TE Vwgh Erkenntnis 1994/11/16 94/01/0577

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Veröffentlicht am 16.11.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
FlKonv Art1 AbschnB;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. April 1994, Zl. 4.332.751/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. April 1994 wurde in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 17. März 1992 ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer - einem Staatsangehörigen der

"Jugosl. Föderation", der am 9. Jänner 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 13. Jänner 1992 den Asylantrag gestellt hat - kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer, ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 auseinanderzusetzen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß beim Beschwerdeführer der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 15. Jänner 1992, daß er sich vor seiner Einreise nach Österreich in Slowenien aufgehalten habe, aus und befaßte sich in rechtlicher Hinsicht näher mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle, wobei sie im wesentlichen - im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (beginnend mit dem Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256), auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - die Rechtslage richtig erkannt hat.

Der Beschwerdeführer macht unter anderem geltend, daß der "heutige Staat Slowenien nicht Mitglied der Genfer Flüchtlingskonvention" im Zeitpunkt seiner "Einreise" nach Österreich gewesen sei und daher auch nicht die Bestimmungen dieser Konvention habe beachten müssen. Ein Beitritt Sloweniens sei erst am 6. Juli 1992 erfolgt. Dem ist entgegenzuhalten, daß Slowenien mit Wirksamkeit vom 25. Juni 1991 ohne jede Einschränkung erklärt hat, sich auch weiterhin an die Genfer Flüchtlingskonvention, BGBl. Nr. 55/1955, und das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, gebunden zu erachten (siehe dazu BGBl. Nr. 806 und 807/1993).

Der Beschwerdeführer macht aber der belangten Behörde auch zum Vorwurf, es übersehen zu haben, daß im Zeitpunkt seiner Einreise nach Österreich Slowenien als Staat im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 (noch) nicht bestanden habe und völkerrechtlich nicht anerkannt gewesen sei. Es sei zu diesem Zeitpunkt völkerrechtlich eine "Teilrepublik Jugoslawiens" gewesen, sodaß der Beschwerdeführer direkt von "Jugoslawien" nach Österreich eingereist sei. Er sei daher im Zeitpunkt seiner Einreise keinesfalls "in einem anderen Staat" im Sinne der vorgenannten gesetzlichen Bestimmung vor Verfolgung sicher gewesen, da von einem anderen Staat in diesem Zusammenhang nur dann gesprochen werden könne, wenn es sich um ein "anerkanntes Völkerrechtsobjekt" handelte. Dies allein stellt schon einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, wobei hinsichtlich der Begründung auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 94/01/0264, des näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird.

Zudem habe Slowenien die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention nicht beachtet. Die belangte Behörde habe es insbesondere unterlassen, sich näher mit den Fragen der Gewährung von Asyl in der "derartigen Teilrepublik Slowenien" auseinanderzusetzen. Eine generalisierende Betrachtungsweise der "Verfolgungssicherheit" im Zeitpunkt jener 1992 reiche zu deren Beurteilung durch die belangte Behörde nicht aus, "sodaß jedenfalls eine inhaltliche Prüfung vorzunehmen gewesen wäre".

Würden diese Behauptungen zutreffen, so könnte nicht mehr ohne weiteres davon die Rede sein, daß - entsprechend der Begründung des angefochtenen Bescheides - davon auszugehen sei, daß in einem Staat, dessen Rechts- und Verfassungsordnung im großen und ganzen effektiv sei, wie dies für Slowenien gelte, "auch größere Teilbereiche dieses Rechtsbestandes, wie eben das Nonrefoulementrecht ebenfalls effektiv in Geltung" stünden, dies jeweils bezogen auf den hiebei allein maßgebenden Zeitpunkt des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in diesem Land (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357, und vom 26. Jänner 1994, Zl. 93/01/0522).

Der Beschwerdeführer hat zwar diese Behauptungen erstmals in der Beschwerde aufgestellt, doch wurde ihm im Verwaltungsverfahren nicht Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen, weshalb dieses Vorbringen nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt. Damit hat der Beschwerdeführer die Wesentlichkeit eines Verfahrensmangels aufgezeigt.

Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz im Rahmen des gestellten Begehrens gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994010577.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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