TE Vwgh Erkenntnis 1993/6/29 92/08/0070

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Veröffentlicht am 29.06.1993
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des W in X, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den aufgrund des Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des LAA OÖ vom 11.2.1992, Zl. IVa-AlV-7022-O-B/2347 030945/Linz, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe gemäß § 10 Abs. 1 AlVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem seit 3. Dezember 1990 im Bezug der Notstandshilfe stehenden Beschwerdeführer wurde nach der - insoweit unstrittigen - Aktenlage vom Arbeitsamt Linz eine Beschäftigung als Versicherungsvertreter bei der Versicherung XY, Zweigstelle Linz, mit Arbeitsbeginn am 1. Oktober 1991 zugewiesen. Nach der am 16. Oktober 1991 mit dem Beschwerdeführer aufgenommenen Niederschrift kam das Beschäftigungsverhältnis nicht zustande, weil der Beschwerdeführer anläßlich seines Vorstellungsgespräches angegeben habe, daß er, wenn er wieder eine Arbeit in seinem Beruf bekomme, "natürlich sofort kündigen werde". Nach Anhörung des Vermittlungsausschusses erklärte das Arbeitsamt Linz den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 22. Oktober 1991 hinsichtlich seines Anspruches auf Notstandshilfe gemäß § 38 iVm § 10 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609/1977 idgF, für die Zeit vom 1. Oktober 1991 bis 28. Oktober 1991 für verlustig, wobei eine Nachsicht nicht erteilt wurde.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Im wesentlichen unter Bestätigung des auch vom Arbeitsamt angenommenen - und insoweit daher unstrittigen - Sachverhaltes begründete er diese damit, die Ablehnung des Zustandekommens des Dienstverhältnisses sei von der Versicherungsanstalt und nicht von ihm ausgegangen. Er habe nur wahrheitsgemäß auf diesbezügliche Fragen des zuständigen Herrn der Versicherungsanstalt geantwortet, indem er ihm gegenüber angegeben habe, es bestünde eine Chance im Sommer/Herbst 1992 wiederum als Konsulent bei der Firma V zu arbeiten. Diese Tätigkeit habe er bereits 1990 ausgeübt, laut Auskunft der leitenden Herren dieses Unternehmens würden sie bei Zustandekommen eines in Rede stehenden Projektes auf die Mitarbeit des Beschwerdeführers großen Wert legen. Darauf habe der Herr der Versicherungsanstalt gesagt, daß er unter diesen Umständen an einem Anstellungsverhältnis nicht mehr interessiert sei, da als Vorbedingung eine mehrmonatige Intensivschulung notwendig sei und in diesem Fall unter Umständen nur hohe Schulungskosten für das Unternehmen auftreten würden.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte den Bescheid des Arbeitsamtes Linz. Nach Darstellung des insoweit unstrittigen Sachverhaltes und Zitierung der in Anwendung gebrachten gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde aus, das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses müsse nicht nur in der Sphäre des Vermittelten liegen, sondern darüber hinaus in einem auf das Nichtzustandekommen gerichteten oder dies zumindest in Kauf nehmenden Ton des Vermittelten seinen Grund haben. Wer eine Leistung aus der Versicherungsgemeinschaft der Arbeitslosen in Anspruch nehme, müsse sich darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung auch zu akzeptieren, d.h. bezogen auf eben diesen in seiner geforderten Spezifikation zumutbaren Arbeitsplatz arbeitswillig sein. Das Erkennenlassen der Intention, den angebotenen Arbeitsplatz nur als Übergangslösung zu betrachten, stelle aber - bezogen auf den konkret angebotenen Arbeitsplatz - die Arbeitswilligkeit in Zweifel. Unstrittig sei, daß die "Befristung" (bis zum Wiedereinstieg in den Beruf) des Dienstverhältnisses von seiten des Beschwerdeführers für die negative Erledigung ausschlaggebend gewesen sei. Es sei daher der Vereitelungstatbestand des § 10 Abs. 1 1. Satz 2. Fall AlVG verwirklicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wenn der Arbeitslose sich weigert, eine ihm vom Arbeitsamt zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, so verliert er gemäß § 10 Abs. 1 1. Satz AlVG 1977 für die Dauer der Weigerung, jedenfalls für die Dauer der auf die Weigerung folgenden vier Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld (Notstandshilfe). Gemäß § 9 Abs. 2 AlVG ist eine Beschäftigung dem Arbeitslosen zumutbar, die seinen körperlichen Fähigkeiten angemessen ist, seine Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist und dem Arbeitslosen eine künftige Verwendung in seinem Beruf nicht wesentlich erschwert. Die letzte Voraussetzung bleibt bei der Beurteilung, ob die Beschäftigung zumutbar ist, außer Betracht, wenn der Anspruch auf den Bezug des Arbeitslosengeldes erschöpft ist und keine Aussicht besteht, daß der Arbeitslose in absehbarer Zeit in seinem Beruf eine Beschäftigung findet. Nach § 38 AlVG sind diese Bestimmungen auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Der Beschwerdeführer bestreitet im vorliegenden Fall nicht, daß ihm die vom Arbeitsamt zugewiesene Beschäftigung als Versicherungsvertreter im Sinne des § 9 Abs. 2 leg. cit. "zumutbar" gewesen ist. Er bringt vielmehr gegen die entscheidungswesentliche Qualifizierung seines Verhaltens als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG vor, er habe ganz allgemein erklärt, daß er wieder in der Berufssparte tätig sein möchte, in der er 20 Jahre lang tätig gewesen sei, und daß er eine derartige Möglichkeit aufgreifen würde, wenn sie sich böte. Eine derartige Einstellung sei verständlich und entspreche der Lebenserfahrung. Jeder Dienstgeber müsse davon ausgehen, daß ein Dienstnehmer das Dienstverhältnis aufkündige, wenn sich für den Dienstnehmer die Möglichkeit ergäbe, ein anderes Dienstverhältnis einzugehen und dieses aus der subjektiven Sicht Vorteile gegenüber dem bisherigen mit sich bringe. Unter diesem Gesichtspunkt könne das Verhalten des Beschwerdeführers nicht als überzeugende Begründung für das Nichtzustandekommen des Dienstverhältnisses, sondern lediglich als ein von der Versicherung XY benützter Vorwand angesehen werden.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine andere Beurteilung des Beschwerdefalles herbeizuführen.

Die Bestimmungen der §§ 9 bis 11 AlVG sind nach nunmehr ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Ausdruck der dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zugrundeliegenden Gesetzeszwecke, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung einer ihm zumutbaren Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muß sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene, im Sinne der Absätze 2 bis 5 des § 9 AlVG zumutbare Beschäftigung anzunehmen, d.h. bezogen auf den zugewiesenen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein. Um sich in Bezug auf eine vom Arbeitsamt vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits (und deshalb) aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, das objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines den Zustand der Arbeitslosigkeit beendenden, zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen daher auf zwei Wegen verschuldet werden, nämlich zum einen dadurch, daß er ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet, zum zweiten jedoch, daß er den Erfolg seiner (nach außen zutage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 24. November 1992, Zl. 92/08/0132, mit weiteren Judikaturhinweisen, zuletzt auch hg. Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 92/08/0219).

Unter der zuletzt angesprochenen Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein auf das zugewiesene Beschäftigungsverhältnis bezogenes Verhalten des Vermittelten zu verstehen, das - bei gegebener Zumutbarkeit der Beschäftigung - das Nichtzustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses herbeiführt. Das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses muß nicht nur in der Sphäre der Vermittelten, sondern darüber hinaus in einem auf das Nichtzustandekommen gerichteten oder dies zumindest in Kauf nehmenden Tun des Vermittelten seinen Grund haben (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 27. April 1993). Eine solche Vereitelung hat der Verwaltungsgerichtshof auch dann wiederholt bejaht, wenn der Arbeitslose beim Vorstellungsgespräch - wenn auch wahrheitsgemäß - seine Intention zum Ausdruck bringt, die mit der Spezifikation einer Dauerstellung angebotene zumutbare Beschäftigung nur als Übergangslösung zu betrachten, weil er damit - bezogen auf den konkret angebotenen Arbeitsplatz als Dauerstellung - seine Arbeitswilligkeit in Zweifel stellt (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 17. November 1992, Zl. 92/08/0101, u. a.).

Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, daß er anläßlich seines Vorstellungsgespräches darauf hingewiesen hat, daß er nach zwanzigjähriger Berufserfahrung in seinem Beruf in seine Branche zurückkehren möchte und sich unter Umständen im Sommer/Herbst 1992 bei der Firma V sich diese Möglichkeit bieten würde. Da die vom Arbeitsamt Linz vermittelte Dienstgeberfirma Versicherung XY im Hinblick auf die lange Schulungsdauer und damit verbundenen Schulungskosten an einer nur kurzfristigen Aufnahme des Beschwerdeführers nicht interessiert war, kann auch kein Zweifel daran bestehen, daß das Verhalten des Beschwerdeführers für die Weigerung der Versicherung XY, ihn einzustellen, kausal war.

Da das vom Beschwerdeführer auch in der Beschwerde nicht bestrittene Verhalten im Sinne der Rechtsprechung dem Tatbestand der Vereitelung des Antritts einer zugewiesenen Beschäftigung im Sinn des § 10 Abs. 1 1. Satz 2. Fall AlVG entspricht und der angefochtene Bescheid sich daher auf dem Boden des Beschwerdevorbringens als rechtmäßig erweist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992080070.X00

Im RIS seit

18.10.2001

Zuletzt aktualisiert am

30.09.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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