TE Vwgh Erkenntnis 1994/11/17 92/06/0153

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.11.1994
beobachten
merken

Index

L85007 Straßen Tirol;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §8;
LStG Tir 1989 §3 Abs2;
LStG Tir 1989 §34 Abs1 lita;
LStG Tir 1989 §34 Abs1 litb;
LStG Tir 1989 §34 Abs4;
LStG Tir 1989 §4 Abs4;
LStG Tir 1989 §75 Abs1 litf;
LStG Tir 1989 §75 Abs3;
LStG Tir 1989 §80;
LStG Tir 1989 §81 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der A in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 15. Juni 1992, Zl. IIb 1-L-1895/5-1992, betreffend Feststellung gemäß § 81 Abs. 3 Tiroler Straßengesetz (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Stadtgemeinde W beantragte am 14. August 1991 gemäß § 81 Abs. 3 Tiroler Straßengesetz, LGBl. Nr. 13/1989, die Feststellung, ob beim Inkrafttreten des Straßengesetzes die bestehende Privatstraße "X" als öffentliche Privatstraße im Sinne des Tiroler Straßengesetzes anzusehen gewesen sei.

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin der Grundfläche einer Privatstraße und hatte bereits vor Einleitung des hier gegenständlichen Verwaltungsverfahrens die Übernahme der Straße in das öffentliche Gut beantragt. Die Straße "X" war vom Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin, ihrem Ehegatten, aufgrund einer der Gemeinde gegenüber abgegebenen Verpflichtungserklärung auf eigene Kosten angelegt bzw. hergestellt worden. Die Straße dient der verkehrsmäßigen Erschließung von mehr als 50 Baugrundstücken.

Aufgrund des Antrages der mitbeteiligten Stadtgemeinde erging der nunmehr angefochtene Bescheid, mit welchem die belangte Behörde feststellte, daß die Privatstraße "X" auf Grundstück Nr. 548/1 KG Wörgl-Kufstein keine öffentliche Privatstraße im Sinne von § 34 Abs. 1 oder Abs. 2 Tiroler Straßengesetz 1988, LGBl. Nr. 13/1989 sei.

Begründend führte die belangte Behörde aus, daß gemäß § 34 Abs. 1 lit. a und b Tiroler Straßengesetz jene Straßen öffentliche Privatstraßen seien, die nicht zu einer anderen Gruppe öffentlicher Straßen gehörten und die entweder (lit. a) von dem (der) über die Straße Verfügungsberechtigten durch Erklärung gegenüber der Behörde dem Gemeingebrauch gewidmet wurden oder (lit. b) unabhängig vom Willen des (der) über die Straße Verfügungsberechtigten (stillschweigend) seit mindestens 30 Jahren der Deckung eines dringenden öffentlichen Verkehrsbedürfnisses dienten.

Aus der Aktenlage und nach Durchführung der mündlichen Verhandlung ergebe sich, daß weder eine Erklärung gemäß Abs. 1 lit. a abgegeben worden sei, noch daß die Straße 30 Jahre lang der Deckung eines dringenden öffentlichen Verkehrsbedürfnisses, wie dies § 34 Abs. 1 lit. b des Straßengesetzes fordere, gedient habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht, daß die Behörde die Straße "X" als öffentliche Privatstraße feststellte, verletzt erachtet.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Beschwerdelegitimation:

Das Verwaltungsverfahren, welches zu der Erlassung des angefochtenen Bescheides führte, wurde gemäß § 81 Abs. 3 Tiroler Straßengesetz LGBl. Nr. 13/1989 von der mitbeteiligten Gemeinde durch einen entsprechenden Antrag eingeleitet. Die Tiroler Landesregierung verneint nun die Parteistellung der Beschwerdeführerin und ihre Beschwerdelegitimation vor dem Verwaltungsgerichtshof. Hinsichtlich der Parteistellung führt die belangte Behörde aus, daß die Beschwerdeführerin auch selbst die Möglichkeit gehabt hätte, ebenfalls einen Antrag auf Feststellung zu stellen, ob es sich bei der Privatstraße "X" um eine öffentliche Privatstraße im Sinne des Tiroler Straßengesetzes handle. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdeführerin allenfalls ein rechtliches Interesse an der Erlassung des Feststellungsbescheides gehabt habe.

Die belangte Behörde verkennt mit diesen Ausführungen, daß die Frage der Parteistellung in dem bereits eingeleiteten Feststellungsverfahren von der Frage des Bestehens eines Feststellungsinteresses zu unterscheiden ist. Ungeachtet der Frage, ob ein betroffener Eigentümer oder Verfügungsberechtigter nach dem Gesetz auch selbst ein entsprechendes Verfahren einleiten könnte, ist die Frage der Parteistellung in einem Feststellungsverfahren, welches über Antrag eines Dritten eingeleitet wurde, danach zu beurteilen, ob durch die Feststellung, die den Abschluß des Verfahrens bildet, in Rechte des Betroffenen eingegriffen wird oder nicht. Es kann somit - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - nicht dahingestellt bleiben, ob das Verfahren, welches durch den Antrag der mitbeteiligten Stadtgemeinde eingeleitet wurde, subjektiv-öffentliche Rechte der Beschwerdeführerin betrifft oder nicht. Es kann nun im Hinblick etwa auf § 4 Abs. 4 des Tiroler Straßengesetzes, demzufolge der Gemeingebrauch von niemandem behindert werden darf, kein Zweifel daran bestehen, daß durch eine Feststellung der Eigenschaft einer Straße als öffentliche Privatstraße im Sinne des Tiroler Straßengesetzes Rechte des Eigentümers der Straße betroffen sind. Daran vermag auch die im vorliegenden Beschwerdefall gegebene Interessenslage, derzufolge die Beschwerdeführerin ein Interesse daran hätte, daß die Erklärung zur öffentlichen Privatstraße erfolgt, nichts ändern.

Auch der Umstand, daß § 81 des Tiroler Straßengesetzes keine ausdrückliche Regelung über die Parteistellung in dem in § 81 Abs. 3 Tiroler Straßengesetz genannten Verfahren enthält, ändert an dieser Beurteilung nichts. Aus der Tatsache, daß ein Gesetz (hier etwa in § 3 Abs. 2 des Tiroler Straßengesetzes) für ein bestimmtes Verfahren eine ausdrückliche Vorschrift betreffend die Parteistellung enthält, kann nicht geschlossen werden, daß in anderen - wenngleich vergleichbaren, hier nämlich ebenfalls eine Feststellung betreffenden - Verfahren der Gesetzgeber die Parteistellung der in ihren Rechten betroffenen Personen ausschließen wollte.

Im Hinblick auf diese Überlegungen ist somit die Parteistellung der Beschwerdeführerin im Verfahren gemäß § 81 Abs. 3 Tiroler Straßengesetz zu bejahen. Ein Eingehen auf die weitere Argumentation der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang (betreffend die Zustellung des Bescheides an sie bzw. ihre Ladung zur mündlichen Verhandlung) erübrigt sich daher.

Die belangte Behörde bestreitet jedoch die Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerin nicht nur im Hinblick auf die ihrer Ansicht nach fehlende Parteistellung, sondern auch im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Bescheid weder eine Verpflichtung, noch eine Duldung auferlegt worden sei. Diese Argumentation wäre dann stichhaltig, wenn sich aus dem Tiroler Straßengesetz keinerlei Rechte des Erhalters einer Privatstraße durch die Erklärung zur öffentlichen Privatstraße ergäben. In diesem Zusammenhang ist aber auf § 56 Abs. 2 Tiroler Straßengesetz hinzuweisen. Nach diesem hat dann, wenn eine Straße wegen der besonderen Art oder des besonderen Umfanges der Benützung durch Fahrzeuge eines Unternehmens stärker beansprucht wird, als dies durch den Verkehr, dem die Straße allgemein dient, der Fall wäre, dieses Unternehmen dem Straßenverwalter einen Beitrag zu den Kosten der Erhaltung der Straße zu leisten. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, daß durch die bescheidmäßige Verneinung der Eigenschaft als öffentliche Privatstraße nicht in Rechte der Beschwerdeführerin eingegriffen werden könnte.

Die Beschwerdelegitimation ist daher gegeben.

2. In der Sache:

§ 81 Abs. 3 Tiroler Straßengesetz, LGBl. Nr. 13/1989, lautet:

"(3) Die Behörde entscheidet auf Antrag des über die betreffende Straße Verfügungsberechtigten oder der Gemeinde, durch deren Gebiet oder zu deren Gebiet diese Straße führt, ob eine beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehende Privatstraße ausdrücklich dem Gemeingebrauch gewidmet wurde oder nicht. § 34 Abs. 5 und 6 gilt sinngemäß."

§ 34 Abs. 5 und 6 lauten:

"(5) Die Behörde hat vor der Erlassung eines Bescheides nach Abs. 4 eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Zu dieser sind der über die Straße Verfügungsberechtigte und die Gemeinde, durch deren Gebiet oder zu deren Gebiet die Straße führt, zu laden.

(6) Bei einer Entscheidung nach Abs. 4 lit. b hat die Behörde von jenem Verkehr auszugehen, dem die Straße bisher allgemein gedient hat."

Der Verwaltungsgerichtshof teilt nicht die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Auffassung, daß sich die Zuständigkeit der belangten Behörde nach § 81 Abs. 3 Tiroler Straßengesetz auch auf die Feststellung dahingehend erstrecke, ob eine Straße im Sinne des § 34 Abs. 1 lit. b des Gesetzes stillschweigend dem Gemeingebrauch gewidmet worden sei. Sowohl § 80 als auch § 81 Abs. 3 des Straßengesetzes beziehen sich dem Wortlaut nach ausdrücklich und ausschließlich auf den Fall der ausdrücklichen Widmung. Dies ist auch aus der Systematik des Gesetzes heraus verständlich, da für den Fall der stillschweigenden Widmung in § 34 Abs. 4 ein eigenes Feststellungsverfahren vorgesehen ist. Für dieses Verfahren ist gemäß § 75 Abs. 3 die Zuständigkeit des Bürgermeisters gegeben.

Da der angefochtene Bescheid die Feststellung trifft, daß die in Rede stehende Straße "keine öffentliche Privatstraße im Sinne von § 34 Abs. 1 oder Abs. 2 Tiroler Straßengesetz 1988" sei, ist zu prüfen , ob dieser Spruch zwingend dahingehend zu verstehen ist, daß damit sowohl über die Eigenschaft der Straße im Sinne des § 34 Abs. 1 lit. a als auch über die Eigenschaft im Sinne des § 34 Abs. 1 lit. b abgesprochen wurde. Da nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein allenfalls unklarer Spruch im Lichte der Begründung auszulegen ist (vgl. z.B. die bei Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, S. 435, wiedergegebene Judikatur), ist im Hinblick auf die Begründung des angefochtenen Bescheides, in der auch auf die Frage der Widmung im Sinne des § 34 Abs. 1 lit. b eingegangen wird, davon auszugehen, daß der Spruch des angefochtenen Bescheides tatsächlich die Eigenschaft der Straße gemäß § 34 Abs. 1 lit. a und lit. b betrifft. Insofern hat die belangte Behörde ihre Zuständigkeit gemäß § 75 Abs. 1 lit. f iVm § 81 Abs. 3 Tiroler Straßengesetz überschrittten. Da mangels einer Trennung in der Formulierung des Bescheidspruches keine teilweise Aufhebung des Bescheides erfolgen kann, war diese Unzuständigkeit im Rahmen des Beschwerdepunktes durch die Aufhebung des ganzen angefochtenen Bescheides wahrzunehmen.

Zur Frage, ob eine ausdrückliche Widmung im Sinne des § 34 Abs. 1 lit. a Tiroler Straßengesetz vorliegt, bringt die Beschwerde vor, daß die Feststellung der belangten Behörde, daß eine derartige Widmung fehle, einerseits nicht richtig sei, andererseits die von § 34 Abs. 1 lit. a geforderte ausdrückliche Erklärung "in diesem Fall gar nicht notwendig" sei.

Wie sich aus dem weiteren Beschwerdevorbringen ergibt, ist diese Feststellung offenbar dahingehend zu verstehen, daß die Beschwerde davon ausgeht, daß es im vorliegenden Fall nicht erforderlich ist, das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 34 Abs. 1 lit. a Tiroler Straßengesetz zu prüfen, weil die Voraussetzungen nach § 34 Abs. 1 lit. b gegeben seien. Im Hinblick auf die in dieser Hinsicht unbedenklichen Feststellungen der belangten Behörde hinsichtlich einer allfälligen Verwendung seit mindestens 30 Jahren für die Deckung eines dringenden öffentlichen Verkehrsbedürfnisses vermögen die Ausführungen in der Beschwerde jedoch keine Rechtswidrigkeit der diesbezüglichen Beurteilung der belangten Behörde nachzuweisen. Ausgehend von dem von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt ergibt sich vielmehr, daß keine Verwendung seit mindestens 30 Jahren für die Deckung eines dringenden öffentlichen Verkehrsbedürfnisses vorliegt.

Es ist somit im Beschwerdefall tatsächlich von ausschlaggebender Bedeutung, ob eine entsprechende ausdrückliche Widmung im Sinne des § 34 Abs. 1 lit. a Tiroler Straßengesetz vorliegt. Die diesbezüglichen Hinweise in der Beschwerde auf Anträge des verstorbenen Ehegatten der Beschwerdeführerin bzw. Anträge der Beschwerdeführerin selbst auf "Übernahme der Privatstraße "X" in das öffentliche Eigentum" vermögen keinen derartigen Nachweis einer ausdrücklichen Widmung zum Gemeingebrauch zu liefern. Die von § 34 Abs. 1 lit. a Tiroler Straßengesetz genannte Erklärung kann auch nicht als konkludent in den Anträgen auf Übernahme in das öffentliche Eigentum eingeschlossen gesehen werden, da die Frage der Widmung einer privaten Straße zum Gemeingebrauch von einer etwaigen Übernahme einer Straße in das öffentliche Eigentum zu unterscheiden ist. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VwSlg. 13.544 A/1991 festgestellt hat, hat eine Erklärung nach § 34 Abs. 1 lit. a auch im Falle der Beurteilung gemäß § 81 Abs. 3 Tiroler Straßengesetz für im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bestehende Privatstraßen ausdrücklich vorzuliegen.

Auch den diesbezüglichen Beschwerdeausführungen läßt sich nicht entnehmen, daß eine derartige Erklärung vorliege.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992060153.X00

Im RIS seit

25.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten