TE Vwgh Erkenntnis 1995/1/18 93/01/0998

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Veröffentlicht am 18.01.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §33 Abs3;
AVG §39 Abs2;
AVG §63 Abs5;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der D in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Mai 1993, Zl. 4.329.757/2-III/13/92, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des Asylwesens, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 6. Februar 1992 wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführerin nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968) in Verbindung mit der Genfer Flüchtlingskonvention sei. Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Mai 1993 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon ausgegangen, daß der erstinstanzliche Bescheid von der Beschwerdeführerin am 18. Februar 1992 übernommen worden sei, demnach die Berufungsfrist am 3. März 1992 geendet habe und die Berufung aber erst am 5. März 1992 eingebracht worden sei.

Demgegenüber macht die Beschwerdeführerin insbesondere geltend, daß sie die Berufung einen Tag vor Ablauf der Frist, nämlich am 2. März 1992, zur Post gebracht habe. Die Berufung sei allerdings nicht in Form eines Einschreibbriefes von der Beschwerdeführerin abgesendet worden, weshalb sie auch keinen Beleg für die rechtzeitige Aufgabe ihrer Berufung in Händen habe. Aus der Beschwerdeführerin nicht erklärlichen Gründen scheine in der Berufung als Einbringungsdatum der 5. März 1992 auf.

Gemäß § 63 Abs. 5 AVG ist die Berufung binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat oder bei der Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat. Unbestritten ist im vorliegenden Fall, daß der erstinstanzliche Bescheid der Beschwerdeführerin am 18. Februar 1992 wirksam zugestellt wurde.

Aus den Verwaltungsakten ergibt sich, daß der Beschwerdeführerin zur Frage der Verspätung der Berufung kein Parteiengehör gewährt wurde. Die Berufung ist datiert mit 1. März 1992. Das Kuvert ist adressiert an die "Sicherheitsdirektion f. Asylwerberreferat", 2614 Traiskirchen. Der Poststempel auf dem Kuvert ist unleserlich. Auf der Berufung befindet sich ein Eingangsstempel der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich. Nach diesen ist die Berufung am 10. März 1992 eingelangt.

Gemäß der hg. Judikatur trägt die Berufungsbehörde das Risiko der Aufhebung des Bescheides, wenn sie dem Berufungswerber die Feststellung der Versäumung der Berufungsfrist nicht zur Stellungnahme vorhält (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 23. September 1992, Zl. 92/01/0607, und vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0112). Dadurch, daß die belangte Behörde von der Einholung einer derartigen Stellungnahme der Beschwerdeführerin bzw. von der Durchführung entsprechender Ermittlungen - deren Ergebnis wäre dem Parteiengehör zu unterziehen gewesen - abgesehen hat, hat sie ihren Bescheid mit einem Verfahrensmangel belastet. Dieser erweist sich angesichts des Beschwerdevorbringens, die Berufung sei am 2. März 1992 zur Post gegeben worden, und im Hinblick auf die hg. Judikatur (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. März 1980, Slg. Nr. 10070/A), daß bei Verlust des Nachweises über das Datum der Postaufgabe der Zeitpunkt der Postaufgabe von Amts wegen zu ermitteln ist (letzteres muß auch in einem Fall wie dem vorliegenden gelten, in dem das Datum des Poststempels nicht leserlich ist), als wesentlich, weil nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensfehlers zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Der angefochtene Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993010998.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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