TE Vwgh Erkenntnis 1995/1/25 94/12/0304

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Veröffentlicht am 25.01.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
63/06 Dienstrechtsverfahren;
64/02 Bundeslehrer;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
BLVG 1965 §8 Abs2;
DVG 1984 §8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde des W in N, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 3. Oktober 1994, Zl. 100.042/04-Pr.A6/94, betreffend Herabsetzung der Lehrverpflichtung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Professor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seine Dienststelle ist die Höhere Landwirtschaftliche Bundeslehranstalt S bei L.

Mit Eingabe vom 26. Juli 1994 beantragte der Beschwerdeführer aus gesundheitlichen Gründen die Herabsetzung seiner Lehrverpflichtung auf die Hälfte und legte mit Schreiben vom 3. Oktober 1994 weiters ein privatfachärztliches Gutachten über seinen Gesundheitszustand vor.

Der angefochtene Bescheid, datiert ebenfalls vom 3. Oktober 1994, und sprach über den Antrag des Beschwerdeführers wie folgt ab:

"Ihr Ansuchen vom 26.07.1994 um Herabsetzung der Lehrverpflichtung auf die Hälfte für das Schuljahr 1994/95 wird gemäß § 8 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 15. Juli 1965, BGBl. Nr. 244/65 abgelehnt."

Zur Begründung wird nach Wiedergabe des § 8 Abs. 2 des im Spruch genannten Bundesgesetzes (BLVG) nur ausgeführt, es sei mit amtsärztlichem Gutachten vom 30. August 1994 festgestellt worden, daß die Beschwerden und die diagnostizierten Erkrankungen des Beschwerdeführers nicht geeignet wären, eine Lehrpflichtermäßigung für das Schuljahr 1994/95 zu begründen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat zwei Aktenstücke, nicht aber das vom Beschwerdeführer mit Eingabe vom 3. Oktober 1994, also noch vor der Bescheiderlassung, anhängig gemachte privatfachärztliche Gutachten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 8 Abs. 2 BLVG kann die Lehrverpflichtung auf Ansuchen des Lehrers unter anderem aus gesundheitlichen Gründen, die in der Person des Lehrers liegen, herabgesetzt werden.

Der Beschwerdeführer bringt als Rechtswidrigkeit insbesondere vor, die Begründung des angefochtenen Bescheides bestehe lediglich aus einem Hinweis auf ein amtsärztliches Gutachten, das dem Beschwerdeführer nie zur Kenntnis gebracht worden sei, sodaß er keine Gelegenheit gehabt habe, durch frühere Vorlage eines ärztlichen Attestes wie jenes vom 27. September 1994 die Unrichtigkeit des amtsärztlichen Gutachtens aufzuzeigen. Im übrigen habe sich das vom Beschwerdeführer vorgelegte fachärztliche Attest vom 27. September 1994 mit der "Bescheiderstellung" gekreuzt. Die belangte Behörde habe jedenfalls nicht im Ermessensbereich entschieden, sondern sei fälschlich davon ausgegangen, daß das gesetzlich bindend geregelte Erfordernis für die Antragstellung nicht erfüllt sei. Es sei auch nicht Sache des Sachverständigen, Feststellungen darüber zu treffen, ob auf Grund von Beschwerden und Erkrankungen eine Lehrpflichtermäßigung von der Behörde zu gewähren sei.

Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu.

Nach § 1 Abs. 1 DVG findet im Beschwerdefall das AVG mit bestimmten Abweichungen Anwendung. Der Erlassung eines Bescheides hat nach § 56 AVG die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes, sofern er nicht von vornherein klar gegeben ist, nach den Vorschriften der §§ 37 und 39 AVG voranzugehen. Nach § 37 AVG ist der Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Zu § 37 AVG sieht § 8 DVG folgende Abweichungen vor:

"(1) Die Dienstbehörde hat in Dienstrechtsverfahren die zum Vorteil und Nachteil der Partei dienenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu berücksichtigen.

(2) In Dienstrechtsverfahren hat die Partei nur insoweit Anspruch darauf, daß ihr Gelegenheit gegeben wird, von den Ergebnissen amtlicher Erhebungen und Beweisaufnahmen Kenntnis und zu ihnen Stellung zu nehmen, als diese Ergebnisse von dem bisherigen für den Bescheid maßgebenden Vorbringen der Partei abweichen."

Der Verwaltungsgerichtshof sieht im Beschwerdefall keinen Ansatz dafür, daß die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 DVG im Sinne einer berechtigten Beschränkung des Parteiengehörs gegeben gewesen wären. Der Beschwerdeführer beantragte vielmehr im Hinblick auf seinen angeblich schlechten Gesundheitszustand die Verringerung seiner Lehrverpflichtung. Dementgegen stellte das amtsärztliche Gutachten - so der einzige Begründungssatz des angefochtenen Bescheides - fest, daß die Beschwerden und die Erkrankungen nicht geeignet seien, eine Lehrpflichtermäßigung zu begründen. Abgesehen davon, daß es nicht Aufgabe des Sachverständigen ist, Feststellungen darüber zu treffen, ob auf Grund des Gesundheitszustandes des Lehrers eine Lehrpflichtermäßigung zu gewähren ist oder nicht, weicht das Ergebnis dieser Erhebung vom Vorbringen des Beschwerdeführers ab, sodaß es ihm schon deshalb zur Kenntnis zu bringen gewesen wäre.

Da dem angefochtenen Bescheid kein entsprechendes Ermittlungsverfahren zugrunde lag, keine Feststellungen hinsichtlich des maßgebenden Sachverhaltes getroffen worden sind und der angefochtene Bescheid nahezu begründungslos ist, ist der in der Gegenschrift seitens der belangten Behörde unternommene Versuch, die unterlassenen Feststellungen bzw. die fehlende Begründung nachzuholen, nicht geeignet, die diesem Bescheid anhaftende Mangelhaftigkeit zu beheben (vgl. beispielsweise Erkenntnis vom 27. Jänner 1960, Slg. N. F. Nr. 5186/A, u.v.a.).

Da der belangten Behörde also grundlegende Verfahrensfehler unterlaufen sind und der einzige Begründungssatz zumindest sprachlich so gefaßt ist, daß die Entscheidung dem "amtsärztlichen Gutachten" zugerechnet werden muß und nicht der allein zur Lösung der Rechtsfrage berufenen Dienstbehörde, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Arzt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994120304.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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