nach, für den Zeitraum Februar bis Mai 1993 bestehe ein Beitragsrückstand von S 82.716,09. Dieses Ermittlungsergebnis sei der Beschwerdeführerin zur Stellungnahme übermittelt worden, eine Stellungnahme sei aber nicht abgegeben worden. Nach der Aktenlage könne die Beschwerdeführerin die laufenden Verbindlichkeiten, welche durch die Gewerbeausübung entstünden, nicht begleichen. Durch die weitere Gewerbeausübung würde zwar die Abdeckung bestehender Rückstände ermöglicht, gleichzeitig würden aber neue Verbindlichkeiten anwachsen. Es läge daher ein vorwiegendes Interesse der Gläubiger an einer weiteren Gewerbeausübung durch die Beschwerdeführerin nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpfichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt inhaltlicher Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bringt die Beschwerdeführerin vor, die Gebietskrankenkasse sei nur ein Gläubiger, § 87 Abs. 2 GewO 1973 stelle jedoch auf eine Gläubigermehrheit ab. Im übrigen würde die Entziehung der Gewerbeberechtigung eine Existenzgefährdung für die Beschwerdeführerin und den Verlust der Arbeitsplätze ihrer fünf Fahrer bedeuten. Als Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin, die belangte Behörde sei der Verpflichtung zur amtswegigen Feststellung des Sachverhaltes nicht nachgekommen. Sie habe nicht festgestellt, daß die Beschwerdeführerin vor Erlassung des angefochtenen Bescheides bemüht gewesen sei, nicht nur den Beitragsrückstand, sondern auch die laufenden Verpflichtungen zu begleichen. Nunmehr seien auch sämtliche Zahlungsverpflichtungen beglichen worden. Die belangte Behörde habe auch nicht die Erfüllung von Verpflichtungen gegenüber anderen Gläubigern, insbesondere den Arbeitnehmern geprüft. Sie habe die Lohnzahlungen fortlaufend geleistet.

Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 GewO 1973 in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hier anzuwendenden Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde zu entziehen, wenn einer der im § 13 Abs. 3 und 5 angeführten Umstände, die den Gewerbeausschluß bewirken, vorliegt.

§ 13 Abs. 3 GewO 1973 lautet:

"Rechtsträger, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet wurde oder gegen die der Antrag auf Konkurseröffnung gestellt, der Antrag aber mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen wurde, sind von der Gewerbeausübung als Gewerbetreibende (§ 38 Abs. 2) ausgeschlossen. Dies gilt auch, wenn mit den angeführten Ausschlußgründen vergleichbare Tatbestände im Ausland verwirklicht wurden."

Gemäß § 87 Abs. 2 GewO 1973 kann die Behörde von der im Abs. 1 Z. 2 vorgeschriebenen Entziehung der Gewerbeberechtigung wegen Eröffnung des Konkurses oder Abweisung eines Antrages auf Konkurseröffnung mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens absehen, wenn die Gewerbeausübung vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen ist.

Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob die belangte Behörde die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 2 GewO 1973 anzunehmen gehabt hätte.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1994, Zl. 94/04/0002, mit weiteren Hinweisen) dargetan hat, ist im Grunde des § 87 Abs. 2 GewO 1973 von der Entziehung der Gewerbeberechtigung abzusehen, wenn aufgrund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage von der natürlichen Person erwartet werden kann, daß sie auch den mit der Ausübung des den Gegenstand der ausgesprochenen Entziehung bildenden Gewerbes verbundenen Zahlungspflichten nachkommen wird, was jedenfalls voraussetzt, daß die erforderlichen liquiden Mittel zur Abdeckung der diesbezüglichen Verbindlichkeiten vorhanden sind. Hingegen ist es nicht schon allein entscheidungsrelevant, daß das Gewerbe ausgeübt wird, damit die vorhandenen Forderungen berichtigt werden. Außer den bereits bestehenden Gläubigerforderungen müssen somit die im Zusammenhang mit einer weiteren Gewerbeausübung zu erwartenden Verbindlichkeiten durch liquide Mittel beglichen werden können, um nicht eine Schädigung weiterer Gläubiger durch die fortgesetzte Gewerbeausübung eintreten zu lassen. Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis vom 19. März 1991, Zl. 90/04/0208, dargetan hat, geht es darum, daß die Zahlungspflichten bei Fälligkeit erfüllt werden. Eine vom Kriterium der Leistung ALLER fälligen Zahlungen losgelöste Vor- und Nachteilsabwägung ist nicht vorzunehmen. Solange nicht die Erwartung der Zahlung bei Fälligkeit besteht, kommt auch einer einen Abbau von Schulden in sich schließenden Unternehmensentwicklung keine Relevanz zu.

Da sohin die Gewerbeausübung nur dann im Sinne des § 87 Abs. 2 GewO 1973 vorwiegend im Interesse der Gläubiger (sohin in ihrer Gesamtheit und nicht einzelner Gläubiger, vgl. hg. Erkenntnis vom 13. September 1988, Zl. 86/04/0106) gelegen ist, wenn die Leistung aller fälligen Zahlungen erwartet werden kann, ist - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - auf das Vorliegen einer Mehrheit von Gläubigern nicht abzustellen. Es kommt somit auch nicht darauf an, ob die Gebietskrankenkasse im Sinne dieser Vorschrift als ein Gläubiger oder - wie die belangte Behörde in der Gegenschrift vorbringt - aufgrund des § 58 Abs. 5 ASVG als Gläubigermehrheit anzusehen ist.

Es ist nun nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde aufgrund der im Verwaltungsverfahren festgestellten wirtschaftlichen Situation der Beschwerdeführerin zur Ansicht gelangt ist, die weitere Gewerbeausübung sei nicht vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen, weil sie zwar die Abdeckung bestehender Rückstände ermögliche, gleichzeitig aber neu entstehende Verbindlichkeiten nicht (rechtzeitig) getilgt würden. Das bloße Bemühen, Zahlungspflichten bei Fälligkeit zu entsprechen, erfüllt ebensowenig die Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 2 GewO 1973 wie der Umstand, daß (bloß) einer großen Zahl von Gläubigern gegenüber, insbesondere gegenüber den Arbeitnehmern, die Zahlungspflichten erfüllt wurden. Der belangten Behörde kann daher auch nicht die Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeworfen werden, wenn sie diesbezügliche Ermittlungen unterließ.

Da der angefochtene Bescheid vom Verwaltungsgerichtshof nach der Rechts- und Sachlage im Zeitpunkt seiner Erlassung überprüft wird, kann der - im übrigen von der belangten Behörde in ihrer Äußerung zum Antrag auf aufschiebende Wirkung bestrittenen - Beschwerdebehauptung, sämtlichen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Gebietskrankenkasse sei mittlerweile entsprochen worden, keine Bedeutung zukommen.

Was schließlich den Hinweis der Beschwerdeführerin betrifft, die Entziehung der Gewerbeberechtigung gefährde ihre Existenz und habe den Verlust von Arbeitsplätzen zur Folge, ist darauf zu verweisen, daß diesem Vorbringen nach dem normativen Gehalt der hier anzuwendenden Vorschrift kein rechtliches Gewicht beizumessen ist (vgl. hg. Erkenntnis vom 13. September 1988, Zl. 86/04/0106).

Die Beschwerde erweist sich somit als nicht begründet. Sie

war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993030252.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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