TE Vwgh Erkenntnis 1995/1/27 94/02/0201

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Veröffentlicht am 27.01.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §39 Abs2;
FrG 1993 §37;
FrG 1993 §41;
FrG 1993 §51 Abs1;
FrG 1993 §51;
FrG 1993 §52;
FrG 1993 §54;
FrG 1993 §65 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/02/0202 94/02/0283

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Bernard, Dr. Riedinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerden des B in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 18. März 1994, Zl. UVS-8/91/2-1994, vom 7. April 1994, Zl. UVS-8/106/1-1994, und vom 13. Mai 1994, Zl. UVS-8/119/3-1994, jeweils betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von (insgesamt) S 9.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien albanischer Volkszugehörigkeit, reiste am 16. Dezember 1993 von Slowenien illegal in das Bundesgebiet ein. Am selben Tag wurde er beim versuchten illegalen Grenzübertritt nach Deutschland am Grenzübergang Bad Reichenhall von bayrischen Grenzbeamten angehalten, inhaftiert und nach Österreich abgeschoben. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 17. Dezember 1993 wurde über ihn die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit bzw. zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Anläßlich einer niederschriftlichen Einvernahme an diesem Tag wurde der Beschwerdeführer über die geplanten fremdenpolizeilichen Maßnahmen, insbesondere über die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und die anschließende Abschiebung, in Kenntnis gesetzt. Weiters wurde er bei dieser Einvernahme über die Möglichkeit, einen Antrag nach § 54 Fremdengesetz (FrG) zu stellen, belehrt.

Mit Schreiben vom 21. Dezember 1993 ersuchte die Bundespolizeidirektion Salzburg das Generalkonsulat der Republik Jugoslawien um Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer; eine diesbezügliche Urgenz erfolgte am 25. Jänner 1994 und zuletzt am 10. Mai 1994.

Mit Bescheid vom 3. Jänner 1994 wurde von der Bundespolizeidirektion Salzburg gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot verhängt; dieses erwuchs nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers am 17. Jänner 1994 in Rechtskraft.

Am 2. Februar 1994 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Asylgewährung, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21. Februar 1994 abgewiesen wurde.

Am 12. Februar 1994 brachte der Beschwerdeführer (mit einer Ergänzung vom 14. Februar 1994) einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Jugoslawien ein. Damit verband er einen Eventualantrag im Sinne des § 36 Abs. 2 FrG.

Mit einer Beschwerde vom 18. Februar 1994 rief der Beschwerdeführer den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Salzburg gegen die mit Bescheid vom 17. Dezember 1993 verhängte Schubhaft an. Dieser Schriftsatz langte am 21. Februar 1994 bei der belangten Behörde ein. Mit Bescheid vom 25. Februar 1994 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die weitere Anhaltung in Schubhaft als rechtmäßig festgestellt. Dieser Bescheid wurde am 28. Februar 1994 zugestellt.

Mit Schreiben vom 8. März 1994 begehrte der Beschwerdeführer einerseits die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Antragstellung nach § 54 Abs. 2 FrG betreffend seinen Antrag vom 12. Februar 1994 und stellte andererseits einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Ungarn und Slowenien. Dieser zuletzt genannte Antrag wurde mit Bescheid vom 10. März 1994 von der Bundespolizeidirektion Salzburg als unzulässig zurückgewiesen.

Am 15. März 1994 erhob der Beschwerdeführer eine neuerliche Schubhaftbeschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Salzburg. Hiezu erstattete er ergänzende Anbringen vom 15., 16. und 17. März 1994. Mit dem erstangefochtenen Bescheid vom 18. März 1994 wies die belangte Behörde die Beschwerde für den Zeitraum ab 3. März 1994 als unbegründet ab und stellte die weitere Anhaltung in Schubhaft als rechtmäßig fest. Dieser Bescheid wurde am 22. März 1994 zugestellt.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 1. April 1994 wurde (unter anderem) der Antrag des Beschwerdeführers vom 16. März 1994 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen das Aufenthaltsverbot vom 3. Jänner 1994 zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 18. April 1994 "zurückgewiesen"; weiters wurde mit diesem Bescheid die Berufung des Beschwerdeführers hinsichtlich des Wiedereinsetzungsantrages wegen Versäumung der Frist zur Antragstellung nach § 54 Abs. 2 FrG abgewiesen und der Feststellungsantrag betreffend die Unzulässigkeit der Abschiebung nach Jugoslawien, Ungarn und Slowenien "zurückgewiesen" (zur "Zurückweisung" vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0282, mit dem über die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid vom 18. April 1994 im abweisenden Sinne entschieden wurde).

Am 1. April 1994 (bei der belangten Behörde eingelangt am 5. April 1994) erhob der Beschwerdeführer eine weitere Beschwerde gegen die mit Bescheid vom 17. Dezember 1993 verhängte Schubhaft. Über diese wurde mit dem zweiten angefochtenen Bescheid vom 7. April 1994 dahin entschieden, daß die Beschwerde für den Zeitraum ab 23. März 1994 als unbegründet abgewiesen und die weitere Anhaltung in Schubhaft als rechtmäßig festgestellt wurde.

Gegen die Bescheide der belangten Behörde vom 18. März 1994 und vom 7. April 1994 wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner zu den Zlen. 94/02/0201, 0202 protokollierten Beschwerde.

Mit Fernschreiben vom 25. Februar 1994 hatte die Bundespolizeidirektion Salzburg die Sicherheitsdirektion für Kärnten ersucht, bei den slowenischen Behörden die Rückübernahme des Beschwerdeführers entsprechend dem österreichisch-slowenischen Schubabkommen zu erwirken. Am 7. März 1994 beantragte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten bei den slowenischen Behörden die Übernahme des Beschwerdeführers. Am 9. März 1994 teilte die Sicherheitsdirektion für Kärnten die ablehnende Haltung der Republik Slowenien zu diesem Übernahmeersuchen mit. Am 11. März 1994 nahm das Bundesministerium für Inneres in dieser Frage nochmals Kontakt mit den slowenischen Behörden auf, wobei auf ähnlich gelagerte Fälle verwiesen wurde, in denen sich Slowenien bereit erklärt hatte, die Frage der Übernahme im Hinblick auf den Grenzübertrittsort zu klären.

Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der zur Zl. 94/02/0283 (s.u.) eingebrachten Beschwerde geht aus einem Aktenvermerk des "fremdenpolizeilichen Organs der Bundespolizeidirektion Salzburg" vom 3. März 1994 hervor, daß dieses beim jugoslawischen "Konsulat" wegen des den Beschwerdeführer betreffenden Heimreisezertifikates vorgesprochen habe; dabei sei von der Gattin des Konsuls mitgeteilt worden, daß dem Beschwerdeführer das Heimreisezertifikat nicht ausgestellt werde, eine entsprechende Ablehnung sei von Belgrad nach Salzburg gefaxt worden.

Am 9. Mai 1994 erhob der Beschwerdeführer eine weitere, vierte Beschwerde gegen die mit Bescheid vom 17. Dezember 1993 verhängte Schubhaft. Die Bundespolizeidirektion Salzburg gab am 11. Mai 1994 der belangten Behörde bekannt, daß am 10. Mai 1994 beim jugoslawischen Generalkonsulat in Salzburg Erhebungen betreffend das Heimreisezertifikat des Beschwerdeführers durchgeführt worden seien; der Konsul habe dabei angegeben, daß er in Belgrad diesbezüglich urgieren werde. Mit dem drittangefochtenen Bescheid vom 13. Mai 1994 wies die belangte Behörde die Beschwerde für den Zeitraum ab dem 8. April 1994 als unbegründet ab und stellte fest, daß die weitere Anhaltung in Schubhaft rechtmäßig sei. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur Zl. 94/02/0283 erhobene Beschwerde.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und darüber erwogen:

A. Zur Beschwerde gegen die Bescheide der belangten Behörde vom 18. März 1994 und vom 7. April 1994:

Der Beschwerdeführer macht inhaltliche Rechtswidrigkeit der bekämpften Bescheide geltend. Er ist - zusammengefaßt - der Ansicht, daß die belangte Behörde die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung nach (Rest)Jugoslawien und nach Slowenien deshalb zu prüfen gehabt hätte, da die diesbezüglichen Anträge im Sinne des § 54 Abs. 1 FrG unzulässig gewesen seien.

Soweit sich der Beschwerdeführer hier auf ein Abschiebungsverbot gemäß § 37 FrG beruft, verkennt er, daß im Hinblick auf die Möglichkeit einer Antragstellung nach § 54 FrG die Überprüfung der Unzulässigkeit einer Abschiebung in ein bestimmtes Land nicht im Rahmen der Prüfung einer Schubhaftbeschwerde durch den unabhängigen Verwaltungssenat zu erfolgen hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 10. Februar 1994, Zl. 93/18/0410, vom 22. April 1994, Zl. 94/02/0082, vom 8. Juli 1994, Zlen. 94/02/0124, 0127, und vom 12. August 1994, Zl. 94/02/0123), zumal er die Möglichkeit einer Antragstellung gehabt, wenn auch ungenützt hatte verstreichen lassen. Die Durchführung eines Verfahrens im Sinne des § 54 Abs. 1 FrG obliegt jedoch der zuständigen Verwaltungsbehörde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 1994, Zl. 94/02/0038); eine diesbezügliche Prüfungskompetenz des unabhängigen Verwaltungssenates besteht nicht (vgl. das Erkenntnis vom 24. Juni 1994, Zl. 94/02/0146).

Der Beschwerdeführer ist weiters der Ansicht, daß die belangte Behörde gegen die sich aus § 48 Abs. 1 FrG ergebende Verpflichtung verstoßen habe, darauf hinzuwirken, daß die Schubhaft so kurz wie möglich dauere.

§ 48 FrG lautet auszugsweise:

"(1) Die Behörde ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß die Schubhaft so kurz wie möglich dauert.

(2) Die Schubhaft darf nur so lange aufrecht erhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Sie darf außer in den Fällen des Abs. 4 insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern.

...

(4) Kann oder darf ein Fremder nur deshalb nicht abgeschoben werden,

1. weil über einen Antrag gemäß § 54 noch nicht rechtskräftig entschieden ist oder

2. weil er an der Feststellung seiner Identität und Staatsangeörigkeit nicht im erforderlichen Ausmaß mitwirkt oder

3. weil er die für die Einreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht besitzt,

so kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung (Ziffer 1), nach Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit (Ziffer 2) oder nach Einlangen der Bewilligung bei der Behörde (Ziffer 3), insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(5) Die Behörde hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich niederschriftlich in Kenntnis zu setzen."

Der Beschwerdeführer übersieht bei seinen Ausführungen über die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden in diesem Zusammenhang, daß er selbst Anträge im Sinne des § 54 Abs. 1 FrG (wenn auch verspätet, verbunden mit den vorhin erwähnten - im Ergebnis abgewiesenen - Wiedereinsetzungsanträgen) gestellt hat; daher lag im Beschwerdefall der Verlängerungsgrund des § 48 Abs. 4 Z. 1 FrG vor. Auf die Frage eines Verstoßes gegen allfällige sich aus § 48 Abs. 1 FrG ergebende Verpflichtungen war daher nicht mehr einzugehen.

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung der Verständigungspflicht im Sinne des § 48 (richtig:) Abs. 5 FrG rügt, ist er auf das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 94/02/0392, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG zu verweisen. Dies gilt auch für die Rüge, daß die belangte Behörde zu Unrecht von der ihr durch § 52 Abs. 2 Z. 1 FrG eingeräumten Möglichkeit, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, Gebrauch gemacht habe.

B. Zur Beschwerde gegen den Bescheid vom 13. Mai 1994:

Soweit der Beschwerdeführer wieder von einer "umfassenden Rechtmäßigkeitsprüfung" durch den unabhängigen Verwaltungssenat im Hinblick auf das Vorliegen von Gründen gemäß § 37 Abs. 1 bzw. Abs. 2 FrG ausgeht, kann auf das bereits Gesagte verwiesen werden.

Soweit aber der Beschwerdeführer vorbringt, die belangte Behörde habe dem Umstand keine Rechnung getragen, daß die Abschiebung "schon aus tatsächlichen (faktischen) Gründen nicht durchführbar" gewesen sei, so vermag er gleichfalls eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun:

Nach § 36 Abs. 2 erster Satz FrG ist nämlich die Abschiebung eines Fremden auf Antrag oder von Amts wegen auf bestimmte, jeweils ein Jahr nicht übersteigende Zeit aufzuschieben (Abschiebungsaufschub), wenn sie unter anderem aus tatsächlichen Gründen unmöglich scheint. Für einen solchen Fall ist daher ein eigenes Verfahren vorgesehen, welches vor den Fremdenbehörden (§ 65 Abs. 1 FrG) zu führen ist. Die Überprüfung, ob die Abschiebung eines Fremden aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist (scheint), hat daher gleichfalls nicht im Rahmen der Prüfung einer Schubhaftbeschwerde durch den unabhängigen Verwaltungssenat zu erfolgen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 1994, Zl. 94/02/0227).

Der Beschwerdeführer greift auch hier die Frage der Erfüllung sich aus § 48 Abs. 1 FrG ergebender allfälliger Verpflichtungen auf. Abgesehen davon, daß zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde die vierwöchige Frist des § 48 Abs. 4 Z. 1 FrG noch nicht verstrichen war, durfte die belangte Behörde aufgrund der Bekanntgabe der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 11. Mai 1994 davon ausgehen, daß die Ausstellung eines "Heimreisezertifikates" nicht ausgeschlossen erschien.

C. Die Beschwerden erweisen sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994020201.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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