TE Vwgh Erkenntnis 1994/12/20 93/08/0136

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Veröffentlicht am 20.12.1994
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des W in T, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in V, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des LAA OÖ vom 9. April 1993, Zl. IVa-AlV-7022-0-B/1511 300851/Vöcklabruck, betreffend Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 29. Dezember 1992 sprach das Arbeitsamt Vöcklabruck aus, daß der Beschwerdeführer gemäß § 10 AlVG seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 7. Dezember 1992 bis 3. Jänner 1993 verloren habe. Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer die Arbeitsaufnahme bei der Firma G verweigert.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Er führte - soweit hier wesentlich - folgendes aus:

"Anfang Dezember bekam ich vom Arbeitsamt Vöcklabruck eine Zuweisung als LKW-Lenker zur Firma G. Nach einer telefonischen Terminvereinbarung hatte ich ein persönliches Gespräch mit dem Senior-Chef der Firma. Dieses verlief wie folgt:

Herr G erste Frage: "Was haben Sie bis jetzt gemacht?"

Ich antwortete: "Früher war ich LKW-Lenker. Zuletzt war ich einige Jahre in einer Fahrschule als Fahrlehrer tätig."

Herr G nächste Frage: "Wollen Sie nicht mehr in einer Fahrschule arbeiten?"

Ich antwortete, daß ich derzeit am Wochenende einen Ausbildungskurs für Fahrschullehrer besuche und daher sicher wieder einmal in einer Fahrschule tätig sein möchte.

Daraufhin antwortete Herr G: "Da brauchen wir gar nicht mehr weiterzureden, da kommen Sie für mich nicht in Frage. Bei mir kann einer in Pension gehen."

Dann unterschrieb er das Vorstellungsschreiben des Arbeitsamtes und markierte "nicht eingestellt".

Wir führten noch ein kurzes Gespräch über die Tatsache, daß ich aus diesen Gründen schon einige Male Ablehnungen von Unternehmen bekommen habe (Firma R, Firma H)."

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG nicht stattgegeben. Begründend wurde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der Bestimmungen der §§ 9 und 10 AlVG ausgeführt, der Berufungsausschuß sei zur Auffassung gelangt, daß der Beschwerdeführer die Annahme einer vom Arbeitsamt zugewiesenen zumutbaren Beschäftigung vereitelt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde verlange von ihm, daß er seinen Gesprächspartner "schlicht und einfach" über die von ihm beabsichtigte künftige berufliche Tätigkeit als Fahrschullehrer hätte belügen müssen. Für ihn sei es völlig unverständlich, daß seine wahrheitsgetreue Antwort als Arbeitsunwilligkeit und Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG interpretiert werde.

Der Beschwerdeführer bestreitet damit nicht die Zumutbarkeit der ihm angebotenen Beschäftigung, wohl aber, daß er die Annahme dieser Beschäftigung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG vereitelt habe.

Die Bestimmungen der §§ 9 bis 11 AlVG sind Ausdruck der dem gesamten Arbeitlosenversicherungsrecht zugrunde liegenden Gesetzeszwecke, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung einer ihm zumutbaren Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muß sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene, im Sinne der Abs. 2 bis 5 des § 9 AlVG zumutbare Beschäftigung anzunehmen, das heißt bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein. Um sich in bezug auf eine vom Arbeitsamt vermittelte, zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits (und deshalb) aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, das objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines den Zustand der Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen (sieht man vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen, ab), somit auf zwei Wegen verschuldet (das heißt dessen Zustandekommen vereitelt) werden: Nämlich dadurch, daß der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (Unterlassung der Vereinbarung eines Vorstellungstermines, Nichtantritt der Arbeit), oder aber, daß er den Erfolg seiner (nach außen zutage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1993, Zl. 92/08/0070, mit weiteren Nachweisen).

Unter dem Begriff der "Vereitelung" im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein auf das zugewiesene Beschäftigungsverhältnis bezogenes Verhalten des Vermittelten zu verstehen, das - bei gegebener Zumutbarkeit der Beschäftigung - das Nichtzustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses herbeiführt. Das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses muß nicht nur in der Sphäre des Vermittelten, sondern darüber hinaus in einem auf das Nichtzustandekommen gerichteten oder dies zumindest in Kauf nehmenden Tun des Vermittelten seinen Grund haben. Eine solche Vereitelung hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt auch dann bejaht, wenn der Arbeitslose beim Vorstellungsgespräch, wenn auch wahrheitsgemäß, seine Intention zum Ausdruck bringt, die mit der Spezifikation einer Dauerstellung angebotene zumutbare Beschäftigung nur als Übergangslösung zu betrachten, weil er damit - bezogen auf den konkreten angebotenen Arbeitsplatz als Dauerstellung - seine Arbeitswilligkeit in Zweifel stellt (vgl. zum Ganzen das Erkenntnis vom 17. November 1992, Zl. 92/08/0101, mit weiteren Nachweisen).

Ausgehend von dieser Rechtsauffassung ist die Annahme einer Vereitelung der zugewiesenen Beschäftigung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG durch den Beschwerdeführer nicht rechtswidrig; dies aus folgenden Gründen:

Nach seinem eigenen Vorbringen hat der Beschwerdeführer beim Vorstellungsgespräch auf die Frage, ob er nicht mehr in einer Fahrschule arbeiten wolle, geantwortet, daß er derzeit am Wochenende einen Ausbildungskurs für Fahrschullehrer besuche und daher sicher wieder einmal in einer Fahrschule tätig sein möchte.

Der Beschwerdeführer stellte damit, ohne daß er dazu genötigt gewesen wäre, seinen derzeitigen Besuch eines Ausbildungskurses für Fahrschullehrer in den Vordergrund seiner Aussage, obwohl ihm - wieder seinem eigenen Vorbringen zufolge - bereits aufgrund seiner früheren Vorstellungen bekannt gewesen ist, daß dieser Hinweis auf den derzeitigen Besuch eines Ausbildungskurses für Fahrschullehrer in dem Sinne von den potentiellen Arbeitgebern verstanden wurde, daß der Beschwerdeführer nur ein vorübergehendes, kurzfristiges Dienstverhältnis anstrebt. Das Verhalten des Beschwerdeführers beim Vorstellungsgespräch entsprach damit aber nicht dem eines tatsächlich arbeitssuchenden Stellenwerbers. Es kann auch kein Zweifel bestehen, daß das Verhalten des Beschwerdeführers für die Weigerung des präsumptiven Dienstgebers, ihn einzustellen, kausal war. Dadurch, daß der Beschwerdeführer trotz seiner Ausführungen über den Besuch eines Ausbildungskurses für Fahrschullehrer nicht klarstellte, er sei dennoch bereit, ein Arbeitsverhältnis auf Dauer mit dem zugewiesenen Dienstgeber zu begründen, nahm er auch das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses im Sinne der genannten Rechtsprechung in Kauf (vgl. u.a. weiters die hg. Erkenntnisse vom 23. Februar 1984, Zl. 81/08/0209, und vom 13. September 1985, Zl. 84/08/0077).

Der Beschwerdeführer irrt, wenn er meint, die Äußerung seiner wahren Intention dürfte nicht als Vereitelungstatbestand gewertet werden. Wer eine Leistung aus der Versicherungsgemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muß sich darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung (was hier unbestritten der Fall ist) auch zu akzeptieren, das heißt: bezogen auf eben diesen in seinen geforderten Spezifikationen zumutbaren Arbeitsplatz ARBEITSWILLIG sein. Gerade das Erkennenlassen der Intention, den angebotenen Arbeitsplatz nur als Übergangslösung zu betrachten, stellt aber - bezogen auf den konkret angebotenen Arbeitsplatz - die Arbeitswilligkeit des Beschwerdeführers in Zweifel und erfüllt den Tatbestand des § 10 Abs. 1 erster Satz zweiter Fall AlVG.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993080136.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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